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In der Bundeswehr gilt zukünftig die 41-Stunden-Woche – zumindest im Regelbetrieb. Ausnahmen sollen nur erlaubt sein, um den Dienstbetrieb und die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte aufrechtzuerhalten. Dies sieht das von Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) vorgelegte Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz (18/3697) vor, das der Bundestag am Donnerstag, 26. Februar 2015, in einer durch den Verteidigungsausschuss geänderten Fassung (18/4119) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen das Votum der Linksfraktion verabschiedet hat. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich der Stimme. Mit dem Gesetz will Ministerin von der Leyen die Streitkräfte im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um geeigneten Nachwuchs besser positionieren. Die Bundeswehr benötige sowohl im Grundbetrieb als auch bei ihren weltweiten Einsätzen „qualifizierte, motivierte und belastbare“ Soldaten, heißt es in der Gesetzesvorlage. Das Gesetzespaket sieht eine Reihe von Verbesserungen in den Bereichen Arbeitszeiten, Besoldung, Beförderungen und soziale Absicherung der Soldaten vor.
So werden neben der Einführung der 41-Stunden-Woche die Möglichkeiten für Teilzeitbeschäftigungen nach dem Vorbild des öffentlichen Dienstes ausgebaut. Mit diesen Regelungen soll vor allem die Vereinbarkeit von Dienst, Familienleben und Freizeit erleichtert werden. Um vor allem dringend benötigtes, hochqualifiziertes Personal für die Streitkräfte zu gewinnen, wird ein Personalbindungszuschlag für Zeit- und Berufssoldaten eingeführt.
Dieser Zuschlag soll bis zu vier Jahre lang in Höhe von 20 Prozent des ersten Grundgehaltes gezahlt werden – entweder in Form eines monatlichen Zuschlags oder als Einmalzahlung. Damit sollen Personalengpässe in Verwendungsbereichen, die über sechs Monate lang ihre Sollstärke nur zu 90 Prozent erreichen, schneller beseitigt werden.
Erhöht werden soll neben dem Wehrsoldtagessatz um zwei Euro zudem die Erschwernis- und Stellenzulagen zum Beispiel für Minentaucher, Angehörige des Kommandos Spezialkräfte und Soldaten, die ihren Dienst in Bunkeranlagen leisten. Zudem werden die Beförderungsmöglichkeiten von Mannschaftsdienstgraden durch eine Streichung der Planstellenobergrenzen verbessert.
Verbesserungen sieht das Gesetz auch bei der sozialen Absicherung der Soldaten vor. So erhalten Zeitsoldaten zukünftig eine erhöhte Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Verteidigungsausschuss hatte die ursprünglich geplante Erhöhung der Beitragsbemessungsgrundlage um 15 Prozentpunkte noch einmal auf 20 Prozentpunkte erhöht.
Dies war unter anderem vom Deutschen Bundeswehrverband in einer öffentlichen Anhörung in am 23. Februar gefordert worden. Zudem wird der Stichtag für Entschädigungszahlungen nach dem Einsatzversorgungsgesetz für Soldaten, die in Auslandseinsätzen verletzt wurden, vom 1. Dezember 2002 auf den 1. Juli 1991 vorverlegt.
Der Regierungsentwurf hatte eine Verlegung des Stichtags auf den 1. Juli 1992 vorgesehen. Somit sind auch Schädigungsfälle während Bundeswehreinsätzen im Rahmen der UN-Missionen UNAMIC und UNTAC in Kambodscha durch das Gesetz erfasst. Die Kosten für das Attraktivitätsprogramm beziffert das Verteidigungsministerium auf rund eine Milliarde Euro für die Jahre 2015 bis 2018.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte, lobte das Gesetz als „großen Sprung“, um den Dienst in der Bundeswehr attraktiver zu machen. Der Beruf des Soldaten sei kein Beruf wie jeder andere. Dem müsse der Gesetzgeber Rechnung tragen.
Durch die Aussetzung der Wehrpflicht, kleinere Geburtenjahrgänge und die gestiegenen Belastungen für die Soldaten in den Auslandseinsätzen habe die Bundeswehr größere Schwierigkeiten als früher, geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren.
Bei der Linksfraktion stieß das Gesetz hingegen auf massive Kritik. Deren verteidigungspolitische Sprecherin Christine Buchholz räumte zwar ein, dass ihre Fraktion viele der Verbesserungen für die Soldaten begrüße.
Allerdings sei das Gesetz letztlich darauf zugeschnitten, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in den Auslandseinsätzen zu erhalten. Da die Linksfraktion diese aber ablehnen, könne sie dem Gesetz auch nicht zustimmen.
Der SPD-Verteidigungspolitiker Dr. Fritz Felgentreu warf der Linksfraktion vor, sie wolle gar keine attraktivere Bundeswehr. „Und wer keine attraktivere Bundeswehr will, der will gar keine Bundeswehr.“ Felgentreu verwies darauf, dass der Verteidigungsausschuss den ursprünglichen Gesetzentwurf an einigen Stellen im Sinne der Soldaten nachgebessert habe.
Er kündigte an, dass auch die vom Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus geforderte Wahlmöglichkeit zwischen Trennungsgeld und Umzugskostenbeihilfe für versetzte Soldaten umgesetzt werden soll. Die Koalition werde an einer entsprechenden Lösung arbeiten.
Diese fehlende Wahlmöglichkeit war auch eine der Gründe für die Stimmenthaltung der Grünen. Der Verteidigungspolitiker Dr. Tobias Lindner machte deutlich, dass seine Fraktion viele der Maßnahmen begrüße. Aber das Gesetz gehe an einigen Punkten nicht weit genug. „Man muss das Gesetz nicht verdammen, aber eben auch nicht in den Himmel loben“, sagte Lindner.
Die Grünen monieren zudem, dass das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf nicht auf Angehörige der Bundeswehr ausgedehnt werde. Ein entsprechender Entschließungsantrag der Grünen (18/4121) wurde mit der Stimmenmehrheit der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Linken jedoch abgelehnt. (aw/26.02.2015)