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Der von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vorgelegte Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) (18/9350) und die dazu gehörenden drei Ausführungsgesetze (18/9523, 18/9524, 18/9527) stoßen auf Kritik der Oppositionsfraktionen. Das wurde während der ersten Lesung am Donnerstag, 22. September 2016, deutlich. Laut BVWP will der Bund bis 2030 270 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur investieren.
Verkehrsminister Dobrindt sprach zu Beginn der Debatte von der „mit Abstand größten Investitionsinitiative dieser Bundesregierung“, die eine klare Finanzierungsperspektive biete und zugleich Ökologie und Ökonomie vereine. Sabine Leidig (Die Linke) nannte den Plan „umwelt- und gesundheitsschädlich, undemokratisch und außerdem eine große Verschwendung“. Folge des Plans sei, dass in 15 Jahren noch mehr Autos und viel mehr Lkws durch das Land fahren würden.
Kritik äußerte auch Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen). Mit Zukunftsfähigkeit habe der BVWP nichts zu tun, befand er. Unterstützung fand Dobrindts Vorhaben bei der Unions- und SPD-Fraktion. Der Plan sei „ehrlich, realistisch und gut“, sagte Sören Bartol (SPD). Patrick Schnieder (CDU/CSU) sprach von einem „großen Wurf“, der für weniger Staus und mehr Verkehrssicherheit sorgen werde.
Mit dem Bundesverkehrswegeplan solle das Gesamtnetz gestärkt und Deutschland fit gemacht werden für das global-digitale Zeitalter, sagte der Bundesverkehrsminister. Der BVWP biete eine klare Finanzierungsperspektive, so dass die Vorhaben nicht nur geplant, sondern auch finanziert und gebaut werden könnten. Zugleich folge er der Leitlinie „Erhalt vor Aus- und Neubau“. 142 Millionen Euro und damit etwa 70 Prozent der Investitionen seien für Erhaltungsmaßnahmen vorgesehen. Außerdem lege er den Schwerpunkt auf starke Hauptachsen und Knoten.
„Wir investieren 87 Prozent in großräumig bedeutsame Projekte“, sagte Dobrindt. Des Weiteren ziele der Plan darauf ab, Engpässe zu beseitigen, um den Verkehrsfluss insgesamt im Netz stärken zu können. Der Minister fordert zugleich Beschleunigungen bei der Planung. Nicht die Finanzen, sondern die Planung der Projekte sei derzeit das Nadelöhr. „Es kann nicht sein, dass wichtige Infrastrukturmaßnahmen im Paragrafendschungel hängenbleiben“, sagte Dobrindt.
Eine vernünftige Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene, forderte Sabine Leidig. Unsinnige Transporte müssten zudem vermieden werden. „In einem durchschnittlichen Joghurt stecken etwa 9.000 Transportkilometer, obwohl er genauso gut vor Ort hergestellt und verkauft werden könnte“, sagte die Linke-Abgeordnete. Dieser „Unsinn“ lohne sich, weil Lkws überall fahren dürften, die Maut zu niedrig sei und die Lkw-Fahrer so schlecht bezahlt würden.
Leidig plädierte für eine „ordentlichen Anhebung der Lkw-Maut“ und mehr temporäre Fahrverbote für Lkws. „Wenn es nach Ihrem Plan geht, stößt der Verkehrssektor in 15 Jahren noch mehr schädliche Abgase aus und werden noch mehr Landschaften zerstört“, sagte Leidig. Dem könne ihre Fraktion nicht zustimmen.
Kritisch bewertete die Verkehrsexpertin der Linksfraktion auch die Fokussierung auf Autobahnprojekte, „anstatt den Ausbau von Bus und Bahn zu finanzieren“. Auch die vom Minister zuvor noch gelobte Bürgerbeteiligung an der Erstellung des Bundesverkehrswegeplans stieß bei Leidig auf Kritik. Viele engagierte Bürger hätten versucht, mit Anregungen und Einwänden Einfluss auf den Plan zu nehmen – allerdings ohne jedes erkennbare Ergebnis. Zu Recht könne man daher von einer Pseudobeteiligung sprechen, befand Leidig.
