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Seit zehn Jahren ist Alexander Ulrich Bundestagsabgeordneter der Fraktion Die Linke. Der gelernte Werkzeugmacher und leidenschaftliche Gewerkschafter trat 1998 in die SPD ein – da war er 27 Jahre alt und Geschäftsführer und Bevollmächtigter der IG Metall in Kaiserslautern. Sechs Jahre später gab er den Sozialdemokraten sein Parteibuch zurück, weil er von der Politik und den Entscheidungen der rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder bitter enttäuscht war.
Alexander Ulrich blieb aber parteipolitisch aktiv. Im Jahr 2004 war er Gründungsmitglied der WASG und kandidierte bei der ersten Wahl der Linkspartei.PDS im Jahr 2005 auf der offenen Liste in Rheinland-Pfalz erfolgreich für den Deutschen Bundestag.
Seit der vergangenen 17. Wahlperiode ist der Gewerkschafter parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Die Linke und gehört seitdem auch dem Ältestenrat des Deutschen Bundestages an. Seit zehn Jahren ist er Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Alexander Ulrich wurde im Elternhaus politisch geprägt und erfuhr schon als Jugendlicher, wie sich sein Vater mit viel Herzblut in der Kommunalpolitik und als Bürgermeister engagierte. „Mein Vater war immer parteilos. Er hat sich aber für die Menschen in unserem Ort eingesetzt, sich ihre Probleme angehört und versucht, für alles eine Lösung zu finden“, erinnert sich Alexander Ulrich. Er engagierte sich schon als Lehrling in der Gewerkschaft, weil ihm das Engagement des Vaters für andere Menschen so vertraut war.
Als Alexander Ulrich 1987 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher in der Opel AG in Kaiserslautern begann, war es für ihn selbstverständlich, dass er in die IG-Metall eintrat und sich in der Jugend- und Auszubildendenvertretung engagierte. Vier Jahre nach Ausbildungsende wurde der Werkzeugmacher in den Betriebsrat gewählt. „Ich fand Gewerkschaftsarbeit immer enorm wichtig, weil nur Gewerkschaften die Interessen der Belegschaft gegenüber den Arbeitgebern wirklich effektiv vertreten können. Die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter im Unternehmen lagen mir immer sehr am Herzen “, sagt der Abgeordnete.
Im Jahr der Bundestagswahl 1998 eröffnete sich für den jungen Gewerkschaftsfunktionär eine neue berufliche Perspektive. Alexander Ulrich wurde Geschäftsführer und Bevollmächtigter der IG-Metall in Kaiserslautern und machte die Gewerkschaftsarbeit zu seinem Beruf. „In Vorbereitung der Bundestagswahl 1998 wurde ich SPD-Mitglied, weil ich mich parteipolitisch für einen Politikwechsel in Deutschland engagieren wollte. Nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Helmut Kohl brauchte Deutschland frischen Wind in der Politik. Mich überzeugten die Positionen der sozialen Gerechtigkeit und der Verminderung der Staatsverschuldung, die Oskar Lafontaine damals im Wahlkampf vertrat“, erklärt der Politiker.
Im September 1998 wurde Gerhard Schröder Bundeskanzler und Oskar Lafontaine übernahm das Bundesministerium der Finanzen. Bereits sechs Monate später, im März 1999, legte er überraschend alle politischen Ämter nieder – sein Bundestagsmandat, den Parteivorsitz und das Ministeramt.
Lafontaine begründete diese Entscheidung mit dem "schlechten Mannschaftsspiel" innerhalb der Regierung und sagte auf einer Pressekonferenz: "Wenn die Mannschaft nicht mehr gut zusammenspielt, muss man eine neue Mannschaftsaufstellung suchen. Dazu ist mein Schritt die Voraussetzung gewesen.“ Lafontaine blieb bis 2005 parteilos und wurde fortan ein massiver Kritiker des rot-grünen Regierungskurses von Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Alexander Ulrich blieb knapp sechs Jahre Sozialdemokrat, dann gab er sein Parteibuch zurück und trat aus der SPD aus. Warum, begründet er so: „Ich war schon 1999 von der Umsetzung der Regierungspolitik unter Gerhard Schröder enttäuscht. Von vielen Inhalten, die die SPD noch ein Jahr zuvor im Wahlkampf angekündigt hatte, war nicht mehr die Rede. Meine Begeisterung hielt sich, was die Arbeitnehmerinteressen betraf, in Grenzen. Im März 2003 verkündete Kanzler Schröder in einer Regierungserklärung die Agenda 2010 und kündigte eine Umstrukturierung der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes an. Wie das umgesetzt werden sollte, darüber waren viele Sozialdemokraten so frustriert, dass es eine Austrittswelle gab“, sagt Alexander Ulrich.
Allein im April 2003 gaben mehr als 7.300 Genossen ihr Parteibuch zurück, was der damalige Generalsekretär der SPD, Olaf Scholz, bestätigte und gleichzeitig versprach, die enttäuschten Genossen zur Rückkehr zu bewegen. Auch Alexander Ulrich konnte die Reformpläne der SPD nicht mittragen. „Ich trat 2004 aus der SPD aus, weil sie sich von einer Partei für Arbeitnehmer verabschiedete und mehr und mehr Wirtschaftsinteressen bediente. Was vor allem ausschlaggebend war: Ich wollte die Politik der Agenda 2010 von Kanzler Schröder nicht mittragen, denn ich konnte den Arbeitnehmern als Gewerkschafter nicht mehr ehrlichen Herzens gegenübertreten“, erinnert sich der Abgeordnete.
