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Ein ranghoher Verfassungsschützer hat vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) die Kooperation seiner Behörde mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) energisch verteidigt und zugleich dem Verdacht der Verstrickung in den Drohnenkrieg der USA widersprochen. "Die Behauptung, vom Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelte Daten seien ursächlich für Tötungen gewesen, weise ich zurück", sagte Dr. Klaus-Michael Rogner bei seiner Vernehmung am Donnerstag, 28. April 2016. Der heute 50-jährige Jurist steht seit 2011 an der Spitze der Abteilung 6, die für die Abwehr radikalislamischer Bestrebungen zuständig ist. Zuvor war er seit 2008 Referatsgruppenleiter in derselben Abteilung.
Rogner wies darauf hin, dass jede an einen ausländischen Geheimdienst, also auch die NSA, übermittelte Information mit dem Hinweis versehen sei, sie dürfe "nur für nachrichtendienstliche Zwecke genutzt" werden, und zwar im Sinne deutschen Rechtsverständnisses. Unter einem "nachrichtendienstlichen Zweck" sei demnach lediglich die Gewinnung und Analyse von Informationen zu verstehen, "aber eben kein Mehr".
Damit wären Drohneneinsätze, auch wenn vielleicht von einem Geheimdienst wie der CIA gesteuert, ausgeschlossen. Rogner betonte, eine solche Verwendungsbeschränkung sei "kein völkerrechtliches Nullum". Sie habe für den Empfänger durchaus Bindungskraft, und der Verfassungsschutz behalte sich auch vor, die Einhaltung zu überprüfen.
Ob und, wenn ja, wie oft dies bisher bereits geschehen sei, vermochte Rogner nicht zu sagen. Er räumte auch ein, dass es schwierig wäre, Verstöße der NSA gegen den Vorbehalt zu ahnden. Die einzig denkbare Sanktion wäre die Einstellung des Informationsaustausches, indes: "Für uns ist die Zusammenarbeit mit den Amerikanern essenziell."
Nur durch Hinweise aus den USA sei es 2008 gelungen, die radikalislamische "Sauerland-Gruppe" rechtzeitig zu enttarnen. Für den Kampf gegen islamistisch-terroristische Aktivitäten sei ein "enger Datenaustausch unverzichtbar". Dabei teile der Verfassungsschutz der NSA Informationen zur Identifizierung "ehemals in Deutschland ansässiger" Islamisten mit, die sich mittlerweile im Nahen und Mittleren Osten aufhalten. Umgekehrt sei die "Bereitschaft der Amerikaner, Telekommunikationsdaten deutscher Dschihadisten zu übermitteln, von wesentlicher Bedeutung".
Ohne Rückgriff auf Erkenntnisse der NSA wäre der Verfassungsschutz nicht in der Lage, seine Aufklärungsmission zu erfüllen, meinte Rogner: "Mit welchem Partner sollte ich denn sonst arbeiten, wenn ich nicht mehr mit der NSA arbeiten dürfte?" Dabei sei klar, dass die Kooperation sich im Rahmen der deutschen Gesetze zu halten habe: "Jeder Partner, der mit uns arbeitet, lernt, dass hier eine Rechtsordnung existiert, die zu beachten wir verpflichtet sind, und die wir auch gerne beachten."
Nachdrücklich widersprach der Zeuge der Vermutung, für die Überlassung der Spionagesoftware XKeyscore habe sich die NSA die Teilhabe an den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ausbedungen. "Eine Gegenleistung an die Amerikaner ist zu keinem Zeitpunkt formuliert worden", betonte Rogner, der im April 2013 die Grundlagenvereinbarung für die Nutzung von XKeyscore durch den Verfassungsschutz persönlich unterzeichnet hatte. Mit der neuen Software sei der Verfassungsschutz in die Lage versetzt worden, Kommunikation in sozialen Netzwerken effizienter zu überwachen. Dies sei auch im Interesse der NSA gewesen.
