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Die deutsche Sprache liegt Jelena Pejic sehr am Herzen. „Ich hatte immer große Augen für alles was meine Deutschkenntnisse verbessern kann“, sagt die bosnische Serbin, aufgewachsen in der bosnischen Teilrepublik Republika Srpska und inzwischen Studentin in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Seit ihrer Kindheit lernt sie Deutsch – sowohl in der Schule als auch in der Freizeit. „Ich habe deutsches Fernsehen geschaut, Musik gehört und deutsche Bücher gelesen – nur der Schulunterricht hätte nicht ausgereicht“, sagt sie. In den vergangenen Monaten, so könnte man es sagen, hat sie den Lohn für ihre Bemühungen kassiert: Die 24-Jährige absolvierte ein Praktikum bei dem Bundestagsabgeordneten Frank Tempel (Die Linke) im Rahmen des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) des Deutschen Bundestages.
„Ich bin sehr froh, dass ich an dem Programm teilnehmen darf“, sagt sie. Froh aus mehreren Gründen: „So kann ich Deutschland besser kennenlernen.“ Außerdem weiß sie nun, „wie der Bundestag funktioniert“. Vergleiche mit dem serbischen Parlament kann sie noch nicht anstellen. „Aber nach meiner Rückkehr würde ich dort auch gern ein Praktikum machen“, sagt sie.
Dass Jelena Pejic nach Ende des IPS nach Belgrad zurückkehrt, steht für sie außer Frage. Zum einen ist da ihre – wenn auch unbezahlte – Tätigkeit als Unterrichtsassistentin an der Fakultät für Politische Wissenschaften an der Belgrader Universität. Zum anderen will sie aber auch zurück, weil sie zwar exakt mit Beginn des IPS ihren Master in „Internationales Humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte“ gemacht hat – im Herbst vergangenen Jahres aber ein weiteres Masterstudium aufgenommen hat, was sie beenden möchte.
Noch vor wenigen Jahren wäre es für Jelena Pejic undenkbar gewesen, in der Hauptstadt Belgrad zu leben. „Die Stadt schien mir zu groß und zu teuer. Aber um zu studieren, habe ich es gemacht und bin sehr froh darüber.“ Geboren wurde sie ein Jahr vor Beginn des Jugoslawien-Krieges in einem von Serben bewohnten Dorf in Bosnien. Während des Krieges flüchtete Jelena Pejic mit ihrer großen Schwester und der Mutter in den serbisch dominierten Teil Bosniens – die Republika Srpska. Ihren Vater lernte sie nie kennen – er fiel als Soldat. „Wir waren Binnenflüchtlinge – wie viele andere auch“, erinnert sie sich. Und kommt zu einer doch erstaunlichen Einschätzung: „Ich würde schon sagen, dass meine Kindheit glücklich war. Auch wenn ich sicher viel verpasst habe.“
Als Kriegsflüchtling hat Jelena Pejic einen besonderen Blick auf die derzeitige Flüchtlingssituation. „Jeder Mensch muss als Mensch betrachtet werden. Ohne irgendwelche Unterschiede zu machen“, fordert sie und erzählt von einer jüngst erlebten Begebenheit. „Mit meinem Abgeordneten war ich in dessen Wahlkreis bei einer Flüchtlingsfamilie, die einen Sohn verloren hatte.“ Zwei weitere Kinder der Familie seien zu dem Zeitpunkt des Besuches in der Schule gewesen, „aber da gab es noch ein zweijähriges Mädchen“. Ein sehr emotionaler Moment sei das gewesen. „Irgendwie habe ich mich da wiedergesehen.“
Seit mehr als 20 Jahren ist der Krieg im ehemaligen Jugoslawien durch das Abkommen von Dayton beendet – doch die Distanz zwischen den Bevölkerungsgruppen ist geblieben, sagt Jelena Pejic. „Früher gab es in Bosnien viele gemischte Ehen – heute kaum noch“, führt sie als Beleg an. Die 24-Jährige selbst hat kein Problem mit der Verschiedenartigkeit der Menschen. Schon in der Schule habe sie in Projekten gearbeitet, wo es darum ging, die Menschen aus allen Völkern zusammenzubringen. Auf der anderen Seite weiß sie: „Es gibt junge Leute die nach dem Krieg geboren sind und mit ihrer sturen nationalistischen Auffassung radikaler als die Kriegsgeneration sind, was ich erschreckend finde“.
