Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Beim Ausbau der Stromnetze kündigt sich ein Zuständigkeitswechsel an. Künftig soll der Betreiber Tennet für den Ausbau der Süd-Ost-Gleichstromtrasse verantwortlich sein. Der bisherige Betreiber Amprion soll im Gegenzug Zuständigkeiten im Bereich des Nord-Teils des A-Korridors bekommen. Das berichtete Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, während eines öffentlichen Fachgespräches am Mittwoch, 27. Januar 2016, im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unter Vorsitz von Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen). Homann sagte, dass die Unternehmen Details zu dem Tausch diese Woche bekanntgeben werden. Der Wechsel habe verschiedene Vorteile. Unter andere könne die Akzeptanz vor allem in Bayern gesteigert werden, sagte Homann.
Thema des Fachgespräches waren die Auswirkungen des Netzausbaues auf Strahlenschutz, Naturhaushalt und Landschaftsbild. Prof. Dr. Beate Jessel vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) betonte, dass der Naturschutz im Vergleich mit anderen Themen beim Netzausbau "kein herausragendes Konfliktfeld" sei. Dafür bedürfe es aber auf allen Planungsebenen einer Einbeziehung naturschutzrelevanter Aspekte und einer Alternativenprüfung.
Der jüngst beschlossene Vorrang der Erdverkabelung sei begrüßenswert. Es sei aber wichtig, die Trassenlegung grundsätzlich im Einzelfall zu betrachten. Auch beim Verlegen von Stromkabeln in der Erde könnten Bodenschutzziele, etwa in Hinblick auf den Wasserhaushalt, eine wichtige Rolle spielen. Bei Freileitungen seien die Auswirkungen auf Vögel, Landschaftsbild und Waldgebiete zu beachten. In Hinblick auf Vogelkollisionen forderte Jessel, Wirkungsforschung zu betreiben. Die bisher genutzten Kollisionsmarker seien "kein Allheilmittel", sagte die BfN-Präsidentin.
Homann betonte, dass der Netzausbau im Zuge der Energiewende dringend gebraucht werde. Während der Ausbau der erneuerbaren Energien voranschreite, fehle es noch an den notwendigen Netzkapazitäten. Homann gab an, dass konkrete Ausbauvorhaben umstritten seien, in manchen Regionen sei eine "Totalablehnung" zu verzeichnen. Diese Konflikte beruhten häufig aber nicht auf der Abwägung verschiedener Naturschutzgüter, sondern auf der Abwägung zwischen Mensch und Natur, etwa wenn eine Trasse aus Gründen des Naturschutzes näher an eine Siedlung verlegt werde.
Der Vorrang der Erdverkabelung könne die Situation beruhigen. Zudem ermögliche die Erdverkabelung, geradliniger zu planen und Abstand von der Ellipsen-Betrachtung zu nehmen. Es sei aber auch wichtig, zu kommunizieren, dass der Erdverkabelungsvorrang nur für die Gleichstromkabel gelte, sagte der Netzagentur-Präsident. Eine mögliche Neufassung der Bundeskompensationsverordnung sei im Hinblick auf Entschädigungsfragen bei Land- und Forstwirtschaft zu begrüßen, sagte Homann.
Dr. Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe e.V. verwies darauf, dass es zu vielen Fragen, die im Zuge des Netzausbaues bei den Betroffenen aufkämen, schon Antworten gebe. Das gelte etwa in Hinblick auf die Lärmbelastung durch den Korona-Effekt oder die Schadstoffbelastung. Das Wissen sei vor Ort aber häufig noch nicht bekannt. Einige Fragen seien aber noch offen. In Hinblick auf Naturschutz müsse etwa bei Erdverkabelung genau analysiert werden, ob ein Wald durchquert werden könne oder umgangen werden müsse, sagte Ahmels.
Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), betonte, dass die bekannten Gesundheitsgefahren durch Stromleitungen durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die sich daraus ergebenden Anforderungen abgedeckt würden. Es gebe aber "Hinweise", denen man nachgehen müsse. Als Beispiel nannte König eine Studie zum Leukämierisiko bei Kindern im Umfeld von Stromleitungen. Dieses sei noch nicht wissenschaftlich belegt.
Zudem seien die Ursache-Wirkung-Zusammenhänge in diesem Bereich sehr komplex, sagte König. Man müsse die Fragen aber offen angehen. Der BfS-Präsident regte ein entsprechendes Forschungsprogramm an. Wichtig sei dabei, etwa durch die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Forschung, die Akzeptanz der Ergebnisse sicherzustellen. König verwies auf die Forschung zur Wirkung von Mobilfunkstrahlung. Durch die Studien habe sich das Wissen enorm erhöht und es sei eine große Akzeptanz erreicht worden, sagte König. (scr/27.01.2016)