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Ellsworth Kelly gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der sog. Hard-Edge-Malerei. Präsident Barack Obama verlieh ihm im Jahre 2013 die National Medal of Arts der Vereinigten Staaten. Dieser Wertschätzung entspricht es, dass der Künstler im Jahre 2008 den zentralen Innenhof der Botschaft der Vereinigten Staaten in Berlin mit der Skulptur „Berlin Totem“, einer 12 Meter hohen Edelstahl-Säule, gestalten durfte. Auch für den Deutschen Bundestag hat Ellsworth Kelly an herausragender Stelle eine Installation geschaffen, und zwar die „Berlin Panels 2000“. Diese vier Aluminium-Objekte setzen an der Westfassade des Paul-Löbe-Hauses ein markantes Zeichen – als klar konturierte Farbfelder in Blau, Schwarz, Rot und Grün.
Ellsworth Kelly gehörte zu der Generation von Künstlern in Amerika, die nach dem Zweiten Weltkrieg neue Wege zu einer von europäischen Traditionen befreiten Kunst suchten. Die „New York School“ begründete mit Malern wie Jackson Pollock, Robert Motherwell, Mark Rothko, Barnett Newmann und Ad Reinhardt sowohl den abstrakten Expressionismus als auch die Farbfeld-Malerei. Ellsworth Kelly, geprägt durch einen sechsjährigen Studienaufenthalt in Frankreich, setzte sich hingegen mit der Abstraktionsentwicklung in Europa auseinander, indem er die Ansätze von Kasimir Malewitsch und Paul Klee, von Constantin Brancusi, Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp aufnahm und daraus sein Konzept der „unpersönlichen Betrachtung der Form“ (E.K.) entwickelte. Er begann mit präzisen linearen Zeichnungen von Pflanzen und entdeckte eines Tages im Museum ein Fenster, das er, auf seine Grundlinien reduziert, als bemaltes Relief im Atelier nachgestaltete. So entstand das für seine Kunst grundlegende Werk „Fenster, Museum of Modern Art, Paris“ (1949). Aus derart in der Alltagswirklichkeit vorgefundenen Fragmenten entwickelte er in der Folge einfache geometrische Großformen – sei es als Leinwände, als Reliefs oder als Skulpturen, mit klar geschnittenen, oft in Form von Kurven gebogenen Kanten und farbkräftigen, monochromen Oberflächen. Diese Objekte beruhen zwar auf Formen, die der Natur entnommen sind, sie werden aber so radikal abstrahiert, dass sie weder Realität abbilden noch Subjektives ausdrücken: Es sind reine, zeichenhafte Form-Farb-Objekte.
Mehrteilige Installationen wie die „Berlin Panels 2000“, setzen sich in dieser Logik aus autonomen Einzelelementen zusammen, die durch die farblich variierte Wiederholung ihre Unabhängigkeit von jeder inhaltlichen Verweisfunktion bestätigen. Zugleich wird die Wand als Träger der Bildelemente Teil der Installation, mithin Teil des „Bildraumes“. Zu dieser Wirkung trägt bei, dass der Betrachter alle vier Elemente immer wieder ins Auge fasst und die Formen der vier Flächen, die Rhomben ähneln, miteinander vergleicht. Sie sehen nahezu identisch aus, tatsächlich aber weichen die Winkel dieser sog. „Diamond Shapes“ geringfügig voneinander ab. Kelly hat die vier Farbfelder in einem tänzerisch eleganten Rhythmus auf der Fassade verteilt, wo sie mit den vorgegebenen Linien der Treppenläufe zu spielen scheinen.
So stimmt seine Installation, in der jedwede „Hierarchie zugunsten einer Demokratie der unbegrenzten Möglichkeiten ausgehebelt“ (Georg Imdahl) wird, auf den freien und wachen Geist des Hauses ein. Betritt man an den „Berlin Panels 2000“ vorbei das Paul-Löbe-Haus, erblickt man vier leuchtende Neongirlanden des französischen Künstlers François Morellet, die unter die Hallendecke gespannt sind: autonome Farb- und Formobjekte, die Ellsworth Kellys Konzept kongenial variieren.
Das Spiel der vier Farbfelder hat Ellsworth Kelly intensiv beschäftigt und ihn zu vergleichbaren, aber ortsbezogen variierten Lösungen geführt. So entwarf er bereits im Jahre 1989 für das Morton H. Meyerson Symphony Center in Dallas die „Dallas Panels (Blue Green Black Red)”. Ihr Hochformat reagiert auf die entsprechende Proportion der Wand, ihre strenge Reihung auf deren geschlossene Materialität. Kellys Konzeption lässt Wand und Bildelemente zu einem Ganzen verschmelzen und öffnet den Raum zum Betrachter. Aber während die „Berlin Panels 2000“ tänzerisch anmuten, lässt die Reihung der steilen Hochformate eher eine feierliche musikalische Stimmung aufkommen – als Auftakt zum Betreten des Konzertsaales angemessen. Wie sehr den Künstler das Durchspielen verschiedener Präsentationsmöglichkeiten faszinierte, erhellen auch die vier Leinwandgemälde „Blue Black Red Green” aus dem Jahre 2000 als Variation zu den „Berlin Panels 2000“.
geboren 1923 in Newburgh, Orange County, New York, gestorben 2015 in Spencertown, New York
Text: Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages