Navigationspfad: Startseite > Der Bundestag > Ausschüsse > Ernährung und Landwirtschaft
Die von der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch im ARD-Magazin Panorama veröffentlichten Bilder von verdreckten, geschwächten Schweinen und verwundeten Puten erreichen den Deutschen Bundestag. In einer Aktuellen Stunde zu dem Thema „Konsequenzen aus Berichten über nicht tragbare Verhältnisse in Tierställen“ haben am Mittwoch, 28. September 2016, die Abgeordneten auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die dokumentierte tierschutzwidrige Haltung von Nutztieren in Ställen von führenden Vertretern der Landwirtschaftsbranche gestritten.
„Das sind nicht die schlechten Ställe von schwarzen Schafen der Branche“, ärgerte sich Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen), als er von den „schrecklichen Bildern aus dem inneren der deutschen Masttierbetriebe“ sprach. Es sei die Spitze der Veredelungswirtschaft betroffen, die in der Öffentlichkeit über Tierwohl philosophiere und zu Hause davon weit entfernt sei. Ostendorff sieht die Schuld in der Landwirtschaftspolitik von Bundesminister Christian Schmidt (CSU) begründet, die dazu führe, dass die Bauern zwischen schlechten Handelspreisen für ihre Produkte und den hohen Erwartungen der Verbraucher aufgerieben würden.
Auch Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) meinte, dass die Union den Bauern einen Bärendienst erweise, wenn die Probleme konstant geleugnet und alles auf einzelne schwarze Schafe geschoben werde. „Die Bilder stammen von Spitzenfunktionären des Standes“, sagte Hofreiter, der nicht daran glauben wollte, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Verbesserung der Verhältnisse beitragen werde. Auch in den Augen Ostendorffs hat die Brancheninitiative „Tierwohl“ an Glaubwürdigkeit verloren, nachdem der Tierschutzbund nicht mehr daran teilnehmen will.
In der Initiative Tierwohl arbeitet der Einzelhandel mit den Landwirten und dem verarbeitenden Gewerbe zusammen. Ziel sei es, Tierhalter besser dafür zu bezahlen, wenn den Tieren mehr Platz, Einstreu oder Beschäftigung während der Aufzucht gewährt wird. Pro verkauftem Kilogramm Fleisch erhält die Initiative vier Cent vom Einzelhandel, die den Tierhaltern für die Umsetzung von Tierwohlmaßnahmen zugute kommen.
Jedoch gab der Deutsche Tierschutzbund vor Kurzem bekannt, die Initiative verlassen zu wollen. Ostendorff quittierte deshalb mit ironischem Unterton die Ankündigung, dass ein staatliches Tierwohlsiegel geplant sei. „Doch wo sind die Vorschläge, denn die ewigen Ankündigungen werden Ihnen nicht mehr abgenommen“, sagte der Grüne in Richtung des Ministers.
Heftige Kritik erntete der Panorama-Beitrag von Dieter Stier (CDU/CSU). Natürlich sei eine kritische Befassung mit den angeprangerten Zuständen geboten, aber die gezeigten Bilder würden nicht den Alltag und nicht einen Dauerzustand in der deutschen Tierhaltung abbilden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle durch objektive Berichterstattung einen Beitrag zur Aufklärung leisten, habe sich aber in dem ausgestrahlten Panorama-Beitrag parteiisch gezeigt. „Keinem der Bilder konnte entnommen werden, ob eine Behandlung erfolgt ist“, sagte Stier. Erkrankungen und Verletzungen könnten in konventionellen wie in biologischen Betrieben vorkommen. Durch den Beitrag sei aber die Schlussfolgerung suggeriert worden, dass die gezeigten Zustände die gesamte Tierhaltung betreffen.
Hingegen seien die Einbrüche in die Tierhaltungsanlagen in der Öffentlichkeit relativiert worden. Stier erkannte darin eine „Verschiebung des Wertesystems“, die er nicht mittragen wolle. Auch Rita Stockhofe (CDU/CSU) kritisierte scharf, dass die Missstände nicht beim Veterinäramt angezeigt worden seien. Es dürfe nicht sein, dass in Ställe eingebrochen werden darf, ohne dass die Justiz das ahndet. Zudem monierte die Unionsabgeordnete, dass Äußerungen von Stallbesitzern zu den Fällen vorgelegen hätten, aber nicht gesendet worden seien. Sie witterte eine gezielte Absicht seitens der Organisation Animal Rights Watch, die die Bilder lange liegen gelassen und nicht zeitnah veröffentlicht habe.
Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke) bezeichnete die „Ausflüchte der Verantwortlichen als unerträglich“. Viele Tierhalter stünden nun mit dem Rücken zur Wand, obwohl diese alles für ihre Tiere tun. Dass die Akteure allerdings das tierschutzwidrige Verhalten nicht zeitnah angezeigt hatten, „riecht nach Kampagne und ist auch nicht in Ordnung“. Teile der Aufnahmen seien bereits vor langer Zeit erstellt worden. Doch sie fasste die Problemanalyse allgemeiner: „Es läuft etwas schief in unserem Land, wenn die, die unsere Ernährungsgrundlage sichern, nicht davon leben können.“ Tiere und Menschen würden zur Ware degradiert, die möglichst billig sein soll. Aber dagegen könne etwas gemacht werden, denn das verarbeitende Gewerbe und der Handel würden die Rahmenbedingungen setzen.
Auch der Bund und die Bundesländer würden Verantwortung tragen. „Das Personal bei den Kontrollbehörden ist so gering, dass eine vernünftige Überwachungsdichte gar nicht realisiert werden kann.“ Auf unterschiedlichen Ebenen müsse deshalb gehandelt werden, sonst eskaliere die Situation, befürchtete die Abgeordnete. „Denn ich möchte nicht, dass wir die einheimische Tierhaltung verlieren.“
Ein Befund, den Christina Jantz-Hermann (SPD) in mancher Hinsicht teilte. Die Sozialdemokratin sah die konventionelle Landwirtschaft als gefährdet an, den Tierschutz hinter ökonomische Zwänge zurückstellen zu müssen. „Die Kontrollmechanismen vor Ort greifen nicht“, monierte sie. „Die Kontrollbehörden müssen ihre Arbeit kritisch hinterfragen.“ Es sei „leider“ der Fall, dass sich die illegale Beschaffung von Bildmaterial bisher als effektivstes Kontrollmittel erweise. Da helfe auch die Schaffung einer Wagenburgmentalität innerhalb der Landwirtschaft nicht.
„Die relativ hohen Tierschutzstandards in Deutschland dürfen nicht nur gepriesen werden“, sondern es müsse auch mehr dafür getan werden. „Minister Schmidt, Sie müssen deutlich aktiver werden in Sachen Tierschutz“, forderte Jantz-Hermann die Novellierung des Tierschutzgesetzes ein. Die SPD stehe dafür bereit. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) erinnerte daran, dass das Kapital, mit dem man überzeugen kann, die Glaubwürdigkeit sei: „Ändert die Größe der Bestände und sorgt dafür, dass man jederzeit reingucken kann.“ (eis/28.09.2016)