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Die Anwendung des 2002 in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB) lässt zu wünschen übrig. Das ist das Ergebnis einer öffentlichen Anhörung des Rechtsauschusses unter Vorsitz von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) am Montag, 25. April 2016. In ihr nahmen fünf Sachverständige Stellung zu dem Antrag der Grünen „Keine Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen - Völkerstrafprozesse in Deutschland voranbringen“ (18/6341). Darin fordert die Fraktion, eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe einzusetzen, die Vorschläge erarbeiten soll, wie die Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch besser durchführbar werden können. Die Grünen begründen den Vorschlag damit, dass 14 Jahre nach Verabschiedung des VStGB erst 49 Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, wovon erst ein einziges zu einem (erstinstanzlichen) Urteil geführt hat.
Als eine wesentliche Ursache für diese magere Bilanz machten die Sachverständigen verfahrensrechtliche Hemmnisse aus. Die ohnehin schwierige Aufgabe, bei den im Ausland unter Kriegsbedingungen erfolgten Verstößen gegen das Völkerrecht gerichtsfeste Beweise zu erhalten, werde durch sie zusätzlich erschwert.
Eine weit profanere Ursache benannte Dr. Robert Heinsch, Associate Professor am Grotius Centre for International Legal Studies der niederländischen Universität Leiden, nämlich die unzureichende personelle Ausstattung der Ermittlungsbehörden. So gebe es beim Generalbundesanwalt lediglich drei Staatsanwälte und zwei wissenschaftliche Mitarbeiter für Verfahren nach dem VStGB. Wolfgang Kaleck vom European Centre for Constitutional and Human Rights in Berlin verwies auf das Beispiel der Niederlande, die eine wesentlich besser ausgestattete War Crimes Unit unterhielten. Diese habe es sogar geschafft, zwei Unternehmen wegen Kriegsverbrechen anzuklagen.
Unterschiedliche Ansichten zeigten sich in der Frage, wie mit den häufigen und für Verbrechensopfer enttäuschenden Einstellungen von Ermittlungsverfahren umzugehen sei. Heinsch stellte zum einen eine richterliche Beteiligung bei solchen Entscheidungen des Generalbundesanwalts, zum anderen die Ermöglichung von Klageerzwingungsverfahren zur Diskussion.
Der Strafrechtler Prof. Dr. Gerhard Werle von der Berliner Humboldt-Universität dagegen nannte Erzwingungsverfahren generell problematisch. Er sprach sich aber für eine Überprüfbarkeit staatsanwaltschaftlicher Einstellungsentscheidungen aus, schon um den Anschein politischer Einflussnahme auf die Justiz zu vermeiden.
Deutlich wurde in der Anhörung, dass für die „auffällig geringe Zahl von Verfahren“ nach dem VStGB, wie der Strafrechtler Prof. Dr. Florian Jeßberger von der Universität Hamburg formulierte, „als Ursache strafprozessuale Vorgaben ausgemacht“ sind. Auf weitgehende Ablehnung stießen aber Neuregelungen speziell für VStGB-Verfahren.
So wandte sich der Leiter des Referats Völkerstrafrecht beim Generalbundesanwalt, Christian Ritscher, dagegen, „ein Sonderprozessrecht einzuführen“. Es zeichnete sich ein Konsens darüber ab, bei solchen Verfahren für sinnvoll erachtete Änderungen in die ohnehin vorgesehene Reform der Strafprozessordnung (StPO) einfließen zu lassen.
Der Direktor des Instituts für Friedenssicherungsrecht der Universität Köln, Prof. Dr. Claus Kreß, regte an, sich dabei an den beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag mittlerweile gemachten Erfahrungen zu orientieren. Prof. Dr. Christoph Safferling, Straf- und Völkerrechtler an der Universität Erlangen-Nürnberg, verlangte, die StPO müsse wiedergeben, wozu sich Deutschland mit dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs international verpflichtet hat.
Zu der Kernforderung des Grünen-Antrags, eine Arbeitsgruppe zur Verfahrensreform des Völkerstrafrechts einzusetzen, endete die Anhörung unentschieden. Einige Experten befürworteten sie, andere hielten das Ziel auch über Kolloquien und andere Beteiligungsformen für erreichbar. (pst/26.04.2016)