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Die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit haben sich am Mittwoch, 8. Juni 2016, unter Vorsitz von Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen intensiv mit dem Umweltgutachten 2016 des Sachverständigenrates für Umweltfragen (18/8500) beschäftigt. Im Rahmen eines öffentlichen Fachgesprächs diskutierten die Abgeordneten mit drei Mitgliedern des Sachverständigenrates zu zahlreichen Aspekten des Werkes. Schwerpunkte bildeten dabei Fragen zur Problematik des Flächenverbrauchs im Kontext des demografischen Wandels sowie Auswirkungen hoher Energiepreise auf die Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen sowie auf einkommensschwache Haushalte.
In der Vorstellung des Gutachtens betonte der Ratsvorsitzende Prof. Dr. Martin Faulstich, dass es beim Umweltschutz viele Themen gebe, bei denen großer Handlungsbedarf bestehe, aber klassische, nachsorgende Ansätze an ihre Grenzen gerieten. Es handle sich dabei um einen Bereich, in dem Zielkonflikte aufträten und ressortübergreifendes Handeln notwendig sei. Grundsätzlich schlägt das Gutachten vor, dass Deutschland eine "Vorreiterrolle" bei der ökologischen Transformation der Industriegesellschaft übernehmen sollte, dessen Ziel es sein müsse, "die Ressourcennutzung, Emissionen und Abfälle auf ein deutlich niedrigeres Niveau zu senken".
Die Bundesrepublik habe dafür "hervorragende Voraussetzungen", hob Faulstich während des Fachgesprächs mit Verweis auf unter anderem die Innovationsfähigkeit, die Wirtschaftskraft und die Akzeptanz aktiver Umweltpolitik im Land hervor. Als Beispiel für Zielkonflikte nennt das Gutachten die steigenden Energiekosten, die vor allem einkommensschwache Haushalte träfen. Dieses Problem müsse vor allem sozialpolitisch angegangen werden, denn hohe Energiepreise hätten eine sinnvolle umweltpolitische Anreizwirkung, wie Faulstich im Fachgespräch betonte.
Ralph Lenkert (Die Linke) sagte, es freue ihn, dass der Sachverständigenrat auf diesen Zielkonflikt eingehe. Die in dem Gutachten vorgeschlagene Maßnahme eines Stromgrundkontingents sei auch von der Linken schon ins Spiel gebracht worden. Faulstich sagte, dass es neben dieser Möglichkeit auch erforderlich sei, Energieberatungen vor Ort in den Haushalten anzubieten, wie es etwa die Caritas tue.
In dem Gutachten wird zudem gefordert, den Austausch energieineffizienter Haushaltsgeräte staatlich dauerhaft zu unterstützen. Als weitere Maßnahmen schlägt das Gutachten unter anderem vor, Umlagemöglichkeiten von energetischen und anderen Sanierungsmaßnahmen, die zu Mietsteigerungen führen können, sowie staatliche Förderprogramme in dem Bereich nachzujustieren.
Die Sachverständigen thematisieren in ihrem Gutachten zudem den Flächenverbrauch im Kontext des demografischen Wandels, der im Fachgespräch unter anderem von Ulli Nissen (SPD) mit Hinblick auf Ballungsräume wie Frankfurt thematisiert wurde. Faulstich betonte, dass es unterschiedliche Problemlagen innerhalb der Republik gebe. Durch hohe Preise halte sich etwa in Ballungszentren der Flächenverbrauch in Grenzen. Dort müssten aber auch Innenentwicklungspotenziale in den Blick genommen werden.
Zudem brauche es "intelligente Konzepte" fürs Wohnen, um den Flächenverbrauch pro Kopf zu senken. Aber gerade dort, wo es starken demografischen Wandel gebe, etwa in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns oder Niedersachsens, nehme der Flächenverbrauch überproportional zu, auch weil die Grundstückspreise niedrig seien.
In dem Gutachten stellen die Sachverständigen fest, dass das Ziel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die Flächeninanspruchnahme bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, verfehlt werden werde. Aktuell würden im Schnitt 69 Hektar pro Tag neu in Anspruch genommen. Faulstich forderte, langfristig ein Netto-Null-Ziel anzustreben.
Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) griff den Aspekt des Wildnisaufbaus in Deutschland auf. Lemke sagte, Deutschland drohe das in der nationalen Biodiversitätsstrategie festgelegte Ziel, bis 2020 mindestens zwei Prozent der deutschen Landfläche für Wildnisentwicklung freizustellen, zu verfehlen. Laut Gutachten sind es bisher erst zirka 0,6 Prozent.
Die Sachverständige Prof. Dr. Miranda Schreurs sagte, es sei im Sinne der Vorreiterrolle wichtig, dass man Ziele auch erreiche. Instrumente dafür gebe es viele, etwa im Bereich der Ordnungs- und Baupolitik. Ihre Kollegin Prof. Dr. Heidi Foth ergänzte, dass es zudem wichtig sei, Kommunikations- und Dialogforen zu stärken, um die Akzeptanz für solche Vorhaben zu ermöglichen. In dem Gutachten wird von Bund und Ländern unter anderem gefordert, eine "nationale Wildnisinitiative" auf den Weg zu bringen. Diese solle auch von Naturschutzverbänden und Stiftungen unterstützt werden.
Kritisch griffen Abgeordnete der Union das Gutachten im Hinblick auf wirtschaftliche Aspekte auf. Oliver Grundmann (CDU/CSU) sagte, es gebe wenig konkrete, praxisorientierte Ansätze, vieles bleibe vage. Auch Aussagen im Gutachten, wonach viele Unternehmen substanzielle Energiekostensteigerungen verkraften könnten, sah Grundmann skeptisch.
Faulstich verteidigte die Aussagen hingegen. So seien viele Bereiche, etwa die Automobilbranche oder der Anlagenbau, durch höhere Energiepreise nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Es gebe aber auch Ausnahmen, etwa in der Stahl- und Kupferindustrie. Hier hätten energiepolitische Entlastungen einen Grund, müssten aber auch eng gefasst werden, denn in den vergangenen Jahren habe es dabei "Wildwuchs" gegeben.
Dazu müsse unter anderem geprüft werden, ob das betroffene Unternehmen tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehe. Auch müssten die Unternehmen ihre Hausaufgaben in Sachen Energieeffizienzsteigerung machen, sagte Faulstich. (scr/08.06.2016)