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Die Sachverständigen haben sich sehr differenziert zu den von der Bundesregierung geplanten Änderungen an der Investmentfondsbesteuerung geäußert. Zugleich wurden in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Ingrid Arndt-Brauer (SPD) am Montag, 9. Mai 2016, Befürchtungen laut, dass die Bundesregierung mit dem von ihr eingebrachten Gesetzentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung (18/8045) an einer Stelle steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten beenden, an deren Stelle jedoch neue Türen zu anderen Gestaltungen öffnen könnte, obwohl mit dem Entwurf das Ziel verfolgt wird, "die generelle Anfälligkeit des Investmentsteuerrechts für Steuerumgehungsgestaltungen durch grundlegende Änderungen nachhaltig zu reduzieren". Auch der Behauptung der Regierung, die Wirtschaft durch einfachere Regelungen zu entlasten, wurde heftig widersprochen, zum Beispiel durch die deutschen Bankenverbände, die in einer gemeinsamen Stellungnahme feststellten: Der errechneten massiven Entlastung "müssen wir energisch widersprechen".
Grund für die Änderungen ist auch die Rechtsprechung auf europäischer Ebene. Danach ist es möglicherweise nicht mehr zulässig, dass inländische Investmentfonds von der Steuer freigestellt werden, ausländische aber mit einer abgeltend wirkenden Kapitalertragsteuer belastet werden. Die inländischen Fonds behalten die Steuern derzeit bei der Ausschüttung der Erträge von den Anlegern ein. Ab 2018 soll die Besteuerung geändert werden.
Danach müssen inländische Publikumsfonds Steuern auf aus deutschen Einkunftsquellen stammende Dividenden, Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf von Immobilien in Höhe von jeweils 15 Prozent (Körperschaftsteuer) abführen. Steuerfrei vereinnahmt werden können von den Fonds weiterhin Zinsen, Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren, Gewinne aus Termingeschäften, ausländische Dividenden und ausländische Immobilienerträge. Im Gegenzug werden die Anleger entlastet, indem ihre Erträge teilweise steuerfrei ausgezahlt werden.
Besonders die Besteuerung von Immobilienerträgen, die bisher nach einer Frist von zehn Jahren steuerfrei waren, stieß auf Kritik. Der Fondsverband BVI warnte, damit würden offene Immobilienfonds im Vergleich zu geschlossenen Fonds oder einer direkten Anlage in Immobilien schlechtergestellt. Es drohe eine "massive Steuererhöhung". Steuerfreiheit für diese Erträge nach zehn Jahren forderte auch die Deutsche Kreditwirtschaft.
Der Bundesrechnungshof forderte in seiner Stellungnahme, in- und ausländische Fonds bereits ab 2017 gleichzustellen. Er wies außerdem darauf hin, ausländische Fonds hätten aufgrund der europäischen Rechtsprechung bis ins Jahr 2006 zurückreichende Anträge auf Erstattung der Kapitalertragsteuer gestellt. Bis heute sei keiner dieser Anträge bearbeitet worden, da nicht klar sei, welche deutsche Behörde zuständig sei.
Laut Prof. Dr. Heribert Anzinger (Universität Ulm) beseitigt der Gesetzentwurf wirksam die unionsrechtlichen Zweifel an der Geltung der für die Fondseingangsseite geltenden Besteuerungsregeln. Er machte in der Anhörung aber auch deutlich, dass bestehende Gestaltungen zwar eingefangen, neue vielleicht aber erst ermöglicht würden.
Zu den steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten, die unterbunden werden sollen, gehören die als Cum/Cum-Geschäfte bezeichneten Wertpapierverschiebungen. Damit können Steuerausländer oder inländische Körperschaften durch Verkauf von Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag die Besteuerung vermeiden. Zwar muss der Käufer Kapitalertragsteuer für die Dividenden bezahlen. Nachdem sich der Kurs durch Ausschüttung der Dividende entsprechend reduziert hat, verkauft der Käufer die Aktien wieder an den ursprünglichen Eigentümer.
Der Verlust aus dem Verkauf kann mit der erzielten Dividende verrechnet werden, sodass nach Angaben der Bundesregierung "die einbehaltene Kapitalertragsteuer an den Käufer erstattet werden muss. Die Steuerersparnis teilen sich Verkäufer und Käufer."
Ein Mindesthaltezeitraum soll diese Gestaltungsmöglichkeiten beenden. So wird keine Anrechnung mehr gewährt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb eines 91-tägigen Zeitraums rund um den Dividendentermin nicht an 45 Tagen Eigentümer der Wertpapiere ist. Die Regierung räumt aber selbst in der Begründung ihres Entwurfs ein, "dass derzeit weitere Gestaltungsmodelle betrieben werden, die der Finanzverwaltung noch unbekannt sind".
Prof. Dr. Lorenz Jarass (Hochschule RheinMain Wiesbaden) bezeichnete den Vorschlag als "riesiges Beschäftigungsprogramm für die Beratungsindustrie". Mit dem Gesetzentwurf würden weitere Steuergestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Er empfahl eine einheitliche Besteuerung aller Erträge zu einem niedrigen Satz, von dem es keine Ausnahmen geben dürfe.
Auch nach Ansicht von Prof. Dr. Falko Tappen (TSC Treuhand) eröffnen Spezialregelungen mehr Spielräume als eine "Rasenmäher-Methode". Für Prof. Dr. Sabine Kirchmayr-Schliesselberger (Universität Wien) besteht eines der großen Probleme in der unterschiedlichen Besteuerung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen.
Dr. Bela Jansen (WTS Group) sah eine "überschießende Regelung", die auch Absicherungsgeschäfte erfassen werde. Diese Ansicht vertrat auch der Fondsverband BVI, der es als fraglich bezeichnete, "weshalb wirtschaftlich sinnvolle Absicherungen in Zeiten hoher Volatilität an den Aktienmärkten zu steuerlichen Nachteilen führen sollen, die auch Kleinsparer und die Altersvorsorge belasten".
Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft bezeichneten die 45-Tage-Regelung im Ergebnis als "Strafsteuer für Aktionäre". Der Steuerberater und Rechtsanwalt Joachim Moritz wies darauf hin, dass es belastbare wirtschaftliche Gründe geben könne, die einen nur kurzfristigen Besitz von Aktien rechtfertigen könnten.
Werner Thumbs (Die Familienunternehmen - ASU) sagte, zum Erhalt der in den Fonds angelegten Mittel werde in großem Umfang Kurssicherung betrieben. Diese Kurssicherungssysteme würden sich nach den Kursentwicklungen und nicht nach Dividendenstichtagen richten. Gegen die Vorschrift zur Verhinderung von Cum/Cum-Geschäften meldete auch der Verein der Auslandsbanken Bedenken an. Auch mit der Neuregelung könne "nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass steuerliche Gestaltungen vorgenommen werden". Es gebe auch "nachhaltige Bedenken hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes".
Das Institut der Wirtschaftsprüfer warnte davor, die Steuerfreiheit bei Veräußerung von vor 2009 angeschafften Wertpapieren aufzuheben. Die Abschaffung des Bestandsschutzes sei kritisch zu sehen. (hle/09.05.2016)