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Die Kinderarmut in Deutschland bewegt sich seit zwanzig Jahren auf gleichbleibend hohem Niveau. Das war das einhellige Fazit einer Expertenrunde zum Thema „Feste Armutsmilieus, offene und verdeckte Kinderarmut“ in einem öffentlichen Gespräch der Kinderkommission (Kiko) am Mittwoch, 24. Februar 2016, unter Vorsitz von Norbert Müller (Die Linke). Obgleich sich die Wirtschaftslage in Deutschland im selben Zeitraum gebessert habe, hätten sich die Zahlen oftmals ausgeglichen.
Die aktuell vorgelegten Zahlen des Mikrozensus aus dem Jahr 2014 würden für sich sprechen. Die Verbreitung von Kinderarmut in Deutschland verharre sei seit 1996 konstant bei etwa 20 Prozent. "Trotz der verbesserten wirtschaftlichen Lage Deutschlands", sagte Dr. Eric Seils von der Hans-Böckler-Stiftung.
Regional gesehen, sei Kinderarmut im Osten Deutschlands weiterhin am höchsten, jedoch sei die Zahl von 29 Prozent im Jahr 2005 auf 24,6 Prozent im Jahr 2014 gesunken. Im Westen Deutschlands stieg jedoch der Anteil, insbesondere im Ruhrgebiet.
Das ließe sich nach Cornelia Kavermann von der AG Soziale Brennpunkte Stadt Bottrop durch den Abbau der Bergbaubeschäftigung und durch das Anwachsen des Dienstleistungssektors erklären. Arbeitsplätze in der Dienstleistungsbranche seien oft weniger gut bezahlt und würden Familien finanziell gefährden. Kavermann betonte, dass für betroffene Kinder und deren Familien Armut keine Episode sei, sondern ein Normalzustand. Dieser Teufelskreis müsse durchbrochen werden.
Einen Lösungsansatz sah die Expertin durch die Förderung junger Mädchen, deren Bildungsbiografie in der Schule in der Regel anfangs sehr erfolgreich verlaufe. Wegen fehlender Förderung und Beratung würden Schülerinnen aber ab einem gewissen Alter einen tiefen Einbruch erleben, so Kavermann. Eine Ursache sei zum Beispiel, weil sie sehr jung Mutter werden, deshalb resignieren und sich mit niedrigen Löhnen zufrieden gebe würden. Damit beginne der Armutsteufelskreis für Familien oder im schlimmsten Fall als alleinerziehende Mutter.
Diese Einschätzung teilte auch Angela Basekow von der AWO Potsdam, die das deutsche Schulsystem kritisierte, das Kinder nicht genügend unterstütze, wenn sie Hilfe brauchen. Basekow meinte, wenn Kinder mehr Förderung erfahren würden, steige auch deren Lernmotivation.
Lösungsansätze, arme Kinder mehr beteiligen zu wollen, seien zwar gut,würden aber nicht ausreichen. Denn arme Kindern entkämen oftmals nicht ihrem armen Umfeld, weil ihr familiäres Umfeld oft weitab von kulturellen Zentren liege oder das Geld für Hobbys und Ausflüge schlicht fehle. (abb/24.02.2016)