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Am 10. Dezember 1953 wurde im Bundestag die Zwischenfrage eingeführt. Für die Hörfunkjournalistin Martina Meißner war dies Anlass, auf den 60. Jahrestag dieser kleinen Parlamentsreform mit einem Radiobeitrag der Reihe „Zeitzeichen“ hinzuweisen, der am 10. Dezember 2013 erstmals im Hörfunkprogramm WDR 5 gesendet wurde. Für diese akustische Reminiszenz zeichnete Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert die Journalistin am Mittwoch, 25. Februar 2015, im Großen Protokollsaal des Reichstagsgebäudes mit dem Medienpreis Politik 2014 des Deutschen Bundestages aus.
Meißner greift mit ihrem hörenswerten Beitrag nicht nur ein kleines Jubiläum der Parlamentsgeschichte auf, sondern liefert auch eine mehrere Jahrzehnte umspannende Collage von Redeschnipseln zwischen amtierendem Bundestagspräsidenten (oder -präsidentin), Redner am Pult und Zwischenfrager –rhetorische Miniaturen von Konrad Adenauer bis Norbert Lammert, von Liselotte Funcke bis Rita Süssmuth, von Herbert Wehner bis Guido Westerwelle.
Ausgewählt hat den preiswürdigen Beitrag die siebenköpfige Jury des Medienpreises Politik, deren Vorsitzender Thomas Kröter (Kölner Stadtanzeiger und Mitteldeutsche Zeitung) Meißners „akustisches Kalenderblatt" als „ein Stück lebendigen Journalismus" bezeichnete. Zwar seien Debatten nicht immer so lustig und geistreich, doch sei der Bundestag nicht die „Quasselbude", die Roger Willemsen in seinem Bestseller vom „Hohen Haus" beschreibe. Martina Meißner lasse die Hörer miterleben, wie eine Zwischenfrage in „profilierungssüchtige Laberei" ausarten könne, sagte Kröter.
Nachdem der Parlamentskorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Günter Bannas, 2011 den nicht dotierten Sonderpreis „zur Würdigung seines bisherigen Gesamtschaffens“ erhalten hatte, zeichnete Norbert Lammert in diesem Jahr erneut einen Veteranen des Parlamentsjournalismus aus: Ulrich Deppendorf, langjähriger Leiter des Hauptstadtstudios der ARD und Moderator des „Berichts aus Berlin“.
Norbert Lammert charakterisierte Deppendorf als einen über „viele Jahre herausragend prominenten Hauptstadtkorrespondenten, der die Berichterstattung nicht nur begleitet, sondern maßgeblich mitgeprägt“ habe. Lammert erinnerte vor allem an die denkwürdige Live-Übertragung der Bundespräsidentenwahl 2010 in voller Länge und an Deppendorfs Tätigkeit als Koordinator der ARD-Berichterstattung über die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006. Er dankte Deppendorf für dessen „außergewöhnlich lange, außergewöhnlich intensive und außergewöhnlich konstruktive Begleitung unserer parlamentarischen Arbeit“.
Daniel Goffart, Jurymitglied und Leiter der Hauptstadtredaktion des Magazins „Focus“, nannte Deppendorf einen Journalisten mit Leib und Seele, „seit 1987 das Gesicht der ARD-Wahlberichterstattung“. Der „schnörkellose, lakonische Blick“ des gebürtigen Esseners sei immer durchgeschienen, Floskeln und Ablenkungsmanöver seiner Gesprächspartner habe er sofort durchschaut.
Deppendorf, der in diesem Jahr in den Ruhestand geht, räumte ein, vielleicht den „schönsten Job in der ARD“ gehabt zu haben. Den Preis nehme er auch für seine Hörfunk-, Fernseh- und Internetkollegen im Hauptstadtstudio entgegen. Die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Anstalten sieht Deppendorf nach eigenen Worten vor allem in der Vermittlung von Information. Gerade im Internetbereich könne das noch weiter ausgebaut werden.
Nominiert für den Medienpreis Politik 2014 war neben Martina Meißner auch Georg Löwisch, Textchef des Monatsmagazins „Cicero“ mit seiner Reportage „Der Abfracker“ über den CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt.
Warum der 45-jährige ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Langwedel, der seit Oktober 2009 den Wahlkreis Osterholz-Verden im Bundestag vertritt, der Augustausgabe 2014 des Magazins sechs Seiten wert war, erschließt sich aus dem Teasertext: „Ein Mann treibt die Erdgasindustrie in die Defensive. In der CDU drückt er seine Kritik am Fracking durch. Geschichte über die Macht eines einzelnen Abgeordneten.“
Ebenfalls nominiert war Alexa Hennings, freie Hörfunkautorin, mit einem am 4. Mai 2014 im Sender NDR info gesendeten Beitrag über Dr. Hikmat Al Sabty, den ersten Migranten im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. „Unter Deutschen. Hikmat Al Sabty und die Politik“ ist das eine knappe Stunde dauernde Feature betitelt, das den 60-jährigen gebürtigen Iraker vorstellt, der der Fraktion Die Linke im Schweriner Parlament angehört. Al Sabty studierte in den achtziger Jahren Agrarwissenschaften an der Universität Göttingen und wurde 1989 an der Universität Bonn promoviert. Der Rostocker war 2011 über die Landesliste der Linken ins Parlament eingezogen.
Norbert Lammert erinnerte eingangs an den Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“, den er als brutalen, feigen Anschlag nicht nur auf Menschenleben, sondern auch auf die irreversiblen Grundlagen einer freiheitlichen Grundordnung verurteilte. Auch die Karriere des Begriffs „Lügenpresse“ als pauschale Diffamierung von Medien vom Ersten Weltkrieg über den Nationalsozialismus bis zum Unwort des Jahres 2014 streifte der Bundestagspräsident. Lammert dankte den anwesenden Journalisten für die „konstruktive, kritische Begleitung unserer Arbeit“. „Wir können stolz und zufrieden sein über das souveräne wie kritisch-kooperative Verhältnis, das ich im Spannungsfeld von Medien und Politik beobachte."
Der Befund der Bertelsmann-Studie vom vergangenen Jahr, wonach nur ein Viertel der Befragten in den vergangenen Monaten eine Bundestagsdebatte verfolgt hat und wonach sich die Zahl der Medienberichte über die parlamentarische Arbeit halbiert hat, sollte das Parlament nach Ansicht Lammerts ebenso elektrisieren wie die Parlamentskorrespondenten. Die Medienpreis-Jury habe hingegen eine Rekordzahl an Bewerbungen registriert. Für das Sichten und Bewerten dankte Lammert den Jurymitgliedern, neben Kröter und Goffart Dr. Claudia Nothelle, Programmdirektorin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), Stephan Detjen, Chefkorrespondent des Deutschlandradios im Hauptstadtstudio Berlin, ZDF-Hauptstadtstudioleiterin Bettina Schausten, Jan Fleischhauer, Redakteur beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, und Torsten Kleditzsch, Chefredakteur der „Freien Presse“ in Chemnitz.
Der Medienpreis Politik, den der Bundestag seit 1993 vergibt, würdigt hervorragende publizistische Arbeiten, die zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Praxis beitragen und zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen. Ausgezeichnet werden können Beiträge aller Medienformen, regionalen wie überregionalen Zuschnitts. Der Preis, der in diesem Jahr zum 16. Mal vergeben wurde, ist mit 5.000 Euro dotiert. (vom/25.02.2015)