Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Das Prostitutionsgewerbe soll schärfer reglementiert und Prostituierte besser vor Ausbeutung, Gewalt und Gesundheitsschäden geschützt werden. Dies ist das Ziel des von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vorgelegten Entwurfs eines Prostituiertenschutzgesetzes (18/8556), über das Bundestag am Donnerstag, 2. Juni 2016, in erster Lesung beraten hat. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem die Einführung einer Erlaubnispflicht für die Betreiber von Bordellen und anderen Prostitutionsstätten, eine Anmeldepflicht und verpflichtende Gesundheitsberatungen für Prostituierte und eine Kondompflicht vor.
Während die Koalitionsfraktionen die Gesetzesinitiative ausdrücklich begrüßten, übten die Oppositionsfraktionen massive Kritik an den verpflichtenden Auflagen für Prostituierten. Diese seien stigmatisierend und verstießen gegen das Selbstbestimmungsrecht der Prostituierten, argumentierten Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die Auflagen für Bordellbetreiber begrüßten allerdings auch sie.
Ministerin Schwesig argumentierte, es sei „in Deutschland schwieriger, eine Pommes-Bude zu eröffnen als ein Bordell“. Damit müsse Schluss sein. Nach ihrem Willen muss deshalb zukünftig jeder Betreiber einer Prostitutionsstätte ein Betriebskonzept vorlegen, das einer Zuverlässigkeitsprüfung unterzogen wird. Damit sollen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, ausbeuterische Geschäftskonzepte wie zum Beispiel Flatrate-Angebote und alle Modelle, die der sexuellen Selbstbestimmung der Prostituierten zuwiderlaufen, ausgeschlossen werden.
Einschlägig Vorbestraften soll die Betriebserlaubnis für Prostitutionsstätten verweigert werden. Schwesig verwies zudem auf den von Justizminister Heiko Maas (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung einer EU-Richtlinie gegen Menschenhandel, über den der Bundestag ebenfalls am Donnerstag in erster Lesung beriet. Dieser sieht mehrjährige Haftstrafen für Freier vor, die wissentlich die Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen.
Die Auflagen für Bordelle wurden in der Debatte übereinstimmend von allen Fraktionen begrüßt. Linke und Grüne bemängelten jedoch, dass die Auflagen für kleine private Wohnungsbordelle zu hoch angesetzt seien. Es mache keinen Sinn, dass das Schlafzimmer einer Prostituierten in ihrer Wohnung von ihrem Arbeitsplatz getrennt sein müsse.
Cornelia Möhring (Die Linke) argumentierte, dass in der Konsequenz Großbordelle die Wohnungsbordelle verdrängen würden. Es seien aber gerade die Wohnungsbordelle, die den Prostituierten ein selbstbestimmtes Arbeiten ermöglichen.
Strittigster Punkt zwischen Koalition und Opposition sind jedoch die Auflagen für die Prostituierten. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass sie sich zukünftig alle zwei Jahre bei einer Kommune anmelden und jedes Jahr eine Gesundheitsberatung absolvieren müssen. Für 18- bis 21-jährige Prostituierte sollen eine jährliche Anmeldepflicht und eine halbjährliche Beratungspflicht gelten.
Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) und Möhring bezeichneten dies als Gängelung. Die Beratung von Prostituierten sei zwar wünschenswert, diese mache aber nur Sinn, wenn sie auf freiwilliger Basis erfolgt, sagte Dörner. Die Pflicht zur Anmeldung käme einem Zwangs-Outing gleich, sagte Möhring. Gerade in kleineren Gemeinden, wo jeder jeden kenne, sei dies unzumutbar für die Frauen. Möhring und Dörner verweisen darauf, dass sich die Prostituiertenverbände eindeutig gegen diese Auflagen ausgesprochen hätten.
Für die Unionsfraktion wies Marcus Weinberg die Kritik der Opposition zurück. Linke und Grüne hätten nur jene gutverdienenden Prostituierten im Blick, die selbstbestimmt arbeiten könnten. Schutz bräuchten aber vor allem jene Frauen, die in Deutschland zu Tausenden unter menschenunwürdigen Umständen und oftmals unter Zwang ihrer Arbeit nachgingen.
Es sei die Aufgabe des Staates, vor allem diese Frauen zu schützen, sagte Weinberg. „Jede Form der Fremdbestimmung ist ein Verstoß gegen die Würde des Menschen“, sagte Weinberg. Er kritisierte scharf das Prostitutionsgesetz der rot-grünen Koalition aus dem Jahr 2001. Dies habe den Menschenhandel und die Zwangsprostitution befördert.
Die SPD-Abgeordnete Carola Reimann wies die Kritik am Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2001 zurück. Es sei richtig gewesen, die Prostitution aus der Illegalität zu holen. Sie räumte ein, dass es Nachbesserungsbedarf gebe. Allerdings habe sich in den vergangenen Jahren die Mehrheit der von Union und FDP regierten Bundesländer im Bundesrat den nötigen Gesetzesänderungen widersetzt.
Für die Sozialdemokraten seien die Auflagen für Bordellbetreiber der zentrale Kern des jetzt vorgelegten Gesetzes, um den Prostituierten Schutz und angemessene Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Das Gesetz müsse einem sehr weiten Spektrum unterschiedlichsten Erscheinungsformen der Prostitution gerecht zu werden. Allerdings, so warnte Reimann, ließen sich nicht alle Probleme mit einem einzelnen Gesetz beheben. (aw/02.06.2016)