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Drei Bauern, eine Tierärztin und eine Lehrerin – fünf Abgeordnete, deren Weg in die Politik nicht unterschiedlicher gewesen sein könnte. Und dennoch haben sie eins gemeinsam: Sie alle haben sich einem Politikfeld verschrieben, das zwar nicht großes Prestige verspricht, aber große Auswirkungen für die Menschen in ihrem Alltag hat: die Agrar-, Ernährungs- und Verbraucherschutzpolitik.
Regengrau ist der Himmel über Berlin, aber die Fahnen in Schwarz-Rot-Gold flattern munter auf dem Dach des Reichstagsgebäudes. Gut gelaunt wirkt auch Artur Auernhammer, als er sich vor der Kulisse der Glaskuppel fotografieren lässt. Gestern noch hat der 50-jährige Milchbauer im Stall gestanden und das Kalb bestaunt, das eine seiner 40 Kühe gerade geboren hat.
Tags darauf ist er im Bundestag, um an der zweiten Fraktionssitzung der noch jungen Legislaturperiode teilzunehmen. Der frischgewählte CSU-Abgeordnete aus dem mittelfränkischen Oberhochstatt wirkt aufgekratzt und vorfreudig – fast so, als könne er es gar nicht abwarten, dass der parlamentarische Betrieb beginnt.
Viel gab es für ihn zu organisieren, seit feststand, dass er in den Bundestag einziehen würde: In Berlin fehlten Mitarbeiter und eine Wohnung. Zuhause suchte er nach Aushilfen, die für ihn künftig die Arbeit übernehmen, während er sich um die Politik kümmert. "Es war gar nicht so einfach, Leute zu finden, die das gewissenhaft machen", sagt Auernhammer und schaut ernst durch seine Brille.
"Ich war ja bis jetzt rund um die Uhr auf dem Hof." Doch mit den vereinten Kräften von Bruder, den Eltern und Aushilfskräften vom Maschinenring werde es schon gehen. Denn dass er den Betrieb trotz Mandat weiterführen will, versteht sich von selbst: "Man kann ja auch wieder aus dem Bundestag rausfallen."
Der Mann mit den kurzen, grauen Haaren weiß, wovon er spricht: Im Juli 2004 konnte er für den ausgeschiedenen Albert Deß im Parlament nachrücken. Doch ein Jahr später, bei den Neuwahlen im September 2005, verpasste Auernhammer den Wiedereinzug. "Ja, den Artur hat es erwischt", erinnert sich Elvira Drobinski-Weiß (SPD), damals schon seine Kollegin im Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz.
Wie der Franke war sie 2004 als Nachrückerin in den Bundestag gekommen und war ebenso geschockt wie er über die plötzliche Neuwahlankündigung. Anders als Drobinski-Weiß kehrte er nach der Wahl nicht zurück. Das hat ihn getroffen. Auernhammer ist keiner, der viele Worte macht. Sein knappes "ja, das war schon hart" lässt jedoch die Enttäuschung noch erahnen.
Die kurze Zeit im Bundestag, die er mit trockenem Humor "Praktikum" nennt, hat trotzdem Eindruck hinterlassen: "Ich habe hartnäckig daran gearbeitet, wieder einziehen zu können", gesteht er. Trotzdem reichte erst im September 2013 der 34. Listenplatz für das Comeback. Dass aber einer wie er, der sich als "Bauer aus Leidenschaft" bezeichnet, seinen Bauernhof gegen den Bundestag tauscht, ist überhaupt bemerkenswert.
"Ich wollte immer schon nichts anderes als Landwirt werden, ebenso wie mein Bruder", erzählt Auernhammer. Es sei nie eine Frage gewesen, dass er den Hof, der seit Jahrhunderten im Familienbesetz ist, nicht übernehmen würde. Das Leben von und mit der Natur und den Tieren, das er schon von Kindesbeinen an kennt, habe ihn tief geprägt: "Ich bin als Bauer aufgewachsen – und das bleibe ich auch, selbst wenn ich nun hier in Berlin bin." Bauer zu sein sei "nicht nur ein Beruf, sondern eine Lebenseinstellung".
