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1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss- 13.05.2016
Berlin (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) hat ein weiterer Verfassungsschützer bestritten, dass seine Behörde durch Übermittlung von Informationen Beihilfe zum Drohnenkrieg der USA geleistet haben könnte. Ihm seien zwar sieben Fälle bekannt, in denen mutmaßliche radikalislamische Kämpfer durch Drohnen zu Tode kamen, nachdem ihre Daten aus Deutschland an US-Geheimdienste weitergegeben worden waren: "Aber ich würde da keine Kausalität herstellen", sagte der Zeuge Wilhelm Dettmer in seiner Vernehmung am Donnerstagabend. Der heute 65-jährige Slawist und Politologe ist seit 1979 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) tätig, seit 2007 in der für die Bekämpfung radikalislamischer Bestrebungen zuständigen Abteilung 6.
Dettmer schilderte dem Ausschuss die Umstände, unter denen am 24. November 2010 eine Weisung des Innenministeriums an den Verfassungsschutz zustande kam, er möge darauf achten, dass weitergegebene Daten nicht nutzbar waren, um Zielpersonen zu orten. Zuvor war am 4. Oktober im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet der deutsche Staatsbürger Bünyamin Erdogan einem Drohneneinsatz zum Opfer gefallen. Der Zeuge erinnerte an die öffentliche Debatte, die der Vorfall in Deutschland auslöste, und in der die Frage laut geworden sei, ob Mitarbeiter deutscher Behörden sich durch die Weitergabe der Daten des Opfers nicht strafbar gemacht hätten. Sie sei allerdings nur im "politischen Raum" geführt worden, nicht innerhalb des Verfassungsschutzes, betonte der Zeuge. Er könne sich jedenfalls aus eigenem Erleben an solche Diskussionen in seiner Behörde nicht erinnern.
Es sei in der damals aufgeheizten Stimmung wichtig gewesen, "Handlungssicherheit" für die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu schaffen. Auf eine Bitte aus den USA um Weitergabe einer Liste mit Mobilfunkdaten verdächtiger Personen hin habe deshalb das zuständige Referat in der Abteilung 6 am 22. November erst die Zustimmung des Innenministeriums einholen wollen. Diese sei zwei Tage später unter den genannten einschränkenden Bedingungen erteilt worden. Er selbst habe die Weisung allerdings erst jetzt zur Kenntnis genommen, als er eine Woche vor seiner Vernehmung Akten studierte, um den Auftritt vor dem Ausschuss vorzubereiten. Das Schreiben aus dem Innenministerium sei damals seiner Aufmerksamkeit völlig entgangen.
Es habe an der Praxis der Datenübermittlung auch nichts geändert, betonte Dettmer: "Es wurden vorher Handy-Daten weitergegeben und nachher." Am 22. Dezember etwa sei die Liste, die Gegenstand der Anfrage ans Innenministerium gewesen war, den Amerikanern ausgehändigt worden. Der Verfassungsschutz habe sich auch deswegen auf der sicheren Seiten gefühlt, weil er davon ausgegangen sei, dass Mobilfunkdaten allein nicht geeignet seien, um Personen als Drohnenziele zu markieren: "Das habe ich in Gesprächen erfahren als die Meinung des Hauses," sagte Dettmer. Er habe keinen Anlass gesehen, daran zu zweifeln, zumal, da er selbst kein Techniker sei.
Wie schon andere Verfassungsschutzzeugen vor ihm betonte auch Dettmer, dass jede an einen ausländischen Geheimdienst weitergegebene Information mit dem Hinweis versehen sei, sie dürfe allein zu nachrichtendienstlichen Zwecken, also nicht zur Exekution von Menschen, genutzt werden. Nach seiner Überzeugung sei dieses Verfahren außerordentlich wirksam: "Es gibt überhaupt keinen Hinweis darauf, dass irgendwann einmal solche Verwendungsbeschränkungen nicht eingehalten worden wären."