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Der Bundestag hat am Donnerstag, 7. Juli 2016, dem Entwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD für ein Integrationsgesetz (18/8615, 18/8829) in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (18/9090) zugestimmt. Union und SPD stimmten für das Gesetz, die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen. Sie hatten eigene Anträge (18/6644, 18/7653, 18/7651, 18/6198, 18/6345, 18/6192, 18/7049; 18/9101, 18/9022) zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt vorgelegt, die jedoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt wurden.
Ziel des Gesetzes ist es laut Entwurf, mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket die Integration von Flüchtlingen in Deutschland zu erleichtern. Unter anderem sollen für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zusätzliche Arbeitsgelegenheiten aus Bundesmitteln geschaffen werden. Angelehnt an die als Ein-Euro-Jobs bekannten Arbeitsgelegenheiten sollen für die 100.000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge jedoch nur 80 Cent pro Stunde gezahlt werden. Zu den Maßnahmen gehört weiter, dass Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und Geduldete leichter eine betriebliche Berufsausbildung absolvieren können. Außerdem wird eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge eingeführt, um die Bundesländer bei der Steuerung der Verteilung zu unterstützen.
Geändert wurde der Entwurf unter anderem beim Duldungsstatus von Auszubildenden. Die Koalition einigte sich auf eine Verlängerung des Aufenthaltsrechts einmalig um sechs Monate, wenn ein Flüchtling eine Ausbildung abbricht. Nach der bisherigen Regelung hätte ein Flüchtling die Abschiebung riskiert, wenn er eine Ausbildung abgebrochen hätte. Getrennt vom Integrationsgesetz wollen die Koalitionsfraktionen eine Änderung bei den Ehrenamtspauschalen erreichen, sodass bis zu 200 Euro dieser Pauschale nicht mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verrechnet werden sollen.
Aydan Özoğuz (SPD), Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin, bezeichnete das Gesetz als „Riesenschritt“, das viele Fehler der Vergangenheit beseitige und sehr genau auf Details achte, damit Menschen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt schneller Fuß fassen.
Sie kritisierte allerdings, dass das Gesetz keine Definition für eine „gute Bleibeperspektive“ enthalte und sich stattdessen an die starren Schutzquoten von 50 Prozent halte, wenn es um die Bewilligung eines Integrationskurses geht. An einem solchen Kurs dürfen nur Flüchtlinge aus Ländern teilnehmen, aus denen die Mehrheit der Asylsuchenden als schutzberechtigt anerkannt wird.
Sabine Zimmermann (Die Linke) kritisierte das Gesetz als „Ausgrenzungsgesetz für Menschen, die bei uns Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen“. „Die Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge bieten keine Qualifikationsmaßnahmen. Sie sind nicht dazu geeignet, die deutsche Sprache zu lernen.“
Auch stelle die Bundesregierung nicht genügend Mittel für Integrationskurse bereit, bestrafe dann aber die Flüchtlinge, die keinen Platz in solchen Kursen finden, mit Sanktionen, kritisierte Zimmermann.
Sabine Weiss (CDU/CSU) betonte dagegen, das Gesetz fördere die Integration, fordere sie aber auch ein. Der schnelle Zugang zum Arbeitsmarkt werde durch den Ausbau des Angebots an Integrations- und Sprachkursen gelingen, zeigte sich die Unionsabgeordnete überzeugt.
Wichtig dabei sei, keine Konkurrenz zu Langzeitarbeitslosen aufzubauen. Deshalb stünden viele Maßnahmen für Flüchtlinge auch den Langzeitarbeitslosen offen, wie zum Beispiel Praktika, Berufseinstiegsqualifizierungen, Lohnkostenzuschüsse und Arbeitsgelegenheiten.
Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) erkannte zwar „positive Elemente“ in dem Gesetz, bezeichnete es aber dennoch als „schlechtes Gesetz“. „Mit dem Festhalten an der diskriminierenden Einteilung der Flüchtlinge nach guter beziehungsweise schlechter Bleibeperspektive verhindern Sie ausdrücklich die Integration von mehr als der Hälfte der Flüchtlinge“, sagte sie.
Auch die 100.000 Arbeitsgelegenheiten kritisierte Pothmer als „falsches Instrument“, weil es ein arbeitsmarktfernes Instrument sei. „Die Flüchtlinge wollen keine Beschäftigungstherapie. Sie wollen etwas lernen, und sie wollen arbeiten.“
Josip Juratovic (SPD) betonte, ein gutes Integrationsgesetz müsse beide Seiten berücksichtigen, die der Flüchtlinge und die der Mehrheitsgesellschaft. Dies gelinge dem Gesetz. Die Wohnsitzauflage gebe den Kommunen die Möglichkeit, den Zuzug der Flüchtlinge besser zu steuern. Sie komme aber auch den Bedürfnissen der Flüchtlinge nach mehr Flexibilität entgegen.
Juratovic bezeichnete das Gesetz auch als Signal an die vielen „stillen Helfer“ in unserem Land, dass sie nicht alleingelassen werden. „Integration und Teilhabe gelingt nur, wenn sich keine Bevölkerungsgruppe benachteiligt fühlt“, betonte er. (che/08.06.2016)