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Die Pläne der Bundesregierung, die umstrittene Erdgas-Fördermethode Fracking auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen, haben am Donnerstag, 7. Mai 2015, im Bundestag zu einer kontroversen Debatte geführt.
Während die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen die vorliegenden zwei Gesetzentwürfe (18/4713, 18/4714) als „Fracking-Ermöglichungsgesetze“ geißelten, betonte Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD), die geplanten Neureglungen im Wasserhaushaltsgesetz und im Bergbaurecht schafften neue Rechtssicherheit zum Schutz des Grundwassers und der Gesundheit der Bürger. Doch auch aus der Koalition selbst kam Kritik. So urteilte der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt, die Gesetzentwürfe seien „weit davon entfernt, perfekt zu sein“. Er mahnte im Verlauf der parlamentarischen Beratungen deutliche Verschärfungen an. Unter anderem müsse es künftig ein Verpressverbot für nicht aufbereitetes Lagerstättenwasser geben.
Die jeweils vom Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium verantworteten Vorlagen sehen für die in Deutschland bereits seit Jahrzehnten praktizierte Förderung von konventionellem Erdgas strenge Auflagen vor. So soll die Förderung beispielsweise in Wasserschutzgebieten und in der Nähe von Trinkwasserentnahmestellen verboten werden.
Außerdem sollen grundsätzlich nur Gemische als Frack-Flüssigkeit verwendet werden, die als nicht oder nur schwach wassergefährdend gelten. Außerdem soll die Position Betroffener von möglichen Bergschäden gestärkt werden. Es sollen nicht wie bisher betroffene Bürger nachweisen müssen, dass Risse in den Wänden und andere Schäden, auf Frack-Aktivitäten zurückzuführen sind, sondern die Unternehmen. Außerdem will die Bundesregierung eine Pflicht zu einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Pflicht) einführen.
Die besonders umstrittene Förderung von Schiefergas, die in Deutschland bislang wegen unzureichender Kenntnisse über die Risiken nicht praktiziert wird, soll grundsätzlich verboten werden. Um jedoch mehr Erfahrungen über die Auswirkungen auf Natur und Untergrund sammeln zu können, sollen wissenschaftlich begleitete Probebohrungen oberhalb von 3.000 Metern Tiefe möglich sein.
Eine unabhängige Expertenkommission soll dazu in den kommenden drei Jahren Erfahrungsberichte erstellen. Frühestens Ende 2018 könnte die kommerzielle Förderung von Schiefergas dann möglich sein, vorausgesetzt die Experten stufen die Technologie als unbedenklich ein und das zuständige Landesbergbauamt erteilt in Einvernehmen mit den Wasserbehörden eine Genehmigung.
Hendricks betonte in der rund zweistündigen Debatte, die Gesetze beendeten nach vielen Jahren einen Zustand, in dem das Fracking auf einer unzureichenden Rechtsgrundlage gestanden habe. Jetzt würden zum Schutz der Bürger „sehr enge Grenzen“ für die Anwendung gezogen. Die Ministerin zeigte sich jedoch offen für weitergehende Vorschläge und forderte das Parlament auf, seinen Einfluss in den kommenden Wochen geltend zu machen.
Auf Unverständnis insbesondere bei den Grünen stieß Hendricks mit ihrer Äußerung, Deutschland brauche keine neuen fossilen Energiequellen, die Zukunft gehöre den Erneuerbaren Energien. Sie zweifle daher daran, dass „wir diese Technik unter Energiegesichtspunkten brauchen“.
Der energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Oliver Krischer, bezeichnete dies als „allergrößten Witz“. Wenn die Umweltministerin selbst Fracking als energiepolitisch bedeutungslos einstufe, „warum beschäftigen wir uns dann mit diesem Unsinn?“, fragte er. Er forderte Hendricks auf, den zahlreichen Bürgern und Bundesländern, zu folgen, die Fracking ablehnten, und die Technologie gänzlich zu verbieten.
Seine Fraktionskollegin Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Dei Grünen) urteilte: „Fracking bedeutet Gift für die Böden, Gift im Wasser und Gift in der Atmosphäre“ und habe in einer „zukunftsfähigen, enkeltauglichen Energieversorgung nichts verloren“. Die Neuregelungen ermöglichten trotz der Ausweitung der Tabuzonen Fracking auf zwei Dritteln der deutschen Landesfläche. Dies sei in einem Jahr, in dem am Ende in Paris ein neuer Weltklimavertrag verabschiedet werden solle, ein „ein fatales Signal“.
