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Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, 19. März 2015, weitere Konsequenzen aus der Terrorserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gezogen. Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD verabschiedete er in zweiter und dritter Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/3007). Bündnis 90/Die Grünen und Die Linken enthielten sich.
Mit dem Gesetz wird zum einen eine Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses umgesetzt. So soll künftig der Generalbundesanwalt schneller Ermittlungen übernehmen können. So sollen zum Beispiel Staatsanwaltschaften der Länder bei Anhaltspunkten, die für eine Zuständigkeit der Generalbundesanwaltschaft sprechen, zur Vorlage des Vorgangs verpflichtet werden.
Darüber hinaus soll künftig schon der objektiv staatsschutzfeindliche Charakter einer Tat ausreichen, um eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts zu begründen. Bisher musste auch eine subjektiv staatsschutzfeindliche Zielvorstellung des Täters nachgewiesen werden.
Zum anderen wird mit dem Gesetz der Katalog der Strafzumessungsumstände im Paragrafen 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches (StGB) erweitert. Künftig wird dort explizit ausgeführt, dass „rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende“ Motive bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigen sind.
Wie auch schon bei den vorhergegangenen Debatten im Plenum und Ausschuss waren sich die Fraktionen hinsichtlich des Generalbundesanwalts einig. Es handle sich um eine „wichtige Änderung, die wir umsetzen müssen, wenn wir verhindern wollen, dass solche Terrorserien in Deutschland möglich sind“, sagte Dr. Johannes Fechner (SPD).
Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die Änderungen als einen „wichtigen Schritt“, der aber weitergehen hätte können. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) hingegen betonte, dass der Bund in dieser Frage zurückhaltend zu handeln habe, um nicht die grundsätzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Frage zu stellen. „Die vorgeschlagene Erweiterung und Klarstellung wird diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht“, sagte Ullrich.
Uneinigkeit herrschte zwischen Opposition und Regierungskoalition bei der Änderung des Strafgesetzbuches. Fechner sagte, die Erweiterung sei sinnvoll. Zwar könnten Richter und Staatsanwälte schon jetzt rassistische und ähnliche Motivlagen berücksichtigen, die ausdrückliche Nennung im Gesetz verdeutliche aber die Rechtslage, argumentierte der Sozialdemokrat. Diese Änderung sei nicht konkret vom NSU-Untersuchungsausschuss gefordert worden, sagte auch Ullrich. Mit der Änderung des StGB setze die wehrhafte Demokratie aber ein „klares Zeichen“ gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus.
Beck wiederum bezeichnete die Änderung im StGB als „schlechte Symbolpolitik“. Der Änderung bedürfe es überhaupt nicht und die Kriterien seien willkürlich gewählt. Zudem sei der Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ problematisch. Er übernehme die „Täterperspektive“, sagte Beck.
Ähnlich äußerte sich auch Halina Wawzyniak (Die Linke). Die Regelung sei eigentlich „überflüssig“. Wawzyniak betonte zudem, dass „mehr als eine rechtspolitische Debatte“ geführt werden müsse. Auch der institutionelle Rassismus sollte angegangen werden. So müssten zum Beispiel zivilgesellschaftliche Initiativen stärker gefördert werden.
Wawzyniak forderte „gerade in Zeiten von Pegida“ ein klares Signal. Das lieferte sich auch gleich selbst. „Alle Rassisten sind Arschlöcher! Überall!“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Linken. Eine Wortwahl, die bei einigen Abgeordneten der CDU/CSU für Unmut sorgte, und Wawzyniak einen Hinweis von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) einbrachte, doch auf eine „parlamentarische Ausdrucksweise“ zu achten.
Einen Antrag der Grünen (18/3150), der die Bundesregierung auffordert, Hasskriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen, lehnte der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD ab. (scr/19.03.2015)