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Steuervermeidung und Steuerhinterziehung betreffen Entwicklungsländer in besonderem Maße. Dies stellten mehrere Sachverständige am Montag, 20. Juni 2016, in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Ingrid Arndt-Brauer (SPD) fest. Gründe seien die schmale Steuerbasis, einseitige Wirtschaftsstrukturen und eine ineffiziente Steuerverwaltung. Der Ausschuss hatte zwölf Experten geladen, um sich über die "Auswirkungen von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung auf die Entwicklungsländer" zu informieren.
Dr. Christian von Haldenwang vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik sprach von "zwei großen Mechanismen", die das Steueraufkommen in Entwicklungs- und Schwellenländer schmälern würden: "Reiche Individuen entziehen sich ihrer Steuerpflicht, indem sie Gelder ins Ausland abziehen und falsche Angaben zu Einkommen und Vermögen machen. Große, international operierende Unternehmen nutzen zwischenstaatliche Gesetzes- und Regulierungslücken und verlagern profitträchtige Aktivitäten künstlich in Staaten mit besonders niedriger Steuerquote."
Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bezifferte die Mindereinnahmen durch Unternehmenssteuervermeidung über Steueroasen auf 400 Milliarden Dollar für die Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und rund 200 Milliarden Dollar für die Länder des globalen Südens. Er berief sich dabei auf Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Wie von Haldenwang berichtete auch Meinzner von der "Offshore-Flucht wirtschaftlicher und politischer Eliten". Oft führe diese Flucht in die "Steueroase Deutschland". Nach Zahlen der Bundesbank würden 2,5 bis drei Billionen Euro verzinste Anlagen von Steuerausländern auf Konten in Deutschland liegen.
Meinzner bezifferte den Verlust durch Unternehmenssteuervermeidung in Entwicklungsländern auf sechs bis 13 Prozent der Steuereinnahmen. Dagegen liege der Verlust der OECD-Länder bei zwei bis drei Prozent.
Richard Murphy (Tax Resarch LLP) bezifferte den Verlust der Entwicklungsländer auf 100 bis 200 Milliarden Euro im Jahr. Auch Dr. David Nguyen-Thanh (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) sagte, den Entwicklungsländern würden durch illegale Steuerpraktiken wichtige Einnahmen für die nachhaltige Entwicklung und den Aufbau eines leistungsfähigen Staates entgehen.
Mehrere Sachverständige wiesen darauf hin, dass durch ein unzulängliches Besteuerungssystem die indirekten Steuern eine zu geringe Rolle in Entwicklungsländern spielen würden. Pascal Saint-Amans (OECD) bestätigte, dass diese Länder stärker von den Ertragsteuern abhängen würden als entwickelte Länder.
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bestätigte dies: "Hohe Steuerausfälle in Entwicklungsländern sind auch auf ein oft unvollkommenes Steuersystem, eine ineffiziente Steuerverwaltung und eine damit verbundene unzureichende Durchsetzung von Steueransprüchen zurückzuführen. Darüber hinaus besteht aufgrund einer potenziell hohen Schattenwirtschaft und damit einhergehenden Umsatz- und Einkommensteuerausfällen eine überproportionale Abhängigkeit vom Steueraufkommen der Unternehmen", erklärte Berthold Welling, Leiter der BDI-Steuerabteilung. Auf einen anderen Aspekt machte Dr. Reimar Pinkernell (Flick Glocke Schaumburg) aufmerksam: Danach liefern sich Entwicklungsländer untereinander einen schädlichen Steuerwettbewerb, den Pinkernell als "tax holidays" bezeichnete.
In diesem Zusammenhang fragten Abgeordnete auch nach der Offenlegung von Steuerdaten internationaler Konzerne, die damit beziffern sollen, wie hoch die Gewinne in verschiedenen Ländern waren und wie diese versteuert wurden. Dr. Wolfgang Haas (BASF) lehnte eine Veröffentlichung dieser Daten ab, weil er keinen Nutzen in der Veröffentlichung erkennen könne. Die Steuerbehörden hätten diese Daten. Ein Problem seien in diesem Zusammenhang Staaten wie die USA, die eine Veröffentlichungspflicht ablehnen würden.
Prof. Dr. Ekkehart Reimer sagte, diese Daten seien grundrechtlich geschützt. Auch er verwies auf die US-Behörden, die zum Beispiel über die FACTA-Abkommen an vielen Daten aus anderen Ländern kämen, aber selbst nichts zurückliefern würden. Es sei "entscheidend", dass die USA mit ins Boot kommen würden. Über eine Pflicht der Veröffentlichung von Unternehmensdaten müsse mit den USA diskutiert werden. Saint-Amans bezeichnete die Veröffentlichung von Steuerdaten als wichtig und forderte, Steuern müssten dort bezahlt werden, wo die wirtschaftliche Entwicklung stattfinde. (hle/20.06.2016)