Doch die Arbeit in der Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt: Ob der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, neuen Pflanzenzüchtungen oder der Einsatz von Elektronik und Computern, um verschiedene Arbeitsprozesse zu steuern und zu kontrollieren – aus den bäuerlichen Familienbetrieben haben sich vielfach Unternehmen mit industrieähnlicher Organisation entwickelt. Für kleinere Betriebe wurde es schwerer zu bestehen. Die Triebfeder für das politische Engagement Auernhammers.
Auf Veränderungen will er nicht nur reagieren, sondern sie mitgestalten: "Gerade in den letzten Jahren hat sich auch agrarpolitisch viel getan", sagt er mit Blick auf die Reformen in der europäischen Agrarpolitik, die den Landwirtschaftssektor modernisieren und stärker am Markt auszurichten sollten. "Damit sich die Dinge für Landwirte wie mich positiv entwickeln, setze ich mich politisch ein."
Als Bauer hält er zwar nicht viel von den "Greening"-Ideen des EU-Agrarkommissars Dacian Cioloș, der sich mit einer neuen Reform unter anderem dafür eingesetzt hat, einen kleinen Teil landwirtschaftlich genutzter Flächen an die Natur zurückzugegeben. "Wenn ich da an meinen eigenen Betrieb denke, der mit 50 Hektar Fläche vergleichsweise klein ist, dann muss ich sagen: Ich habe nichts abzugeben." Dass künftig kleinere Höfe mit einer höheren Ausgleichszahlung rechnen können, findet daher seine Unterstützung.
Neben der Entwicklung des ländlichen Raums ist ihm vor allem das Werben um mehr Akzeptanz für die Bauern und ihre Arbeit ein großes Anliegen. Auernhammer sieht die Distanz zwischen Landwirten und Bevölkerung wachsen: "Wenn ich mit dem Traktor aufs Feld fahre, dann gibt es diese kritischen Blicke: Was macht der da? Warum spritzt der Pflanzenschutzmittel, wieso bringt der Dünger auf? Das ist zwar alles fachlich in Ordnung. Aber warum es notwendig ist, verstehen Außenstehende oft nicht. Deshalb will ich den Dialog fördern. Das war auch schon immer ein Bestreben der Landjugend."
Schon während seiner Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister wird Auernhammer Mitglied der Jugendorganisation des Bayerischen Bauernverbands, wächst über die Verbandsarbeit und sein Engagement in der Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaft der CSU langsam in die Politik hinein: Seit 1993 ist er Mitglied der Jungen Union, seit 1994 auch Mitglied der CSU. 1996 zieht er erstmals in den Kreistag des Landkreises Weißenburg-Gunzenhausen ein, 2002 auch in den Stadtrat von Weißenburg.
Der Bundestag ist zunächst gar nicht sein Ziel: "2002 bin ich gebeten worden zu kandidieren. Ich habe zugesagt, aber nur unter der Bedingung, dass es ein hinterer Listenplatz ist und ich nicht gewählt werde", erzählt Auernhammer lachend. " Dann war ich Nachrücker." Und zwei Jahre später im Bundestag.
Die Einstellung zur Berufspolitik hat sich seitdem gewandelt. Der Grund: "Ich habe einfach gesehen, welche Möglichkeiten man hat, etwas für die Landwirte zu bewegen." Klar, dass es ihn in den Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz zieht. Forderungen von Verbraucherschutzvertretern nach einer Trennung von Agrar- und Verbraucherschutzpolitik unterstützt er nicht: "Ob technische oder finanzielle Fragen des Verbraucherschutzes dort ihren Platz haben müssen, darüber könnte man diskutieren, aber Fragen der Tierhaltung oder der Lebensmittelsicherheit sind dort richtig aufgehoben."
Egal, ob es dazu kommt oder nicht, viele Abgeordnete im Ausschuss kennt er schon. Von Bayern aus hat er den Kontakt zu ehemaligen Kollegen gehalten – über die Parlamentarische Gesellschaft oder durch Aktivitäten der Sportgemeinschaft des Bundestages: "Mit der Wintersportgruppe war ich jedes Jahr zum Skifahren – ob ich nun MdB war oder nicht." (sas/12.12.2013)