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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 14. April 2014)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, Gesine Lötzsch (Die Linke), hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) „Trickserei“ beim Bundeshaushalt 2014 vorgeworfen. Im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 14. April) kritisierte sie dabei die Finanzierung der neuen Rentenleistungen und die Absenkung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds. „Der Griff in die Sozialkassen ist riskant und unsozial“, betont sie. Zudem wirft sie der Koalition unter anderem vor, dass die „Herstellung von Steuergerechtigkeit nicht auf der Agenda“ steht. Dies hält sie für einen Konstruktionsfehler des Koalitionsvertrages.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Lötzsch, der Bundestag hat in der vergangenen Woche erstmals den Haushaltsentwurf 2014 von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beraten. Der Entwurf sieht Ausgaben von 298,5 Milliarden Euro und eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro vor. Im kommenden Jahr will Schäuble keine neuen Schulden machen. Freut Sie das?
Freuen können sich all die Menschen, die mit ihren Unternehmen hohe Gewinne erzielen, sehr hohe Einkommen haben oder steuerfrei an der Börse spekulieren. Sie werden nur unzureichend zur Finanzierung der Gesellschaft herangezogen. Das liegt am Konstruktionsfehler des Koalitionsvertrages. Die Herstellung von Steuergerechtigkeit steht nicht auf der Agenda der Koalition. Steuererhöhungen wurden ausgeschlossen.
Was kritisieren Sie konkret?
Der Finanzminister greift in die Sozialkassen. Das ist ein Trick, der sich bitter rächen wird. Bei der Rente ab 63 Jahren will sich die Bundesregierung aus dem Topf der Rentenversicherung bedienen. Die Rentenversicherung wird wie eine Zitrone ausgepresst, damit der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt nicht explodiert. Auch der Zuschuss zum Gesundheitsfonds soll um 3,5 Milliarden Euro gesenkt werden, um den Haushalt nicht zu belasten. Damit sind Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge nicht mehr ausgeschlossen. Der Griff in die Sozialkassen ist riskant und unsozial. Ein ausgeglichener Haushalt auf Kosten der Sozialkassen wäre ein Pyrrhussieg. Jede Konjunkturabschwächung, jede neue Bankenkrise zwingt den Bundestag, die Zuschüsse an die Sozialkassen wieder zu erhöhen. Dann hat die ganze Trickserei nichts gebracht.
Wer muss demnach für die „Schwarze Null“ zahlen?
Deutschland ist nach Analysen des Internationalen Währungsfonds eines der wenigen Länder in Europa, das seine Spielräume bei den Staatseinnahmen nicht ausnutzt. Nach Aussagen des IWF sind immerhin rund 80 Milliarden Euro zusätzlicher Einnahmen im Jahr möglich. Diese Regierung will diese großen Spielräume nicht nutzen. Auf keinen Fall. Deshalb müssen die Menschen für die „Schwarze Null“ zahlen, die Mitglieder in den solidarischen Sozialkassen sind. Das führt zu der ungerechten Situation, dass die Krankenschwester, die in die Rentenkasse einzahlt, die Mütterrente ihrer Chefärztin zahlen muss, die in ein eigene Versorgungsanstalt einzahlt.
Und wem nutzt sie?
Für eine „Schwarze Null“ würde Wolfgang Schäuble fast alles tun. Keine neuen Bundesschulden aufnehmen zu müssen, ist der Wunschtraum jedes neoliberalen Politikers. Er möchte gern als der Finanzminister in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen, der es geschafft hat, die strukturelle Neuverschuldung auf Null zu bringen. Ich habe nur die Sorge, dass die „Schwarze Null“ beim Finanzminister schon zur Obsession geworden ist. Er hat die drängenden Probleme der Menschen aus den Augen verloren. Er opfert zum Beispiel die Kindergelderhöhung der „Schwarzen Null“. Das ist für ein reiches Land, das mit Kinderarmut zu kämpfen hat, ein Armutszeugnis. Zur Erinnerung: Herr Seehofer hatte im Wahlkampf 35 Euro mehr Kindergeld pro Kind versprochen. Dieses Versprechen wurde gebrochen.
Der Bund will in diesem Jahr rund zehn Milliarden Euro weniger ausgeben als im vergangenen Jahr. Spart Schäuble an den richtigen Stellen?
