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Kontroverse um Sinn des Deutschlandstipendiums


Einen hitzigen Schlagabtausch zum Deutschlandstipendium gab es am Freitag, 13. Mai 2016, im Deutschen Bundestag. Die Linien verliefen allerdings nicht wie sonst üblich zwischen Großer Koalition auf der einen Seite und der Opposition auf der anderen Seite. In dieser Debatte kritisierten die Sozialdemokraten zusammen mit der Linken und den Grünen das Deutschlandstipendium massiv. Anlass der Debatte war ein Regierungsbericht zum Deutschlandstipendium über die Ergebnisse der Evaluation nach Paragraf 15 des Stipendienprogramm-Gesetzes und der Begleitforschung (18/7890), der zur Beratung an den Bildungs- und Forschungsausschuss überwiesen wurde.

Förderung begabter und leistungsstarker Studenten

Marianne Schieder (SPD) betonte, man müsse das Stipendium überdenken. Auch nach der Evaluation des Stipendiums seien „alle Vorbehalte gegen diese Form der Studienförderung bestätigt“. Nicole Gohlke von der Linken sprach von einem „Rohrkrepierer“. Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) nannte das Deutschlandstipendium einem „Ladenhüter“. Gohlke und Gehring forderten die Einstellung des Stipendiums. Die Bundesregierung und die CDU/CSU sehen in dem Stipendium hingegen eine „wichtige Säule der Begabtenförderung“, wie es der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Thomas Rachel (CDU), formulierte.

Das Deutschlandstipendium fördert begabte und leistungsstarke Studenten aller Fächer an den staatlichen und staatlich anerkannten Universitäten in Deutschland. Neben guten Noten sollen bei der Vergabe des Stipendiums auch gesellschaftliches Engagement und besondere persönliche Leistungen berücksichtigt werden. Dazu gehört vor allem die erfolgreiche Überwindung von Hürden in der eigenen Bildungsbiografie.

Regierung: 22.500 Studenten 2014 gefördert

Im Jahr 2014 sind bundesweit 22.500 Studenten mit einem Deutschlandstipendium gefördert worden. Die Stipendiaten werden mit je 300 Euro im Monat unterstützt. 150 Euro zahlen private Förderer, 150 Euro steuert der Bund bei. Der private Anteil der Stipendienmittel wird von den Hochschulen eingeworben.

Positiv und lobend äußerte sich zu Beginn der Debatte Thomas Rachel. Das Land brauche mehr denn je junge Menschen, die sich mit ihrem Fachwissen und ihren innovativen Ideen in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft einsetzen. Um diese Persönlichkeiten sehr frühzeitig zu unterstützen und die Leistungen anzuerkennen, fördere der Bund seit fünf Jahren junge Menschen mit dem Deutschlandstipendium.

"Sozial ausgewogene Förderung"

Er betonte, dass bei vielen Stipendiaten das Deutschlandstipendium einen ganz entscheidenden Unterschied in ihrer Studienfinanzierung ausmache. Er unterstrich, dass die Förderung sozial ausgewogen sei. Die Stipendiaten würden sich auch in Bezug auf ihre soziale Herkunft nicht von der Allgemeinstudierendenschaft unterscheiden.

Der Anteil der Nichtakademiker-Kinder unter den Deutschlandstipendiaten liege bei 50 Prozent, wie insgesamt bei der Studentenschaft. Sogar mehr als jeder vierte Stipendiat habe eine Einwanderungsgeschichte. Im Durchschnitt der Studenten sei das nur jeder Fünfte. Zudem sei in der jüngst durchgeführten Evaluation zum Stipendium festgestellt worden, dass alle Hochschulstandorte in der Lage seien, die nötige Akquise für die privaten Mittel durchzuführen.

SPD: Erfolgsgeschichten sehen anders aus

Marianne Schieder betonte, es gebe nach dem Evaluierungsbericht Handlungsbedarf. Sie fragte beispielsweise, was eigentlich mit den zehn Prozent der Hochschulen sei, die sich 2014 gar nicht an dem Programm beteiligt haben. „Steigen die noch ein oder gibt es das auf Dauer kein Interesse?“

Sie habe nicht den Eindruck, dass eine flächendeckende Beteiligung der Hochschulen kurz bevorstehe. Zudem würden nicht einmal ein Drittel der bereit gestellten Mittel abgerufen. Von ursprünglich 55 Millionen eingestellten Euro des Bundes seien lediglich 31 Millionen Euro abgerufen worden. Sie sagte: „Ich denke, Erfolgsgeschichten sehen anders aus.“  

Linke: Deutschlandstipendium abschaffen

Die Abschaffung des Deutschlandstipendiums forderte Nicole Gohlke. Es würden nicht einmal ein Prozent der Studenten gefördert. „Es ist das Programm, das am stärksten an den Bedürfnissen der Studierenden vorbeigeht.“ Wie ein trotziges Kind gestehe die Bundesregierung das Scheitern ihres Eliteprojekts nicht ein und versuche verzweifelt, die Sache schönzureden.

Die Bundesregierung wolle mit dem Deutschlandstipendium „eine neue Form der Studienförderung durchdrücken. Und zwar eine Eliteförderung auf Kosten der Breite“. Das Deutschlandstipendium sei unsozial und schaffe keine Planbarkeit für die Studenten, da nach einem Jahr geprüft werde, ob die Stipendiaten weiterhin gefördert werden. Gohlke sagte, es wäre viel sinnvoller, das BAföG um zehn Prozent zu erhöhen.

Grüne: Niemand steht Schlange

Auch Kai Gehring kritisierte das Deutschlandstipendium massiv: „Das Programm ist meilenweit vom ursprünglichen Ziel entfernt, acht Prozent eines Studierendenjahrganges zu erreichen.“ Und auch die zwei Prozent, die Union und SPD bis 2017 erreichen wollen, seien nicht in Sicht. Gehring sagte: „Förderer sind Mangelware. Niemand steht Schlange.“ Alle Vorbehalte würden durch die Evaluation bestätigt. Das Deutschlandstipendium habe die soziale Ungleichheit beim Zugang zum Campus nicht abgemildert.

Er forderte, dass die Wirtschaft Stipendiaten ohne Hilfe des Bundes fördern soll und sagte: „Das wollten die doch schon lange machen. Nehmen wir sie doch endlich beim Wort. Es bedarf keines Extrasteuergeldes für das Deutschlandstipendium, sondern der Eigeninitiative der Wirtschaft.“

CDU/CSU: Aus Stipendienstruktur nicht mehr wegzudenken

Sybille Benning (CDU/CSU) lobte, dass Studenten eine Anerkennung für ihre Leistung erhielten und sich ihnen nicht zuletzt ein größerer finanzieller Spielraum eröffne. Das Deutschlandstipendium sei, obwohl erst fünf Jahre alt, nicht mehr aus der deutschen Stipendienstruktur wegzudenken. Es sei ein Novum, dass die Hochschulen selbst entscheiden könnten, wer wie fördert. Das habe es zuvor nicht gegeben.

„Das Deutschlandstipendium wirkt auf die Studierenden, die sich zusätzlich angesprochen fühlen und Kontakte zu ihren Förderern bekommen.“ Es wirke aber auch auf die Hochschulen und auf die Förderer, indem sie neue Kooperationspartner entdecken würden. „So entstehen Netzwerke, die allen Beteiligten zugutekommen.“ (rol/(13.05.2016)