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Gegen die Stimmen der Opposition hat der Bundestag am Donnerstag, 5. November 2015, die umstrittene Krankenhausreform beschlossen. Das Krankenhausstrukturgesetz (18/5372; 18/6586) soll mehr Behandlungsqualität und Versorgungssicherheit bringen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte im Dezember 2014 Eckpunkte für eine Klinikreform vorgelegt. Nach harscher Expertenkritik wurde die Vorlage zuletzt im parlamentarischen Verfahren noch an wesentlichen Stellen überarbeitet.
Qualität ist künftig zentrales Kriterium bei der Krankenhausplanung. Auch die Krankenhausvergütung soll sich daran orientieren. So werden Zuschläge gewährt für gute Qualität, Abschläge drohen hingegen bei Qualitätsmängeln. Die Qualitätsberichte der Kliniken sollen für Patienten zugänglicher und verständlicher werden. Auch die Pflege in Kliniken soll sich verbessern. Aufgelegt wird ein Förderprogramm für Pflegestellen im Volumen von insgesamt bis zu 660 Millionen Euro in den Jahren 2016 bis 2018. Ab 2019 sollen dauerhaft 330 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stehen. Auf diese Weise werden voraussichtlich 6.350 neue Stellen geschaffen, die nur der ,,Pflege am Bett" dienen.
Als Ersatz für den wegfallenden Versorgungszuschlag wird ein Pflegezuschlag in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr gewährt, der dazu dienen soll, mehr Pflegepersonal einzustellen. Außerdem ist ein Ausgleich für steigende Lohnkosten infolge von Tarifanpassungen vorgesehen. Das Hygieneförderprogramm wird ausgebaut, sodass mehr Hygienefachkräfte eingestellt und ausgebildet werden können. Zudem wird die Notfallversorgung der Kliniken gestärkt.
Um den für die Krankenhausplanung und Investitionen zuständigen Bundesländern mehr Mittel an die Hand zu geben, wird ein Strukturfonds in Höhe von 500 Millionen Euro aufgelegt, gespeist aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Die Länder sollen einen Beitrag in gleicher Höhe beisteuern, sodass insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung stünden. Die Mittel sollen den Krankenhäusern zusätzlich zur Investitionsförderung zugutekommen.
Kliniken sollen sich künftig stärker spezialisieren, einige Häuser werden womöglich für andere Aufgaben ganz umgewidmet oder geschlossen. Nach Angaben des Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sind rund 40 Prozent der Krankenhäuser defizitär. Viele Kliniken leiden unter hohen Personalkostenbelastungen, unterfinanzierten Notfallambulanzen und einem Investitionsstau in Milliardenhöhe.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) versprach in der Schlussdebatte, Gewinner der Reform seien die Patienten, die unter anderem von der Stärkung der Pflege auf den Stationen profitierten. Den Kliniken würden Anreize gegeben für eine dauerhafte Beschäftigung von mehr Pflegepersonal. Auch die Refinanzierung der Tarifkosten im Krankenhaus sei ein wichtiges Signal. Zudem würden die ambulante und stationäre Notfallversorgung besser miteinander verzahnt und die Notfallhilfe in den Kliniken fairer vergütet. Das Hygieneförderprogramm sei gleichfalls ein wichtiger Schritt für mehr Qualität im Krankenhaus.
Die Länder würden mit den Mitteln aus dem Strukturfonds dazu ermutigt, Überkapazitäten abzubauen und Häuser umzubauen. Gröhe lobte die Zusammenarbeit mit den Bundesländern und versicherte, diese hätten sich zu angemessenen Investitionen in die Krankenhäuser bekannt. "Da werden wir sie beim Wort nehmen", fügte der Minister hinzu.
Die Opposition hält die Reform für völlig unzureichend, vor allem was den Pflegenotstand betrifft und den Investitionsrückstau, der von den Ländern verursacht ist. Harald Weinberg (Die Linke) schilderte in der Debatte eine typische Nachtschicht-Situation in einer Klinik, wo in einer Station mit vielen Pflegbedürftigen kaum überhaupt Personal bereitstehe.
Der Pflegenotstand sei eine Gefährdung für Patienten und Personal. Das Problem werde mit dem Gesetz nicht gelöst, da das Pflegestellenprogramm maximal 6.500 zusätzliche Stellen bringe. Es fehlten aber nach Expertenschätzungen 70.000 bis 100.000 Stellen. Immerhin habe sich der geballte Protest der Betroffenen gegen das Gesetz gelohnt, da nun mehr Mittel in die Kliniken flössen.
Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) begründete die Ablehnung seiner Fraktion unter anderem mit der ungelösten Investitionsfrage. Mit dem Gesetz werde kein Schritt zur Lösung der Investitionsfinanzierung getan. Das sei ein schweres Versäumnis.
Die Grünen plädieren für eine gemeinsame Investitionsfinanzierung von Bund und Ländern, um die Häuser angemessen auszustatten. Terpe rügte auch die nach wie vor unzureichende Personalausstattung in der Pflege und sagte voraus: "Ihr Stopfpilz wird immer zu klein sein."
Union und SPD wiesen die Vorhaltungen der Opposition zurück und erinnerten unter anderem an die in der parlamentarischen Beratung erzielten Verbesserungen. Hilde Mattheis (SPD) sagte, zehn Milliarden Euro mehr zur Finanzierung der Krankenhäuser seien "nicht banal". Daraus ergebe sich die Verpflichtung, das Geld im Sinne der Beitragszahler gut anzulegen.
So laufe das Pflegestellenprogramm über mehrere Jahre, und mit dem Pflegezuschlag würden Anreize gesetzt, in Pflegestellen zu investieren. Es werde auch genau geschaut, welche Wirkung dies entfalte, immerhin handele es sich ja um ein lernendes System. Die SPD-Politikerin fügte hinzu, die zuletzt beschlossenen Reformen im Gesundheitswesen seien insgesamt "ein unglaublicher Schritt zu mehr Versorgungssicherheit".
Lothar Riebsamen (CDU/CSU) räumte ein, dass die Investitionsfinanzierung noch eine "offene Flanke" sei. Daher appelliere er an die Länder, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Er betonte: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, die Länder noch nicht."
Anträge der Opposition zur Entwicklung der Krankenhäuser fanden keine Mehrheit. So forderte Die Linke in einem Antrag (18/5369), eine Personalbedarfsermittlung gesetzlich zu verankern, um eine hochwertige Pflege und Versorgung in den Kliniken sicherzustellen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangte in ihrem Antrag (18/5381), die Krankenkassen an der Investitionsfinanzierung und Krankenhausplanung zu beteiligen. (pk/05.11.2015)