Zuvor hatte ein weiterer Zeuge der Vermutung widersprochen, deutsche Sicherheitsbehörden könnten durch Datenübermittlung Beihilfe zu tödlichen Drohneneinsätzen der US-Luftwaffe geleistet haben. "Ich habe keinen Hinweis darauf, dass Daten, die wir weitergegeben haben, dazu genutzt wurden", sagte Folker Berfuß, leitender Beamter im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Der heute 42-jährige Historiker war von August 2011 bis April 2014 als Referatsgruppenleiter in der für die Bekämpfung radikalislamischer Terroristen zuständigen Abteilung 6 mit "Auswertung und Beschaffung im Bereich Internet" befasst. Seither führt er die Referatsgruppe 3a "Technische Aufklärung".
Wie bereits andere Zeugen vor ihm betonte Berfuß, dass die Weitergabe von Informationen an ausländische Nachrichtendienste nur in streng definierten Einzelfällen, nach genauer fachlicher Prüfung und unter strikter Wahrung der gesetzlichen Auflagen erfolge. Jede einzelne Information sei mit dem Hinweis versehen, sie dürfe "nur zu nachrichtendienstlichen Zwecken genutzt" werden.
Mit diesem Vorbehalt sichere sich die deutsche Seite gegen das Risiko ab, dass die gelieferten Daten in einer rechtlich oder humanitär bedenklichen Weise Verwendung finden könnten. Berfuß bestätigte, dass die Details beim Verfassungsschutz in einer Dienstvorschrift für den Umgang mit ausländischen Sicherheitsbehörden geregelt seien. Er könne darüber in öffentlicher Sitzung aber keine Auskunft geben.
Jedenfalls sei die Möglichkeit, dass von seiner Behörde gelieferte Daten zur "Geolokalisation" und anschließenden Eliminierung mutmaßlicher Terroristen dienen könnten, "in keiner dienstlichen Besprechung" erörtert worden, betonte der Zeuge. Der Fall des deutschen Staatsbürgers Bünyamin Erdoğan, der im Oktober 2010 als radikalislamischer Kämpfer einer US-Drohne zum Opfer fiel, sei ihm vom Hörensagen bekannt, indes: "Ich war auf jeden Fall nicht für diesen Vorgang zuständig."
Berfuß bestätigte auch, dass die Abteilung 6, in der er bis 2014 tätig war, in engem Kontakt zum US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) steht. Er selbst habe etwa fünfmal an Besprechungen mit NSA-Vertretern teilgenommen. Die NSA habe für die Pflege der Beziehungen zum Verfassungsschutz sogar eigenen festen Verbindungsbeamten ernannt, der regelmäßig nach vorheriger Vereinbarung die Dienststelle in Berlin-Treptow aufgesucht habe.
Dass der Mann von der NSA kam, sei kein Geheimnis, sondern im ganzen Haus bekannt gewesen. Bis 2012 seien für die NSA bestimmte Mitteilungen noch an eine gemeinsame Adresse der US-Nachrichtendienste in Deutschland gegangen. Seither erfolge der Datenaustausch über den Bundesnachrichtendienst (BND).
Dass die NSA dem Verfassungsschutz 2011 die hoch leistungsfähige Spionagesoftware XKeyscore überlassen hat, war nach Einschätzung des Zeugen nicht in erster Linie durch den Wunsch motiviert, an Erkenntnissen der deutschen Seite zu partizipieren. Es habe zu keinem Zeitpunkt geheißen: "Nur wenn ihr das macht, gibt's auch die Software."
Die Haltung der NSA sei vielmehr gewesen: "Wir hoffen, dass wir euch damit helfen können." Der "springende Punkt" sei gewesen, meinte der Zeuge, "dass die Amerikaner ein vitales eigenes Interesse daran haben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Job gut macht". Ihre Sicherheit sei schließlich auch hierzulande durch Terroristen bedroht. (wid/29.04.2016)