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Menschen mit Behinderungen soll die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ohne Barrieren möglich sein. Fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention, die das garantiert, hat die Koalition ein Behindertenteilhabegesetz für das Jahr 2016 am Freitag, 4. April 2014, angekündigt. Die Opposition fordert dagegen unverzügliches Handeln. Zur Debatte standen zwei Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (18/977) und Die Linke (18/972), die eine Überarbeitung des Behindertengleichstellungsgesetzes und ein Sofortprogramm zur Barrierefreiheit forderten.
Für die CDU/CSU sprach Uwe Schummer von "ambitionierten Zielen" des Teilhabeberichts, der im vergangenen Jahr vorgelegt wurde. In Deutschland seien 17 Millionen Menschen von Behinderungen und Beeinträchtigungen betroffen, sieben Millionen davon schwer. Barrierefreiheit müsse es auf allen Ebenen gelten, notwendig sei deshalb auch, die "Barrieren in den Köpfen" zu überdenken.
Die CSU-Abgeordnete Dr. Astrid Freudenstein sagte, seit Inkrafttreten der Konvention sei es nicht bei der Idee einer inklusiven Gesellschaft geblieben: "Die Sache lebt." Nötig seien aber passgenaue Lösungen: Wichtig sei vor allem, dass die individuelle Lebensplanung "mehr geachtet und gestärkt werde".
Für die SPD kündigte Kerstin Tack ein Behindertenteilhabegesetz an. Dies werde 2016 zur Verabschiedung vorgelegt und solle 2017 in Kraft treten. Die Koalition habe sich "richtig viel vorgenommen", erstmals würden die Belange von Menschen mit Behinderungen in einem Koalitionsvertrag "flächendeckend" Berücksichtigung finden. Barrierefreiheit sei eine Selbstverständlichkeit und werde daher in allen weiteren Maßnahmen zur Städtebauförderung Niederschlag finden.
Außerdem wolle man beim Anspruch auf Teilhabe weg vom Fürsorgeprinzip der Sozialhilfe, dafür solle ein eigenständiges Recht im Neunten Sozialgesetzbuch verankert werden. Dies sei "ein Paradigmenwechsel", das Bedürftigkeitsprinzip werde so obsolet. Die SPD-Sozialpolitikerin Ulla Schmidt warb für eine Zusammenarbeit aller Fraktionen des Bundestages: Es gebe ein Menschenrecht auf Teilhabe, das momentan "Tag für Tag auch verletzt" werde – dies zu ändern sei "ein gemeinsamer Auftrag".
Der Opposition gehen die Pläne der Koalition nicht weit genug. Als vor 30 Jahren das Uno-Jahr der Behinderten ausgerufen worden sei, hätten Betroffene kritisiert, dass es sich dabei um eine Politik handele, die nur den guten Schein aufrechterhalten wolle, sagte die behindertenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Corinna Rüffer. Damals sei von "Integrationsoperetten" die Rede gewesen, heute müsse man von "Inklusionsoperetten" sprechen. Eine Umsetzung der Konvention sei mit "schönen Worten" nicht zu erreichen, es müsse um konkrete Verbesserungen im Leben Behinderter gehen.
Kerstin Andreae ergänzte für die Grünen, nötig sei ein neuer Begriff von Behinderung, der sich an das Verständnis der Konvention anpasse und einen Paradigmenwechsel vornehme: Die Gesellschaft sei die Verursacherin von Barrieren. Bislang sei der Diskriminierungsschutz behinderter Menschen auf Teilbereiche beschränkt. Es dürfe aber nicht hingenommen werden, dass Menschen aus Restaurants oder Clubs verwiesen würden, weil sie anders essen oder sich anders bewegen würden. Dies könne "nicht akzeptiert" werden.
Für Die Die Linke stellte Katrin Werner klar, dass es derzeit an inklusiver Infrastruktur mangele: So fehlten etwa drei Millionen barrierefreie Wohnungen, nur jede dritte Arztpraxis sei für Rollstuhfahrer zugänglich. Es existiere eine "Landschaft von Sonderwelten".
Ihre Kollegin Sabine Zimmermann kritisierte, dass viele Unternehmen sich von der Pflicht, behinderte Arbeitnehmer zu beschäftigen, freikaufen würden – damit sei es für Menschen mit Behinderungen "fast unmöglich, einen Job zu finden". Ihre Lage auf dem Arbeitsmarkt sei "ein Trauerspiel". (suk/04.04.2014)