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Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) hat am Donnerstag, 27. Oktober 2011, das Internet als „Nervensystem einer modernen Industriegesellschaft“ beschworen. Doch damit endete auch schon die Einigkeit im Bundestag, der abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen (17/5707) befand. Die Koalition propagierte marktwirtschaftliche Anreize zur Beseitigung der letzten „weißen Flecken“, die ohne hinreichend schnelle Internetverbindungen auskommen müssen. Für eine „Unversaldienstverpflichtung“ machte sich die Opposition stark.
Das Parlament nahm die Regierungsvorlage in der vom Wirtschaftsausschuss geänderten Fassung (17/7521) an und lehnte sowohl Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/7525, 17/7526) als auch Entschließungsanträge der SPD (17/7527) und der Grünen (17/7528) ab. Keine Mehrheit fanden Anträge der SPD (17/4875, 17/5367, 17/6902), der Linksfraktion (17/5376, 17/4843, 17/6912) und der Grünen (17/3688). Gegenstand der Beratung war auch die Antwort der Bundesregierung (17/5588) auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion zu Stand und Perspektiven des Breitbandausbaus in Deutschland (17/5588).
Rösler verwies zum Auftakt der Debatte auch darauf, das in der Novelle des Telekommunikationsgesetzes der Verbraucherschutz eine „große Rolle“ spiele. So werde Schluss gemacht mit längeren Internet- und Telekommunikationsverträgen und mit der Abzocke durch Warteschleifen. Zudem werde die Datensicherheit verbessert – etwa im Bereich der Ortungsdienste. Sie müssten künftig informieren, wenn geortet wird.
Verbraucherschutz? Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) hielt der Koalition vor, die Warteschleifen würden eben nicht komplett kostenlos, sondern nur in den ersten zwei Minuten. Dabei müssten sie „ohne Wenn und Aber kostenfrei sein“.
Weiteres Stichwort war die Netzneutralität. Es soll sichergestellt werden, dass die Netzbetreiber keinen Einfluss auf die Übertragungen der Datenpakete nehmen und sie damit keinen Anreiz haben, sich nicht nur von ihren Kunden bezahlen zu lassen, sondern auch bei den Betreibern von Web-Seiten die Hand aufzuhalten. Die Regierung wolle dafür sorgen, dass die Netzneutralität „gewährleistet wird“, beschied Rösler. Auch deshalb sei die Gesetzesnovelle „so wichtig“.
Martin Dörmann (SPD) begrüßte, dass der Minister die Netzneutralität in den Vordergrund gestellt habe. Stimmen aus der Union sprächen aber vom staatlichen Eingriff: „Ich bin gespannt, wie die Koalition das zusammenbekommt.“
Beherrschendes Debattenthema war aber der Ausbau der Breitbandnetze. Rösler zeigte von vornherein Flagge: Der Gesetzgeber habe sich „auf die Vorgabe des Rahmens“ zu beschränken: „Wir wollen kein planwirtschaftliches Denken.“ Er gab sich überzeugt, dass „wir mit Anreizen besser vorankommen werden als mit Verordnungen“.
Dörmann hielt ihm entgegen: Beim Breitbandausbau springe die Regierung „zu kurz“. Eine „flächendeckende Grundversorgung“ sei unabdingbar und „ein Teil der Daseinsvorsorge“. Er hielt der FDP vor, sie sei „aus ideologischen Gründen“ gegen die Universaldienstverpflichtung der Unternehmen.
Bei der Union herrsche in dieser Frage ein „Durcheinander“. Vielleicht sei „über den Umweg des Bundesrates“ noch das SPD-Anliegen umsetzbar, nämlich die bindende Vorgabe an die Unternehmen, ab 1. Januar 2013 flächendeckend schnelles Internet anzubieten.
Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) stellte demgegenüber heraus: Seit die Bundesregierung im Februar 2009 ihre Breitbandinitiative gestartet habe, sei Deutschland „vom unteren Ende bis an die Spitze gegangen“. Die Unternehmen hätten „enorme Investitionen gestemmt“. Damit habe sich das von der Union verfochtene Marktmodell als erfolgreich erwiesen.
Er gestand ein, dass „weiße Flecke für Bürger und Wirtschaft ein großes Problem“ seien. Doch 99 Prozent verfügten bereits über einen Breitbandzugang.
Johanna Voß (Die Linke) setzte demgegenüber ihre Hoffnung auf den Bundesrat, dass doch noch die Universaldienstleistung in das Gesetz aufgenommen wird: „Alles andere wäre ein Trauerspiel für unser Land.“ Sie forderte: „Breitband muss die Norm für alle werden.“
Der Koalition hielt sie „Marktwahn“ vor. Ganze Landstriche würden nun in ihrer Entwicklung gehemmt. Unternehmen seien nun mal keine "Wohltätigkeitsvereine“. Nicht deren Gewinne sollten die Regierung interessieren, sondern die "Sorgen der Menschen“.
Tabea Rößner stellte fest: „Statt neuer Straßen brauchen wir den Ausbau der Datenautobahnen.“ Es gehe nicht darum, „Geschenke zu verteilen“, sondern auch um einen „Standortvorteil für die Industrie“.
Flächendeckend ab 2013 Anschluss an ein mindestens sechs Megabit schnelles Kabel - diese Forderung der Grünen sei „juristisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll“.
Claudia Bögel (FDP) warnte davor, die flächendeckende Netzversorgung als „sozialistische Zwangsversorgung“ zu vollziehen.
90 Milliarden Euro werde das kosten. Und die würden dann auf alle Bundesbürger umgelegt: „Staatlicher Zwang darf nicht der Startpunkt, sondern allenfalls der Schlussstein sein.“ (ave)