Was also kann getan werden? Einerseits müsse die Geschichte aufgearbeitet werden, sagt sie. Anderseits dürfe man nicht dauernd rückwärts gewandt in der Geschichte nach Trennendem suchen. „Wenn wir uns jetzt gegenseitig die Schuld für bestimmte Entwicklungen im Zweiten Weltkrieg zuweisen, ist das ein gefährlicher Diskurs“, warnt Jelena Pejic. Vorbild ist in dieser Frage für sie Deutschland. Hier sei es gelungen, eine starke Erinnerungskultur zu schaffen, „damit das nicht wieder passiert“.
Nicht zu sehr der Vergangenheit nachhängen, sondern nach vorne schauen: Für ihr zweites Heimatland Serbien – Jelena Pejic hat erst seit drei Jahren die serbische Staatsbürgerschaft - sieht sie die Zukunft in der EU. Das bewerte auch die Mehrheit im Land so. „Serbien hat seine Richtung gewählt und die führt in die EU“, betont sie. Die traditionell guten Beziehungen Serbiens zu Russland seien dabei kein Hemmnis, sondern eher ein Vorteil, findet sie. „Wir können eine Brücke zwischen EU und Russland sein - gerade jetzt, wo es so eine Kluft gibt.“ Dass Serbien als Vermittler taugt, hat sich ihrer Ansicht nach während der Zeit des OSZE-Vorsitzes im Jahr 2015 gezeigt.
Der Weg in die EU – alle Balkanstaaten wollen ihn gehen. Doch statt sich untereinander zu helfen, „versuchen die, die schon Mitglieder der EU sind, diese Position zu nutzen und eigene Bedingungen zu stellen, was den Beitrittsprozess nur weiter kompliziert und verlängert“, sagt Jelena Pejic. „Dabei brauchen wir die regionale Zusammenarbeit, bei der es durchaus auch schon bedeutende Schritte gab und die auch von der EU gefördert wird.“
Mit der EU und speziell der Vorratsdatenspeicherung hat sich die Politologin während ihrer Tätigkeit für das Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik intensiv beschäftigt. Serbien habe schon in seiner Verfassung die Einschränkungen vorgesehen, das der Eingriff ins Fernmeldegeheimnis zeitlich begrenzt sein und dem Richtervorbehalt unterliegen muss, erläutert Jelena Pejic. Das Gesetz, mit dem die Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2010 eingeführt wurde, habe die beiden Einschränkungen aber nicht enthalten. Nach dem negativen Urteil des serbischen Verfassungsgerichtes sei 2014 eine Änderung des Gesetzes erfolgt, das damit auch der Forderung des Europäischen Gerichtshofs entspricht, wonach die Überwachung der Kommunikationsdaten auch ohne Einsicht in den Kommunikationsinhalt in die Privatzone eingreife und besonders gerechtfertigt sein müsse. „In anderen Staaten ist das nicht immer der Fall. Wir sind also gar nicht so schlecht“, freut sie sich.
Eigentlich aber kann sie Maßnahmen wie der Vorratsdatenspeicherung, die unter dem Schlagwort „Bekämpfung des Terrorismus“ laufen, nicht viel abgewinnen. „Wenn wir durch gesetzliche Regelungen unsere Freiheit immer mehr begrenzen, haben die Terroristen erreicht was sie wollten. Dann haben sie gewonnen“, gibt sie zu bedenken. (hau/13.07.2016)