Navigationspfad: Startseite > Kultur & Geschichte > Kunst im Bundestag > Künstler
Hans Peter Adamski: Der Gordische Knoten © DBT/Erfurt
In Haus 6 des Jakob-Kaiser-Hauses, gebaut von »de Architekten Cie«, hat Hans Peter Adamski die Brandwand eines alle Etagen durchlaufenden Lichtschachtes von mehr als 21 Metern Höhe künstlerisch gestaltet. Der einst zu der Kölner Gruppe »Mülheimer Freiheit«, einer Gruppe der »Neuen Wilden« (deren Name sich ableitet von den »Fauves« zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Paris) gehörige Adamski läßt ein scherenschnittartiges, in sich gedrehtes Band in fünf übereinander lagernden Variationen jeweils quer über die Wand laufen und spielt dabei mit der optischen Illusion von Räumlichkeit.
Adamski begründete 1979 zusammen mit Peter Bömmels, Walter Dahn, Georg Dokoupil, Gerhard Kever und Gerd Naschberger die Gruppe »Mülheimer Freiheit« mit ihrem Domizil in einem Hinterhofatelier an der gleichnamigen Straße in Köln- Mülheim. Die Gruppe fand rasch überregional Anerkennung. Vergleichbare Gruppen entstanden in Berlin (Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé, Bernd Zimmer) und Düsseldorf (Albert und Markus Oehlen, Martin Kippenberger). Mit unbekümmerter Malfreude wandten sich die »Jungen Wilden« gegen die damals vorherrschende konzeptionelle und minimalistische Kunst, ließen sich von der neuen Musikszene inspirieren und erhoben die Stillosigkeit, die Verneinung von Dogmen und Theorien zum neuen Kunstprinzip. Adamski widmete damals – als Zeichen des Protestes und der Selbstbehauptung gegenüber den »Säulenheiligen« der Kunstkritik – einem der Hauptvertreter des Minimalismus ironisch-provokativ das »Abendmahl für Donald Judd« (1980). Die neue Freiheit fand ihren Ausdruck im Nebeneinander unterschiedlicher Stile, in der unbekümmerten Verwendung und Vermischung von Anleihen aus verschiedenen Epochen der Kunst und der Populärkultur und in einer bewusst antibürgerlichen Haltung.
Adamskis Arbeiten lassen neben der Freude am ironischen Zitat vor allem neoexpressive Tendenzen erkennen, sei es in roh bearbeiteten Holzskulpturen oder in holzschnittartigen Jute-Bildern. Seine für ihn charakteristischen Scherenschnitt-Arbeiten wiederum greifen auf eine alte und als Mittel der Populärkultur wenig geachtete Technik zurück. Sie sind eher Schattenrisse als Scherenschnitte, die durch ausgerissene Konturen deutlich die Handschrift des Künstlers erkennen lassen. So gewinnen die Schattenrisse durch solche Arbeitsspuren eine starke Expressivität. Adamski spielt die Möglichkeiten des im 18. Jahrhundert entwickelten Scherenschnittes durch, lässt Positiv- und Negativ-Gestaltung wechseln, färbt die Papierarbeiten ein oder überträgt sie auf Holz. Besonders fasziniert ihn die Andeutung von Räumlichkeit, die dem Betrachter Spielräume der Phantasie offenlässt.
Dem Wandgemälde im Jakob-Kaiser-Haus liegt der Scherenschnitt eines abstrakten geometrischen Gebildes zugrunde. Dieser »gordische Knoten« ist 4 x 15 Meter lang und wurde mit Hilfe von 90 Schablonen mehrfach auf die Wand übertragen. Wie Rauch steigt das erste graue Gebilde aus dem Boden des Lichtschachtes schemenhaft auf, verkörpert sich blassviolettfarben, verdichtet sich auf der Höhe des 1. Obergeschosses zu einer klar konturierten Positivform eines schwarzen Knäuels und löst sich in zwei weiteren nach oben wegsteigenden Gebilden, Positiv und Negativ wieder vertauschend, erneut in Violett und Grau auf. Das zwischen Räumlichkeit und Flächigkeit, zwischen Abbild und abstrakter geometrischer Form changierende Wandgemälde weckt vielfältige Assoziationen: Ist es ein »gordischer Knoten«, den zu lösen den Abgeordneten im Jakob-Kaiser-Haus aufgegeben ist?
Wie schrieb die Süddeutsche Zeitung ironisch: »Das Leben der Mächtigen stellt man sich am besten als permanenten Ausnahmezustand vor, als unaufhörliches Bohren dicker Bretter und Zerschlagen gordischer Knoten, dem schlaflose Nächte aus Sorge ums Vaterland folgen.« (10.8.2007)
Sind es die Wirrungen und Irrungen der deutsch-deutschen Geschichte, die in einem solchen Knoten symbolhaft interpretiert werden? Handelt es sich um einen überdimensionierten Stempeldruck, der die Arbeit in den gegenüberliegenden Büros widerspiegelt? Oder ist es der Schattenwurf eines verworrenen Knäuels von Filmstreifen aus einem Film, dessen Drehbuch sich unsere Phantasie nur unvollkommen ausmalen kann? Adamski liebt es, solche Bilderrätsel aufzugeben, durch isolierte Filmstills (d.i. ein »eingefrorenes« Einzelbild aus einem Film) Geschichten anzudeuten, deren Anfang und Ende wir selber finden müssen: Er ziehe, hat Adamski selbst erläutert, konträre Bedeutungsebenen so zusammen, dass sie einen codierten, nicht auf Anhieb entschlüsselbaren Sinn ergeben.
Der Gordische Knoten, 2001, Acrylfarbe auf Putz
Geboren 1947 in Kloster Oesede, Niedersachsen
Text: Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages