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Umweltbundesamt (UBA) und der TÜV Nord hatten keine Hinweise auf Abgasmanipulationen, wie sie der VW-Konzern für Dieselfahrzeuge eingeräumt hat. Das erklärten Mitarbeiter im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages unter Vorsitz von Herbert Behrens (Die Linke). "Manipulation haben wir damals nicht vermutet. Ich war überrascht und schockiert", sagte der Fachgebietsleiter für Antriebe und Emissionen der TÜV Nord AG, Helge Schmidt, bei seiner Befragung am Donnerstag, 22. September 2016. Von der Abschalteinrichtung habe er wie viele aus den Medien erfahren. Die US-Umweltbehörde EPA hatte die Vorwürfe gegen den VW-Konzern am 18. September 2015 publik gemacht.
Der TÜV Nord war wie das UBA und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) an Feldüberprüfungen beteiligt, bei denen Autos im laufenden Betrieb getestet werden, ob sie die Grenzwerte noch einhalten. Beim Auffälligkeiten werden die Autobauer um Stellungnahme gebeten. Auf die Frage, wie plausibel die Reaktionen gewesen seien, sagte Schmidt, es sei "manchmal merkwürdig" gewesen, wenn Hersteller für ein und dieselbe Abweichung unterschiedliche Fehler nannten.
Anlass zu weitergehenden Untersuchungen habe man beim TÜV aber nicht. Einerseits habe man keinen Einblick in die Motorsoftware. Zudem verwies Schmidt darauf, dass man auf Grundlage der Prüfnormen teste. Zudem sei der TÜV Nord ein Wirtschaftsunternehmen und "keine Stiftung Warentest".
Auch das Umweltbundesamt hatte nach den Worten seines Fachgebietsleiters für Schadstoffminderung und Energieeinsparung im Verkehr, Lars Mönch, keine Kenntnis von verbotenen Abschalteinrichtungen der Abgasnachbehandlung. Dass Hersteller außerhalb von Testzyklen ihre Motoren nach eigenen Vorstellungen neu abstimmen, sei aber grundsätzlich seit langem bekannt.
"Es hat manchmal in den Fingern gejuckt", sagte Mönch. Ohne belastbare Analysen müsse man aber extrem vorsichtig sein mit Behauptungen.
Die nachgeordnete Behörde des Bundesumweltministeriums hatte 2007/2008 ein Konzept für Felduntersuchungen erarbeitet. Nach Gesprächen des Umwelt- mit dem Wirtschaftsministerium musste das UBA aber Abstriche an dem Konzept machen. Mönch sagte, das Amt sei "Marathonläufe" gewohnt. Es gebe keine schnellen Erfolge im Verkehrssektor.
Die Reaktionen der Hersteller bei Auffälligkeiten seien sehr unterschiedlich gewesen. Bei Konfliktfällen gebe es eine Patt-Situation. Das UBA habe nicht die Mittel, die Darlegungen der Autobauer zu widerlegen. An der Untersuchungskommission des Verkehrsministeriums nach Bekanntwerden der VW-Affäre war das UBA nicht beteiligt.
Der Staat sollte aus Expertensicht mehr tun, um Manipulationen der Abgaswerte wie im Fall von VW zu verhindern. Zwar seien die Gesetzgebung in den USA und in der EU identisch, sagte zuvor Dr. Peter Mock vom International Council on Clean Transportation (ICCT). So müssten die Grenzwerte über die Lebensdauer von Autos eingehalten werden. Auch dürfe aus Gründen des Motorschutzes die Abgasnachbehandlung nur in Ausnahmefällen abgeschaltet werden.
Eine Beweislastumkehr sieht hingegen der Programmierer Felix Domke skeptisch. Es sei schwer zu beweisen, dass eine Abschaltung der Abgasnachbehandlung nicht dem Motorschutz diene. Domke war es gelungen, die Schummelsoftware von VW zu dekodieren.
Der Professor für Verbrennungskraftmaschinen an der Technischen Universität Berlin, Dr.-Ing. Roland Baar, erläuterte, bei der relativ neuen Niederdruckabgasrückführung sei ein Motorschutz aufgrund niedriger Betriebstemperaturen nicht unbedingt notwendig.
Der Geschäftsführer der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH in Dresden, Jürgen Bönninger, sagte, bei der Typprüfung sollten die Behörden in der Lage sein, die Software zur Motorensteuerung zu erkennen. Sollten die Behörden Zweifel haben, sollten sie weitere Unterlagen von den Herstellern anfordern. Diese müssten ihre Software offenlegen.
Der Maschinenbauexperte berichtete zugleich über eine Reihe mechanischer Möglichkeiten, die Abgasbehandlung etwa bei Wartung oder Reparatur in der Werkstatt abzuschalten. Für diese Fahrzeuge müsste eigentlich die Betriebserlaubnis erlöschen. Bei der periodischen Abgasuntersuchung (AU) sollte es weitergehende Prüfungen auf Emissionsmängel geben.
Dem schloss sich Dr. h. c. Andreas Mayer vom Prüflabor TTM Technik Thermische Maschinen in Niederrohrdorf in der Schweiz an. Mayer bezeichnete die illegalen Manipulationen mit Blick auf Umwelt und die Gesundheit der Bürger als "Verbrechen" und "Schande für die Zunft". Zugleich bedeute die seit 2014 geltende Euro-6-Norm einen "Riesenfortschritt". Betrügereien gebe es bereits seit Jahrzehnten. Sie hätten zugenommen, je mehr Elektronik im Auto zum Einsatz komme.
Mayer mutmaßte, die jetzt bekannt gewordenen Manipulationen seien nur die "Spitze des Eisbergs". Der Sachverständige kritisierte, dass es anders als bei Sicherheitsmängeln keine Verantwortung der Hersteller für Emissionsschäden gebe. Anders als in den USA gebe es keine Monetarisierung solcher Schäden. Mayer sprach in seiner Stellungnahme für den Ausschuss von "grundsätzlichen Mängeln in der Abgasgesetzgebung". (stu/22.09.2016)