Alexander Ulrich blieb ein Jahr lang parteilos. „Parteiämter habe ich eigentlich nie angestrebt und zu meiner Lebensplanung gehörte es auch nicht, einmal Bundestagsabgeordneter zu werden, deshalb war eine Parteimitgliedschaft für mich erst einmal nicht wichtig“, erklärt der Abgeordnete. Das Sprichwort “Im Leben kommt es manchmal anders als man denkt“ trifft auf Alexander Ulrich zu. Im Januar 2005, also nicht einmal ein Jahr nach seinem Parteiaustritt aus der SPD, war er Gründungsmitglied der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG).
Im Mai 2005 kandidierte die WASG erstmals bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. „Es war für uns ein Test, wie viele Menschen wir erreichen würden“, sagt Alexander Ulrich. Die WASG erhielt nur 2,21 Prozent der Stimmen und verpasste den Einzug ins Landesparlament deutlich. Doch auch für die SPD war diese Landtagswahl ein Debakel. Sie holte nur 37,1 Prozent der Stimmen gegenüber 42,8 im Jahr 2000.
Die CDU erhielt 44,8 Prozent. Unmittelbar nach der Wahlniederlage der SPD kündigte der Bundes- und Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering Neuwahlen im Bund an und begründete diese Entscheidung damit, dass das Vertrauen der Menschen in die rot-grüne Bundesregierung nicht mehr erkennbar sei. Kanzler Schröder stellte die Vertrauensfrage im Parlament und verlor die Abstimmung. Der Deutsche Bundestag wurde im Juli 2005 aufgelöst, die vorgezogene Bundestagswahl fand am 18. September 2005 statt.
„Die Ankündigung von Neuwahlen kam für die WASG überraschend und stellte die Partei vor große Herausforderungen. Die Frage war: Soll die WASG zur Bundestagswahl antreten? Und wenn ja, wie soll sie den Wahlkampf finanzieren und professionell umsetzen, damit eine realistische Chance bestand, dass sie die Fünf- Prozent-Hürde schaffen kann? Ich war sehr skeptisch, dass diese Aufgabe zu schaffen sein wird“, erinnert sich Alexander Ulrich.
Die Lösung kam mit Oskar Lafontaine und seiner Idee, mit einer vereinigten starken Linken zur Bundestagswahl anzutreten. Im August 2005 waren in allen Bundesländern die Landeslisten vollständig. In den offenen Listen der Linkspartei.PDS kandidierten auch Mitglieder der WASG und Parteilose. Spitzenkandidaten waren Oskar Lafontaine und Gregor Gysi. Alexander Ulrich kandidierte auf der Landesliste Rheinland-Pfalz erfolgreich für den 16. Deutschen Bundestag und war „über Nacht“ vom Gewerkschafter zum Berufspolitiker geworden.
„Als feststand, dass Oskar Lafontaine und Gregor Gysi für eine starke Linke im Bundestag antraten, konnte ich nicht nein sagen. Ich hatte die WASG mitgegründet und wollte mich der Verantwortung stellen. Ich sah mit diesen beiden Spitzenkandidaten eine realistische Chance, dass wir die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und in den Deutschen Bundestag einziehen würden“, sagt der Politiker.
Alexander Ulrich sollte Recht behalten. Die Linkspartei.PDS schaffte nicht nur die Fünf-Prozent-Hürde, sondern konnte mit 8,7 Prozent der Wählerstimmen 54 Bundestagsabgeordnete stellen. „Es war ein grandioser Wahlerfolg, mit dem wir so nicht gerechnet hatten. Dass uns so viele Wählerinnen und Wähler ihre Stimme gaben, war für uns die Bestätigung, dass eine starke Linke, eine Partei der sozialen Gerechtigkeit, in Deutschland offenbar gefehlt hatte“, sagt der Abgeordnete.
Inzwischen ist Alexander Ulrich schon ein „alter Hase“ im Politikbetrieb. In seiner dritten Wahlperiode ist er, wie bereits in der Wahlperiode davor, Mitglied im Europaausschuss des Bundestages. Es ist sein Wunschausschuss, weil er dort viel mit Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zu tun hat. Dass es optimale Bedingungen für Arbeitnehmer in Deutschland und in Europa geben muss, dafür schlägt sein Herz als Gewerkschafter und als Bundestagsabgeordneter.
„Seit ich im Europaausschuss bin, höre ich immer wieder, Europa sei im Moment in einer Krise. Es scheint aber eher ein ständiger Krisenmodus zu sein. Die Europäische Verfassung scheiterte, weil Frankreich und die Niederlande den Vertrag nicht ratifizierten, dann kam die Wirtschafts- und Finanzkrise, danach musste Griechenland mehrfach vor der Staatspleite bewahrt werden. In der derzeitigen Flüchtlingskrise wird erneut deutlich, dass Europa keine gemeinsamen Antworten findet und auf ganzer Linie versagt. Ich würde mir wünschen, dass es mehr um die Menschen geht, dass wir ein sozialeres Europa hätten, in dem es weniger um Wirtschaftsinteressen geht. Das gravierendste Beispiel ist für mich TTIP. Hier werden nicht nur Wirtschaftsinteressen bedient, auch Arbeitnehmerinteressen sollen beschnitten werden. Das zu verhindern, ist für mich als Gewerkschafter vordringlichste Aufgabe“, sagt der Abgeordnete. (bsl/21.12.2015)