Die Linksfraktion fordert in einem Antrag (18/4810) ebenfalls ein ausnahmsloses Fracking-Verbot in Deutschland. Hubertus Zdebel (Die Linke) kritisierte die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung scharf: „Fracking ist eine Gefahr für Mensch und Natur“, denn es verunreinige das Grund- und Trinkwasser durch Chemikalien, aufsteigendes Methan und Lagerstättenwasser. Es könne Erdbeben hervorrufen und weise zudem eine „miserable“ Klimabilanz auf.
Ähnlich wie bei der Atomenergie sei daher mit hohen Folgekosten zu rechnen. In den erlaubten Probebohrungen oberhalb von 3.000 Metern sieht Zdebel einen ersten Schritt zur kommerziellen Nutzung. „Ab Ende 2018 könnten sämtliche Arten von Erdgaslagerstätten in allen Tiefen durch Fracking erschlossen werden“, und dies gegen den erklärten Willen der Bevölkerung, warnte der Linken-Politiker.
Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) konterte, der Wasserschutz und die Gesundheit der Bevölkerung hätten absolute Priorität. Jedoch dürfe es in der keine Denk- und Technologieverbote in Deutschland geben. „Wenn wir Gas in Deutschland haben, sind wir gut beraten, zu überlegen, ob wir diese Potenziale in Zukunft nutzen wollen.“ Allein durch die Förderung der 1,3 Milliarden Kubikmeter Schiefergas-Reserven könne Deutschland 13 Jahre lang eine Vollversorgung mit heimischen Quellen sicherstellen, gab Pfeiffer zu bedenken. Zuvor sei es jedoch erforderlich, wissenschaftlich zu erforschen, ob Fracking in Schiefergestein unbedenklich und möglich ist.
Die Expertenkommission, versicherte der Unionsabgeordnete, werde am Ende nicht entscheiden, ob Schiefergas kommerziell gefördert werde oder nicht, sondern dafür sei ein Genehmigungsverfahren nach Bergrecht erforderlich. Pfeiffer betonte: „Wir nehmen die Ängste der Bürger ernst. Aber wir wollen versuchen, sie objektivierbar zu machen.“
Die geplante sechsköpfige Expertenkommission werteten Abgeordnete aus allen Bundestagsfraktionen kritisch. So schimpfte Hubertus Zdebel, es sei „ein Skandal“, dass darin die Zivilgesellschaft nicht vertreten sei.
Eva Bulling-Schröter (Die Linke) kritisierte, dass in der Kommission mehrheitlich Fracking-Befürworter sitzen sollen. Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) verwies darauf, dass sich Experten schon häufiger geirrt hätten, etwa bei der Risikobeurteilung des Atommülllagers Asse.
Frank Schwabe (SPD) und Matthias Miersch (SPD) forderte wie auch ihr Unionskollege Andreas Mattfeldt die Entscheidung über die kommerzielle Nutzung von Schiefergas-Fracking in Deutschland unter Parlamentsvorbehalt zu stellen. „Der Bundestag muss die letzte Instanz sein“, betonte Miersch, und Schwabe mahnte: „Wir können unsere Verantwortung nicht an der Garderobe des Parlaments abgeben.“
Andreas Mattfeldt warnte vor einem „Genehmigungsautomatismus“ nach Abschluss der Erprobungen. Er erwarte daher die Verankerung eines Parlamentsvorbehalts im Gesetz. Georg Nüßlein (CDU/CSU) lehnte diese Forderungen ab. „Wir sind nicht die besseren Experten im Bundestag.“ Nicht der Bundestag solle am Schluss genehmigen, sondern die Fachbehörden vor Ort.
Die Gesetzentwürfe sowie der Antrag der Linksfraktion wurden im Anschluss an die Debatte an die jeweils zuständigen Ausschüsse für Umwelt und Wirtschaft überwiesen.
Mit den Stimmen der Koalitionsfraktion abgelehnt wurde ein Antrag (18/1124) der Grünen-Fraktion, indem diese eine Reform des Bundesberggesetz und weiterer Regelungen gefordert hatte, mit dem Ziel, den Umweltschutz und die Rechte der vom Bergbau Betroffenen zu stärken. Der Bundestag will noch vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause die Neuregelungen zum Fracking beschließen. (joh/07.05.2015)