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Die Bewältigung des starken Flüchtlingszuzugs nach Deutschland sorgt im Bundestag weiter für scharfe Kontroversen. Während die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD am Freitag, 19. Februar 2016, im Parlament ihr „Asylpaket II“ nachdrücklich gegen die Kritik der Opposition verteidigten, lehnte die Opposition das Gesetzesvorhaben entschieden ab.
Mit dem Gesetzentwurf zum „Asylpaket II“ (18/7538), über den der Bundestag in erster Lesung debattierte, will die Koalition für bestimmte Asylbewerber wie etwa Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten ein beschleunigtes Verfahren einführen. Diese Asylbewerber sollen der Vorlage zufolge in besonderen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden können und ihre Verfahren innerhalb von maximal drei Wochen durchgeführt werden. Für die Dauer des Verfahrens und im Fall einer Einstellung oder Ablehnung auch bis zur Ausreise oder Rückführung soll ihr Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde begrenzt werden, in dem die zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt.
Ferner sollen dem Entwurf zufolge "Abschiebungshindernisse aus vermeintlich gesundheitlichen Gründen" abgebaut werden. Darüber hinaus soll unter anderem der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre ausgesetzt werden.
Ebenfalls in erster Lesung debattierte das Parlament über einen weiteren Gesetzentwurf der Koalition zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern (18/7537). Ziel dieser Vorlage ist es zudem, Asylsuchenden, die Straftaten begehen, konsequenter die Anerkennung als Flüchtling zu versagen. Danach soll das Interesse des Staates an einer Ausweisung künftig bereits dann schwer wiegen, wenn ein Ausländer wegen Straftaten "gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum" oder wegen Widerstand gegen Polizisten zu einer Freiheitsstrafe - auch auf Bewährung - verurteilt worden ist und die Tat mit Gewalt oder List oder unter Androhung von Gefahr für Leib oder Leben begangen wurde. Beträgt die Freiheitsstrafe für solche Taten - unabhängig ob zur Bewährung ausgesetzt oder nicht - mindestens ein Jahr, soll das Ausweisungsinteresse als "besonders schwerwiegend" gewichtet werden. Asylsuchenden soll bei einer solchen Verurteilung zur einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr die Rechtsstellung als Flüchtling versagt werden können, weil sie wegen der begangenen Delikte eine "Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten".
Erstmals auf der Tagesordnung des Parlaments stand ferner ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Stärkung der Rechte von Kindern im Asylverfahren (18/7549). Darin kritisiert es die Fraktion als "unverantwortlich, den Eltern- und Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz zwei Jahre auszusetzen".
In der Debatte nannte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) die Einschränkung beim Familiennachzug, die auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll, „hart“, aber notwendig, um eine Überlastung der Aufnahmesysteme in Deutschland zu verhindern. Man wolle nicht, „dass Eltern ihre Kinder vorschicken, teilweise einer Lebensgefahr aussetzen, um anschließend selbst nachzukommen“. Härtefälle werde man aber weiterhin besonders berücksichtigen. Auch werde nun geregelt, dass es für eine Abschiebung „eine solide medizinische Versorgung im Zielstaat geben“ müsse, aber nicht das hohe Niveau der medizinischen Versorgung in Deutschland. Beide Gesetzentwürfe stellten eine Verschärfung des Asylrechts dar, die nötig und angemessen sei.
Der Ressortchef versicherte zugleich, dass man weiterhin für einen „europäischen Weg aus der Flüchtlingskrise kämpfen“ werde, solange er auch bei der Verringerung der Flüchtlingszahlen Erfolg verspreche. Es liege im Interesse Deutschlands, „so lange wie möglich an Schengen festzuhalten. Das heißt: Schutz der Außengrenzen und möglichst wenig Kontrollen innerhalb Europas“, sagte de Maizière. Falls aber „einige Länder versuchen sollten, das gemeinsame Problem einseitig und zusätzlich auf dem Rücken Deutschlands zu verlagern, so wäre das inakzeptabel und würde von uns auf Dauer nicht ohne Folgen hingenommen“, fügte er hinzu.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, die beiden Gesetzesentwürfe stärkten die Handlungsfähigkeit des Staates. Man stelle sicher, dass die Behörden die Aufnahme der Flüchtlinge besser als bisher bewältigen könnten.
Mit dem Gesetzentwurf zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern reagiere man auch auf die Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln. Damit sende man die „klare Botschaft“, dass in Deutschland kein Platz für solche Migranten ist, die den hier gewährten Schutz ausnutzen, „um schwere Straftaten zu begehen“.
Für die Fraktion Die Linke warf ihr Vorsitzender Dietmar Bartsch der Koalition vor, nur mit Gesetzesverschärfungen auf die Probleme zu reagieren. Es sei rechtswidrig, die Zuzugsbedingungen für Angehörige unbegleiteter Minderjähriger zu verschärfen, vor allem aber sei dies unchristlich und unmoralisch.
„Jedes Flüchtlingskind in Deutschland, das auf seine Eltern wartet, ist ein humanitärer Härtefall“, betonte Bartsch.
Der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Konstantin von Notz, kritisierte, der Gesetzentwurf zum Asylpaket II sei voraussichtlich verfassungswidrig, gehe an den tatsächlichen Problemen vorbei und leiste Populismus und Ressentiments Vorschub.
Die Einschränkung beim Familiennachzug nannte Notz „zynisch“ und „schäbig“. Dies werde „noch mehr Frauen und Kinder auf die Schlauchboote treiben“.
SPD-Fraktionsvize Eva Högl wertete die beschleunigten Verfahren als „Kernpunkt des Asylpakets II“. Schnelle Entscheidungen seien nicht das „Ende unserer Willkommenskultur“, sondern deren Voraussetzung.
Zu den Einschränkungen beim Familiennachzug sagte Högl, dies sei ihrer Fraktion schwergefallen. Man habe aber eine maßvolle Regelung gefunden. Nun müsse man die Neuregelungen wirken lassen und als nächste Schritte ein „gutes Integrationskonzept“ erarbeiten.
Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl (CDU/CSU) sagte, die Gesetzentwürfe seien ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Reduzierung des Flüchtlingszuzugs. Notwendig sei, konsequent zu unterscheiden zwischen den Schutzbedürftigen und „denen, die offensichtlich nicht schutzbedürftig sind und deswegen auch möglichst unverzüglich wieder in ihrer Heimat zurückkehren müssen“.
Die Einschränkungen beim Familiennachzug seien „unvermeidlich“. Sie erfolgten nicht aus Hartherzigkeit, sondern aus der „Einsicht in die Grenzen unserer Möglichkeiten“. (sto/19.02.2016)