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Die SPD-Fraktion hat die Bundesregierung aufgefordert, mehr Geld für den Kinderschutz bereitzustellen und dabei stärker als bisher auf präventive Maßnahmen zu setzen. "’Kinderschutz wirksam verbessern’ klingt wie eine Selbstverständlichkeit“, sagte die SPD-Abgeordnete Petra Crone am Donnerstag, 28. Januar 2010, bei der 45-minütigen Debatte über den gleichlautenden Antrag ihrer Fraktion (17/498). "Aber es zeigen sich Unterschiede. Für die SPD heißt das vorrangig Prävention, die so früh wie möglich beginnt, denn Prävention bedeutet Erziehung zur Eigenverantwortung.“ Deshalb fordere die SPD ein spezielles Präventionsgesetz, das die Bildung eines Netzwerkes zum Schutz von Kindern ermögliche.
Die SPD-Familienpolitikerin Marlene Rupprecht sagte, im Gesetzentwurf, den die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgelegt hatte, sei "die Balance zwischen Prävention und Intervention nicht gegeben“ gewesen. Deshalb habe die SPD ihn in der vergangenen Legislaturperiode abgelehnt.
Zudem herrsche bis heute "ein Mangel an Zahlen und Statistiken“ im Kinderschutz. So sei der 13. Kinder- und Jugendbericht noch immer nicht ausgewertet worden. Für die bestehenden Gesetze müsse aber dringend eine Schwachstellenanalyse vorgenommen werden.
Die Unionspolitikerin Katharina Landgraf nannte es "unverantwortlich“, dass die SPD das Kinderschutzgesetz im Frühjahr 2009 "ausgebremst“ habe. Dass sie nun einen ihren eigenen Antrag stelle, sei "der Gipfel der Scheinheiligkeit“. Darin würden zudem "diverse Details“ des bisherigen Gesetzentwurfes bestätigt, so etwa der Umgang mit Eltern, die sich durch häufige Ortswechsel dem Zugriff des Jugendamtes entziehen wollten.
Auch die Forderung der SPD nach der Einschreibung von Kinderrechten ins Grundgesetz sei "nicht wirklich hilfreich“, sagte Landgraf weiter. Dabei handele es sich um eine symbolträchtige Verankerung von Rechten, "die den Kindern sowieso schon zustehen“.
Wenn die Eltern jedoch nicht danach handelten, dann könnten nur klare bundesgesetzliche Regelungen helfen. Das Bundesfamilienministerium habe am 27. Januar bei einer Anhörung von Kinderschutzexperten ein Konzept vorgelegt, das sowohl auf Prävention als auch auf Intervention setze und das bei den Fachleuten „auf breite Unterstützung“ gestoßen sei. Jetzt werde die Union dafür sorgen, "dass es bald zum Abschluss dieses längst überfälligen Gesetzes kommt“.
Die familienpolitische Sprecherin der FDP Miriam Gruß sagte, es sei richtig und gut, dass nun die Chance bestehe, noch Verbesserungen in das Gesetz einarbeiten zu können. Ein Thema, das oft zu kurz komme, sei die psychische Aufarbeitung von Missbrauchserfahrungen. Denn oftmals würden Erwachsene später zu Tätern, die selbst als Kind missbraucht worden seien. "Deswegen ist es so wichtig, dass wir präventiv tätig werden, damit es gar nicht zu diesen Fällen kommt“, sagte sie.
Doch auch die Intervention sei notwendig. "Manchmal ist es zu spät für Prävention, und dann muss man einschreiten“, ergänzte Gruß. "Dafür brauchen wir einen starken Staat, der sich schützend vor die Kinder stellt.“ Unter anderem seien hier die Ärzte gefragt. Für die FDP sei es wichtig, dass die Ärzte dabei Rechtssicherheit bekämen, dass zugleich aber auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Eltern nicht zerstört werde.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Ekin Deligöz kritisierte wie zuvor schon die SPD-Vertreterinnen, dass viele Maßnahmen noch nicht richtig ausgewertet worden seien und auch der 13. Kinder- und Jugendbericht noch nie im Plenum vorgestellt worden sei. "Wenn wir diesen Bericht haben, sollten wir aber auch den Anstand haben, uns mit den Ergebnissen zu befassen - auch wenn sie uns nicht passen und der Regierung nicht passen“, sagte sie.
Der Regierung warf Deligöz vor, den Kommunen die finanziellen Mittel und damit den Handlungsspielraum im Jugendschutz zu nehmen. "Jugendhilfe braucht Ressourcen“, betonte sie. Dazu seien Leute, Zeit und Kapazitäten notwendig. "Wenn wir den Kommunen den Handlungsspielraum vernichten, können wir nicht immer mehr im Bereich Jugendschutz verlangen.“
Auch die Sozialpolitikerin Heidrun Dittrich (Die Linke) verwies auf die finanziellen Engpässe im sozialen Bereich. Durch die Kürzungen bei den Jugendämtern hätten diese ihren präventiven Charakter verloren. In der Öffentlichkeit würden sie nur noch als eingreifende Behörde wahrgenommen.
Obwohl immer mehr Familien Rat suchten und die Mitarbeiter überlastet seien, seien die Mittel nicht aufgestockt worden. Die pädagogischen Kräfte im öffentlichen Dienst benötigten aber mehr Zeit, um sich um die Familien zu kümmern. Sie sollten nicht erst in die Familien kommen, "wenn es brennt“, betonte Dittrich.