„Der Bundesverkehrswegeplan ist ehrlich, realistisch und klug“, urteilte hingegen Sören Bartol. Er sage klar, welche Projekte in den nächsten Jahren wirklich eine Chance auf Umsetzung hätten und sorge dafür, dass nicht nach Proporz, sondern nach Bedürftigkeit gebaut werde. Er sei zudem realistisch, weil er von einem ehrlich gerechneten Finanzrahmen für die nächsten 15 Jahre ausgehe. „Das Wünsch-Dir-was gehört endgültig der Vergangenheit an“, sagte der SPD-Abgeordnete. Klug sei der Plan, weil er die Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspiele. „Die Koalition hat zusammen mit dem Verkehrsminister etwas verdammt Gutes erreicht“, so das Fazit des SPD-Verkehrsexperten.
Bartol lobte zugleich die „größte Bürgerbeteiligung, die es je bei einem Bundesverkehrswegeplan gegeben hat“. Die Bürger hätten Stellung nehmen und bei den Schienenwegen eigenständige Vorschläge einreichen können. An seine Abgeordnetenkollegen richtet Bartol abschließend die Bitte, den Plan nicht zu einer Ansammlung von Wahlkreisprojekten zu machen. „Er darf am Ende der Beratungen nicht überfrachtet werden“, forderte der SPD-Politiker.
Zwar sehe der Plan vor, mehr Geld in den Erhalt von Infrastruktur zu geben, sagte Anton Hofreiter. Bei der Umsetzung hapere es aber. „Und zwar schon in den letzten drei Jahren“, wie der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anmerkte. Das Problem sei, dass die Unterhaltsmittel und die Neubaumittel gegenseitig deckungsfähig seien.
„Weil die Abgeordneten der großen Koalition lieber Bändchen durchschneiden als für den Unterhalt des bestehenden Netzes zu sorgen, werden fröhlich große Summen aus dem Unterhaltstopf in den Neubautopf umgewidmet“, kritisierte Hofreiter. Um glaubwürdiger zu sein, müsse diese gegenseitige Deckungsfähigkeit aufgehoben werden, verlangte er.
Realistisch ist der vorgelegte Plan aus seiner Sicht nicht. Mehr als die Hälfte des Projektvolumens solle der Vorlage nach erst nach 2030 ausgegeben werden. Zudem bilde der Plan die grundlegenden Revolutionen, die es derzeit in der Mobilitätspolitik gebe, nicht ab. Statt einer modernen Mobilitätspolitik werde auf Autobahnen und Umgehungsstraßen gesetzt. „Nötig wäre ein Bundesnetzplan, der die Verkehrsträger integriert betrachtet“, sagte Hofreiter. Vorgelegt worden sei jedoch ein zusammengeschusterter Plan aus Einzelprojekten.
Patrick Schnieder zeigte wenig Verständnis für die Kritik der Grünen. Nicht zuletzt angesichts der Priorität Erhalt vor Neubau müsse die Fraktion doch eigentlich jubilieren, sagte der Unionsabgeordnete, der die Vorlage einen großen Wurf nannte. Es gelinge damit Ökonomie und Ökologie zu verbinden. „Wir fahren die schädlichen Emissionen zurück – das ist Fakt“, sagte Schnieder.
Auch der Kritik an der Bürgerbeteiligung vermochte er sich nicht anzuschließen. Es sei „beispielhaft und noch nie dagewesen was da passiert ist“. Die Bürger hätten die Chance zur Einrede gehabt und seien gehört worden. „Es gibt aber keinen Anspruch darauf, dass man mit jedem Vorschlag auch in die Umsetzung geht“, fügte Schnieder hinzu. (hau/22.09.2016)