Menu | Plenum | Parlaments-TV |
Der Bundestag hat am Donnerstag, 23. Juni 2016, die zuvor in der Öffentlichkeit viel diskutierten Pläne für eine Rechtsvereinfachung im Hartz-IV-System beschlossen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/8041) für ein Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) wurde in geänderter Fassung trotz scharfer Kritik der Oppositionsfraktionen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CDU und SPD angenommen.
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen. Sie hatten eigene Anträge eingebracht, die abgelehnt wurden (18/8076, 18/8077). Sie scheiterten zudem mit Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf. Der Änderungsantrag der Grünen (18/8923) wurde mit 444 gegen 94 Stimmen bei 17 Enthaltungen abgelehnt. Bei Enthlatung der Grünen scheiterte auch Die Linke mit einem Änderungsantrag (18/8922), Sanktionen aus dem Recht der Existenzsicherung zu verbannen.
Mit dem Gesetzentwurf sollen zahlreiche Regelungen des SGB II vereinfacht und neu strukturiert werden. Die Neuregelungen betreffen unter anderem Fragen der Einkommensanrechnung, der Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung und die Beratung der Leistungsberechtigten. Zurückgenommen wurden Änderungen für Alleinerziehende, die Leistungen nach dem SGB II erhalten. Hier war ursprünglich vorgesehen, dass der Regelsatz des minderjährigen Kindes, das sich wechselweise in beiden Haushalten der getrennt lebenden Eltern aufhält, entsprechend der Anwesenheitstage im jeweiligen Haushalt aufgeteilt wird – und zwar bei allen Elternpaaren, in denen ein Teil Hartz-IV-Leistungen bezieht. Bisher gilt die Regel nur, wenn beide Elternteile diese Leistungen beziehen.
Neu aufgenommen wurde eine Regelung bei der Zwangsverrentung von Hartz-IV-Beziehern. Es soll nun doch keine Sanktionen geben, wenn Betroffene keine Unterlagen vorlegen, die für die zwangsweise Frühverrentung nötig sind. Für alle anderen gilt jedoch, dass Leistungen entzogen werden können, wenn die Pflicht zur Vorlage von Unterlagen nicht erfüllt wurde. Geändert wurde der Entwurf auch bezogen auf die Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs). Bisher dürfen diese innerhalb von fünf Jahren nicht länger als 24 Monate zugewiesen werden. Künftig wird die Förderdauer auf 36 Monate verlängert.
Annette Kramme (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, betonte in ihrer Rede vor allem die Verbesserungen für Auszubildende. Wenn Ausbildungsförderung und Ausbildungsvergütung nicht zum Leben reichten, so Kramme, könnten Azubis in Zukunft unkompliziert ergänzend Arbeitslosengeld II erhalten.
Zur von fast allen Bundesländern und Experten geforderten Abschaffung der Sanktionen für unter 25-Jährige sagte sie: „Das Thema ist für uns auch mit diesem Gesetz nicht erledigt.“
Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken, kritisierte den Gesetzentwurf scharf. „Der Titel verspricht Rechtsvereinfachung, in der Praxis bedeutet der Inhalt des Gesetzes aber weniger Rechte für Erwerbslose, eine zweite Säule bei Sanktionen für Erwerbslose und Mehrbelastungen für die Mitarbeiter in den Jobcentern.“
Sie wiederholte eine alte Forderung ihrer Fraktion nach Abschaffung der Sanktionen und forderte eine Lösung für alleinerziehende SGB-II-Bezieher.
Prof. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) betonte, das Ziel des Gesetzes sei es, durch eine Vereinfachung von Verwaltungsvorschriften eine Vereinfachung des SGB II zu erreichen. Für die Bezieher solle es transparenter werden, der Umfang von Rechtsansprüchen soll besser erklärt werden.
Die Verlängerung der Dauer von Ein-Euro-Jobs von zwei auf drei Jahre innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums lobte er als nötige Flexibilisierung, die die Chancen der Menschen auf einen Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt erhöhe.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, eine Rechtsvereinfachung wäre eigentlich dringend nötig gewesen, das Gegenteil sei jedoch der Fall.
„Zusätzliche bürokratische Hürden werden aufgebaut. Es gibt Mehraufwand bei den Jobcentern. Es gibt eine zusätzliche Drangsalierung der Betroffenen.“ Es sei nicht hinnehmbar, dass es so viele bürokratische Hürden gebe, um das Grundrecht auf Existenzsicherung in Anspruch zu nehmen, kritisierte er.
Kerstin Griese (SPD), Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, lobte die Verbesserungen für Flüchtlinge. Für anerkannte Flüchtlinge, die noch in Gemeinschaftsunterkünften leben, würden einfachere Verfahren eingeführt, was die Erstattung von Verpflegungskosten angehe.
Zum Thema temporäre Bedarfsgemeinschaften kündigte sie an, dass sich die Koalition um Verbesserungen für Alleinerziehende bemühe. „Wir sind dabei, ein Konzept für einen Umgangsmehrbedarf zu entwickeln“, kündigte sie an. (che/24.06.2016)