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Sowohl die Oppositionsfraktionen als auch die SPD-Fraktion sprechen sich bei der Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern für die Ausweitung des sogenannten „Bremer Modells“ auf Flächenländer aus. Das wurde der während der Beratung eines Antrags der Fraktion Die Linke (18/5370) am Donnerstag, 2. Juli 2015, deutlich.
Das Bremer Modell – praktiziert in den Ländern Bremen und Hamburg – sieht vor, dass Asylbewerber mit einer Gesundheitskarte ausgestattet werden und so unbürokratisch zum Arzt gehen können. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten Leistungsberechtigte hingegen grundsätzlich nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft eine medizinische Versorgung.
Die derzeitige Situation sei ein Verstoß gegen die Menschenrechte, sagte Harald Weinberg (Die Linke). Deutschland sei menschenrechtliche Verpflichtungen eingegangen, wozu auch die gesundheitliche Versorgung von Asylbewerbern gehöre, befand Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen). Sie unterschreibe sofort die Forderung nach Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge, machte Hilde Mattheis (SPD) deutlich. Andrea Lindholz (CDU/CSU) warnte hingegen, eine solche Karte wäre eine Einladung für jeden, „sich in Deutschland umsonst behandeln zu lassen“.
Flüchtlinge hätten das Anrecht auf menschenwürdige Behandlung, sagte Harald Weinberg. „Daher sollten ihnen auch die gleichen medizinischen Leistungen zustehen, wie gesetzlich Versicherten“, forderte der Linken-Abgeordnete. Schließlich seien die Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin auf das Notwendigste beschränkt, was auch für Flüchtlingen gelten müsse, die daher eine Gesundheitskarte erhalten sollten. Die Erfahrungen in Bremen, so Weinberg weiter, zeigten im Übrigen, dass dies am Ende wenig koste, da die Verwaltungsgebühren für das aufwendige Genehmigungsverfahren für die medizinischen Behandlungen entfielen.
Andrea Lindholz räumte ein, dass das derzeitige Verfahren einen hohen bürokratischen Aufwand mit sich bringe. Dennoch sei sowohl die Gesundheitskarte als auch die von der Linksfraktion geforderte Gleichstellung der Asylbewerber mit den gesetzlich Versicherten nach dreimonatiger Aufenthaltsdauer in Deutschland abzulehnen. Die Unionsabgeordnete verwies auf die stetig ansteigende Zahl an Asylbewerbern von denen mehr als die Hälfte aus dem West-Balkan stammten und deren Anträge fast immer abgelehnt würden.
„Asyl ist nur für den Flüchtlingsschutz gedacht“, betonte Lindholz. Gebraucht werde ein Asylrecht, das Fehlanreize vermeide und nicht zusätzliche Erwartungen wecke. Dazu gehöre auch, dass die Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber schnell durchgesetzt werden müsse. „Wenn ihr Antrag umgesetzt würde, würden die Asylzahlen in erheblichem Umfang steigen“, sagte sie an die Linksfraktion gewandt.
Maria Klein-Schmeink warf Lindholz vor, in menschenverachtender Art und Weise von der gesundheitlichen Versorgung der Flüchtlinge zu reden. Zugleich verwies die Grünen-Abgeordnete auf eine Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Menschenrechte auch aus migrationspolitischen Erwägungen nicht zu relativieren seien. Von einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge, so zeigte sie sich überzeugt, würden alle profitieren. Länder und Kommunen würden von dem immensen Verwaltungsaufwand entlastet, sagte sie.
Dem Bundesgesundheitsministerium warf sie in dieser Frage „Versagen auf das ganzen Linie“ vor. Seit November 2014 gebe es die Verpflichtung, „eine Regelung zu schaffen, die es den Ländern ermöglicht, eine Gesundheitskarte einführen zu können“. Das diese noch immer nicht vorliege, sei schäbig, befand Klein-Schmeink.
Auch Hilde Mattheis wandte sich gegen die Sichtweise ihrer Koalitionskollegin Lindholz. „Das ist nicht unser Ansatz“, sagte die SPD-Abgeordnete. Mattheis kündigte an, dass bis Herbst eine Richtlinie zur Einführung der Gesundheitskarte nach dem „Bremer Modell“ vorliegen werde.
„Dann kann das auch in den Flächenländern möglich sein“, betonte sie. Die SPD-Abgeordnete zeigte sich zudem überzeugt davon, dass der Bund die Länder nicht nur bei den Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen sondern auch bei den Kosten der Versorgung – medizinischer oder auch anderer Art- unterstützen müsse. (hau/02-07.2015)