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Der 2. Untersuchungsausschuss konnte sich im „Fall Edathy“ auf keine gemeinsame Bewertung einigen. Seinem Abschlussbericht (18/6700), den die Ausschussvorsitzende Dr. Eva Högl (SPD) am Donnerstag, 26. November 2015, an Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert übergeben hat, ist daher ein Sondervotum der Opposition beigefügt. Während der Ausschuss mehrheitlich feststellt, dass in entscheidenden Fragen Aussage gegen Aussage stand und keine Klärung möglich war, hebt das Sondervotum hervor, dass sich deutliche Hinweise auf Fehlverhalten einzelner Stellen und Personen ergeben hätten. Unterschiede gibt es auch in der Bewertung des Gesamtverfahrens im Bereich der Kinderpornografie, in dessen Verlauf der Verdacht gegen Edathy, aber auch gegen einen leitenden Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) zutage getreten war. Der Bundestag will demnächst abschließend darüber debattieren.
Bei der Übergabe des Berichts an den Bundestagspräsidenten sagte Eva Högl, Edathy sei gewarnt worden. Allerdings habe der Ausschuss nicht abschließend klären können, wer ihn gewarnt habe. Lammert sagte, er sei sich sicher, dass in diesem Fall jeder gewünscht hätte, dass es zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses nicht gekommen wäre. Nicht nur von außen habe es Zweifel an der Unbefangenheit aller Beteiligten, auch subjektive Zweifel, sowie „Reste von Unbehagen“ auf der einen oder anderen Seite gegeben.
Für den 2. Untersuchungsausschuss steht seinem Abschlussbericht zufolge „zweifelsfrei fest, dass Herr Edathy bereits vor den Durchsuchungen am 10. Februar 2014 wusste oder zumindest sicher vermutete“, dass im Zusammenhang mit internationalen Ermittlungen gegen einen kanadischen Kinderporno-Vertrieb „Maßnahmen gegen ihn drohten“.
Der Ausschuss habe aber „nicht endgültig klären“ können, ob Edathy selbst oder durch seinen Anwalt zu dieser Kenntnis oder Vermutung gelangt ist oder von dritter Seite informiert wurde, „wofür Vieles spricht“. Die Vermutung, dass Edathys damaliger SPD-Fraktionskollege Michael Hartmann dieser Informant war, „wurde durch die Beweisaufnahme des Ausschusses an vielen Stellen genährt, ohne dass jedoch hierfür ein zureichender Beleg vorliegt“.
Das von den Obleuten Frank Tempel (Die Linke) und Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) abgegebene Sondervotum kommt zu einem anderen Schluss: „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gibt es keinen plausiblen Zweifel an der Informierung des Abgeordneten Edathy durch den Abgeordneten Hartmann.“
Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen sei klar, er ihm am 15. November 2013 auf dem SPD-Parteitag Informationen gegeben habe, die „aus keiner allgemein zugänglichen Quelle recherchierbar oder erschließbar waren“, nämlich dass Edathy „auf einer beim BKA befindlichen Kundenliste steht und dieser Umstand bei Personen im politischen Raum bekannt ist, darunter Steinmeier und Oppermann“. Diese waren zu damals Vorsitzender beziehungsweise Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion.
In der Folgezeit spreche Vieles für einen weiteren „Informationsfluss zwischen den Abgeordneten Hartmann und Edathy und für eine Quelle Hartmanns im BKA“. Das Sondervotum nennt dafür einige Indizien, ebenso wie dafür, dass der damalige BKA-Präsident Jörg Ziercke persönlich die Quelle gewesen sei. Allerdings habe der Ausschuss „eine Informationsweitergabe in Sachen Edathy von Ziercke an Hartmann nicht beweisen können“.
