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Die Diskussion um mögliche Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und eine „Blaue Plakette“ aufgrund von zu hohen Schadstoffbelastungen in verkehrsreichen Ballungszentren hat am Donnerstag, 14. April 2016, den Deutschen Bundestag beschäftigt. In einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verteidigte Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) mögliche Fahrbeschränkungen in eng umgrenzten Gebieten im Sinne des Gesundheitsschutzes. Unterstützung bekam sie dafür grundsätzlich von den Grünen. Redner der CDU/CSU übten verhaltene Kritik. Die Linke forderte, Automobilhersteller stärker bei der Einhaltung der EU-Grenzwerte in die Pflicht zu nehmen. Hintergrund der aktuellen Debatte sind hohe Belastungen der Luft durch Feinstaub und Stickstoffdioxid in vielen Städten. 2015 wurden an knapp 60 Prozent der verkehrsnahen Messstationen die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten. Inzwischen läuft ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik.
Die Redner der Grünen schossen sich mit ihrer Kritik insbesondere auf Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ein. In Bezug auf die Aufklärung des „Dieselgate“ genannten Skandals um die Manipulation von Abgaswerte durch Volkswagen warf Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen) dem Verkehrsminister vor, den „Kopf in den Sand“ zu stecken. Er verweigere die Arbeit. Stattdessen keile der Minister gegen die Idee der „Blauen Plakette“. Die Verkehrspolitik der Bundesregierung sei umwelt- und mobilitätsfeindlich, sagte Meiwald.
Der Grünen-Abgeordnete forderte die Bundesumweltministerin zum Handeln auf. Es brauche ein Aktionsprogramm „Saubere Luft“. Die Bundesemissionsschutzverordnung müsse novelliert werden, um Durchfahrverbote für emissionsreiche Fahrzeuge zu ermöglichen. Mit zeitlich befristeten Anreizprogrammen könnten zudem etwa E-Autos und -Busse gefördert werden. Zur Gegenfinanzierung schlug Meiwald vor, an das Steuerprivileg für Dieselkraftstoff ranzugehen. Handeln sei geboten, denn auch das Parlament trage eine große Verantwortung für die Luft und die Gesundheit der Bevölkerung.
Marie-Luise Dött (CDU/CSU) sah aufgrund der hohen Stickstoffdioxidbelastung ebenfalls Handlungsbedarf. Sie habe sich aber gewundert, wie schnell die Sonderkonferenz der Umweltminister sich auf ein Instrument habe einigen können. Mit Fahrverboten müsse vorsichtig umgegangen werden, denn sie belasteten Bürger und beispielsweise Handwerker.
Vorschnelle Festlegungen führten nicht zu einer Unterstützung für die erforderliche Reduzierung der Schadstoffbelastung. Erster Adressat politischer Maßnahmen sollten daher die Automobilhersteller sein. Es müssten härtere Kontrollen eingeführt und es müsse für Ehrlichkeit gesorgt werden. Das sei wichtiger, als über neue Fahrverbotszonen nachzudenken, sagte Dött.
Gegen die Einschränkung der Mobilität von Diesel-Fahrern sprach sich auch Ralph Lenkert (Die Linke) aus. Vielmehr sei die Automobilindustrie in der Pflicht, für die Einhaltung der Grenzwerte zu sorgen. Dazu gehöre, dass Abgaswerte unter realen Bedingungen getestet würden.
Zudem sei vorstellbar, dass die Industrie beispielsweise durch die Finanzierung der Bahnelektrifizierung oder den Bau und Erhalt von Parkanlagen entsprechend für Kompensation sorge, bis alle ihre Fahrzeuge die Normen einhielten, sagte Lenkert.
Bundesumweltministerin Hendricks sprach im Hinblick auf die Debatte zur „Blauen Plakette“ von einer „Skandalisierung“. So sei etwa die Zahl der möglicherweise betroffenen Gebiete übertrieben dargestellt worden. Diese würden gegebenenfalls viel kleiner ausfallen als die bestehenden Umweltzonen. Im Grundsatz müssten Rechtsgrundlagen geschaffen werden, damit Kommunen besonders belastete Gebiete schützen könnten. Sie habe genügend Vertrauen in die Kommunen, „dass sie hier mit Augenmaß vorgehen werden“, sagte Hendricks.
Die Umweltministerin mahnte in Richtung der Kritiker, dass es nicht helfe, sich einerseits gegen jeden denkbaren Einschnitt bei Autofahrern zu profilieren, sich andererseits aber an anderer Stelle über Gesundheitsgefahren zu beschweren. Abgase aus Dieselfahrzeugen seien der Hauptgrund, warum die Grenzwerte nicht eingehalten würden, und Stickstoffdioxid sei eine „sehr ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit“. Gesundheitsschutz sollte daher auch bei den Automobilherstellern „oberste Maxime“ sein, sie müssten saubere Fahrzeuge auf die Straße bringen. Nur so könnten sie Vertrauen zurückgewinnen, sagte Hendricks.
Ähnlich äußerte sich Ulli Nissen (SPD). Sie forderte von der Industrie, emissionsarme und emissionsfreie Technologien voranzubringen. Das sei keine Belastung, sondern eine Chance, denn diesen Technologien gehöre die Zukunft.
Handeln sei geboten, denn nach Schätzungen der EU-Kommission würden pro Jahr mehr als 10.000 Menschen durch Krankheiten infolge von Abgasbelastung sterben. „Grenzwerte gibt es nicht aus Spaß“, mahnte Nissen. (scr/14.04.2016)