Herr Schäuble spart ja nicht wirklich. Dem Finanzminister kommt die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank natürlich sehr entgegen. Die Verteidigungsministerin gibt sogar Geld zurück, weil sie mit ihren desaströsen Rüstungsprojekten nicht zurecht kommt. Gerade bei den Rüstungsprojekten und bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sehen wir ein großes Einsparpotential.
Trotzdem will die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode 2017 insgesamt 23 Milliarden Euro unter anderem für Straßen und zur Entlastung der Kommunen bereitstellen. Ist das Geld da und wird es richtig eingesetzt?
Die Kommunen brauchen eine schnelle Hilfe. Doch die Regierung will die Kommunen erst in der nächsten Legislaturperiode stärker entlasten. Heute die Ausgaben beschließen und dann die zukünftige Regierung damit belasten, das ist keine seriöse Haushaltspolitik. Die Regierung investiert eindeutig zu wenig in die Infrastruktur. Jeder kennt mindestens eine Brücke in diesem Land, die marode ist. Da muss schnell etwas passieren. Wer Sanierungen auf die lange Bank schiebt, muss später mehr ausgeben.
Die Steuereinnahmen sollen in diesem Jahr mit knapp 268,9 Milliarden Euro betragen. Sind die Lasten gerecht verteilt?
Für mich ist ein ausgeglichener Haushalt nicht automatisch ein gerechter Haushalt. Schauen wir uns doch mal die Zahlen genauer an. Die Körperschaftsteuer, die auf den Gewinn zu zahlen ist, fiel unter der SPD/Grünen-Regierung von 45 beziehungsweise 30 Prozent zunächst auf 25 und dann auf 15 Prozent. In der Summe von Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätsabgabe entrichten Kapitalgesellschaften heute nur noch etwa 30 Prozent Steuern auf ihre Gewinne. Betrug der Anteil der Gewinnsteuern am Gesamtsteueraufkommen 1960 noch 35 Prozent, ist der Anteil 2006 auf 20 Prozent gesunken. Das können wir nicht akzeptieren.
Wo könnten Steuern erhöht, wo gesenkt werden?
Wenn wir den Forderungen des IWF folgen, dann können wir die Vermögenden steuerlich stärker fordern, ohne sie zu überfordern. Auf jeden Fall brauchen wir eine Finanztransaktionssteuer. Die verspricht uns der Finanzminister schon seit Jahren, doch passiert ist immer noch nichts. Gleichzeitig ist es notwendig, die kalte Progression abzubauen. Lohnerhöhungen sollen in erster Linie den Beschäftigten zugute kommen und nicht dem Finanzminister.
Zu einem anderem Thema. Sie sind seit drei Monaten Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Zuvor waren Sie viele Jahre haushaltspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion. Sie kennen sich also aus. Was hat Sie dennoch im neuen Amt überrascht?
Im Haushaltsausschuss ist es in der Regel so voll, wie in der S-Bahn im Berufsverkehr. Ich habe mit den Obleuten festgelegt, dass die zahlreichen Ländervertreter in Zukunft im Rang ihre Plätze einnehmen sollen, um ein ordentliches Arbeiten zu ermöglichen. Hätte ich den Länderfinanzausgleich gestrichen, der Protest wäre nicht größer gewesen. Das hat mich schon überrascht.
Ihre Position gilt als einflussreich. Können Sie jetzt schon sagen, wie Sie bei den Etatberatungen in den kommenden Wochen Einfluss nehmen können?
Wir haben es mit einer 80-Prozent-Koalition zu tun. Da besteht natürlich immer die Gefahr, dass Kungelrunden in Hinterzimmer die Haushaltsberatungen dominieren. Ich werde dafür eintreten, dass wir die Entscheidungen tatsächlich im Ausschuss treffen und das auch möglichst transparent.
Wichtig sind neben Ihnen die Sprecher und Obleute der vier Fraktionen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Man muss auch mit Politikern, die sehr unterschiedliche politische Ansichten haben, sachlich und konstruktiv zusammenarbeiten können. Das gelingt uns auch ganz gut.
Was wollen Sie bis zum Ende der Legislaturperiode als Ausschussvorsitzende erreicht haben?
Der Bundeshaushalt ist für die meisten Menschen ein Buch mit sieben Siegeln. Das will ich ändern. Wir brauchen einen Bürgerhaushalt. Die Menschen haben ein Recht, zu erfahren, wie und wofür ihre Steuermittel ausgegeben werden. Noch besser wäre es natürlich, wenn sie auch ein Mitentscheidungsrecht hätten, wie es in meinem Wahlkreis Berlin-Lichtenberg schon der Fall ist.
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