Der Ausschuss in seiner Mehrheit gewichtet die Ergebnisse deutlich anders: Er habe „nicht endgültig aufklären“ können, „ob, zu welchem Zeitpunkt und durch wen“ Edathy jenseits eigener Erkenntnisse „zusätzlich erfuhr, dass bereits konkrete Vorermittlungen gegen ihn als Person geführt wurden“. Der Abschlussbericht äußert Zweifel sowohl an den Aussagen Edathys als auch denen Hartmanns.
„Höchst bedauerlich“ sei, dass Hartmann, nachdem Zeugenaussagen ihn deutlich belastet hatten, von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht habe. „Dadurch fehlen dem Ausschuss Antworten, ohne die eine politisch-parlamentarisch befriedigende Klärung dieses vom Ausschuss zu untersuchenden Sachverhaltsaspekts nicht erreicht werden konnte.“
Ausführlich geht der Abschlussbericht auf den Informationsfluss in der Politik ein. BKA-Chef Ziercke hatte seinen Dienstvorgesetzten, den damaligen Innen-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, von dem Verdacht gegen Edathy unterrichtet. Die Information lief weiter über den damaligen Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU), SPD-Chef Sigmar Gabriel, Steinmeier und Oppermann bis zur neuen Parlamentarischen Geschäftsführerin Christine Lambrecht. Ihre jeweils dem Ausschuss genannten Gründe für die Informationsweitergabe werden in dem Bericht nicht beanstandet.
Das Sondervotum tut dies umso deutlicher und wirft Friedrich „Geheimnisverrat“ vor. Aber auch schon die Informationsweitergabe vom BKA ans Innenministerium unter Nennung des Namens Edathy sei „rechtswidrig“ gewesen. Daneben kritisiert die Opposition Oppermanns Darstellung eines Telefonats mit Ziercke als „in hohem Maße unglaubhaft“. Gleiches gelte in dieser Sache „für den Zeugen Ziercke“, der auch in anderem Zusammenhang mehrfach kritisiert wird. Die Aussage des jetzt im Kanzleramt tätigen Staatssekretärs Fritsche wird ebenfalls als „wenig glaubhaft“ eingestuft.
An der Rolle des BKA finden die Oppositionsvertreter einiges zu beanstanden, sowohl im Verfahren gegen Edathy selbst als auch im zugrunde liegenden Gesamtverfahren sowie im dienstrechtlichen Vorgehen gegen den ebenfalls verdächtigen – und später verurteilten – Beamten des BKA.
Auch am Handeln der mit Edathy befassten niedersächsischen Ermittlungsbehörden übt das Sondervotum vielfache Kritik. Letzteres ist auch im offiziellen Ausschussbericht der Fall, wenngleich sich die Kritikpunkte teilweise unterscheiden. Das gilt nicht zuletzt für Vorwürfe gegen die von Bündnis 90/Die Grünen gestellte Justizministerin Niedersachsens, Antje Niewisch-Lennartz, welche im Sondervotum nicht geteilt werden.
Beide Bewertungen beanstanden den langen Zeitraum von der Übernahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Hannover bis zur Durchsuchung der Wohn- und Büroräume Edathys. Auch Mängel in der Kommunikation zwischen den niedersächsischen Behörden stoßen einhellig auf Missfallen.
Die grundsätzlichste Kritik der beiden Oppositions-Obleute steht gleich am Anfang ihres Sondervotums: Auf Seiten der SPD-Fraktion fehle es „sowohl am Willen zu umfassender Aufklärung als auch an politischen Konsequenzen“. Sie habe es versäumt, Hartmann vor die Wahl zu stellen, vor dem Untersuchungsausschuss auszusagen oder die Fraktion zu verlassen.
Die CDU/CSU-Fraktion wiederum bleibe aus Koalitionsräson „im gemeinsamen Votum mit der SPD sehr deutlich hinter den eigenen öffentlichen Bewertungen der letzten Monate zurück“. In der jetzt folgenden Plenardebatte bekommen die Koalitionsfraktionen Gelegenheit, darauf zu antworten. (pst/26.11.2015)