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Es ist wohl die größte Übernahme, die ein deutsches Unternehmen je getätigt hat: In der vergangenen Woche teilte der Chemiekonzern Bayer mit, den US-amerikanischen Saatguthersteller Monsanto für eine Rekordsumme von 66 Milliarden Dollar zu kaufen. Sollten die Kartellbehörden zustimmen, würde der Leverkusener Konzern mit einem Schlag zum weltweit größten Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Umweltschützer jedoch laufen seither Sturm gegen die geplante Fusion der beiden Agrar-Unternehmen. Auch Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik und Bioökonomiepolitik von Bündnis 90/Die Grünen, macht sich gegen Bayer-Monsanto stark: Hier entstehe ein „Megakonzern“ mit einer „marktbeherrschenden Stellung“ – und das müsse verhindert werden. Die geplante Fusion ist Gegenstand einer von den Grünen verlangten Aktuellen Stunde im Bundestag am Mittwoch, 21. September 2016, ab 15.40 Uhr. Die Fragestunde des Bundestages unmittelbar davor will Ebner nutzen, um von der Bundesregierung zu erfahren, wie sie die Übernahme aus wettbewerbsrechtlicher Sicht einschätzt und welche Auswirkungen sie hinsichtlich der Saatgutvielfalt und der Saatgutpreise in der EU sieht. Warum er diese in Gefahr sieht und für eine nationale Züchtungsstrategie plädiert, erklärt der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Schwäbisch Hall/Hohenlohe im Interview:
Herr Ebner, kaum hatten Bayer und Monsanto letzten Mittwoch ihre Fusionsvereinbarung unterschrieben, hagelte es schon Kritik – unter anderem von den Umweltverbänden: Greenpeace sprach von einer „schlechten Nachricht für nachhaltige Landwirte, Verbraucher und die Umwelt“. Sehen Sie das ähnlich?
Die Kritik ist absolut berechtigt. Dass ein deutsches Unternehmen ausgerechnet den „bösen Buben“ der Branche unter seine Fittiche nimmt, verheißt nichts Gutes für seine Unternehmenspolitik. Zudem entsteht hier aus zwei schon jetzt großen Konzernen ein Megakonzern. Von bisher sechs großen Unternehmen auf dem Saatgutmarkt bleiben damit nur noch fünf übrig, die insgesamt aber mit mehr als 60 Prozent Anteil den Markt dominieren. Das ist in der Tat keine gute Botschaft, denn es braucht Vielfalt, um nachhaltig zu sein.
Was stört Sie mehr: Dass Bayer einen Konzern kauft, der gerade in Deutschland auch aufgrund seines gentechnisch veränderten Saatguts einen schlechten Ruf hat oder dass Bayer-Monsanto künftig über eine gehörige Marktmacht verfügen könnte?
Beides finde ich bedenklich. Natürlich ist die Aussicht, dass hier ein Konzern mit marktbeherrschender Stellung entsteht, der weltweit knapp ein Drittel des Saatgut- und ein Viertel des Pestizidmarktes kontrolliert, sehr besorgniserregend. Aber der Trend zur Monopolisierung ist leider auch in anderen Branchen zu beobachten. Nehmen wir etwa den Lebensmittel-Einzelhandel in Deutschland: Nur vier Unternehmen beherrschen 85 Prozent des Marktes! Das Nachsehen haben die Erzeuger, die einem enormen Preisdruck ausgeliefert sind. Besonders die Bauern kommen immer stärker in Bedrängnis – weil die Konzentration auf dem Handelsmarkt, wo sie ihre Produkte verkaufen, ebenso zunimmt wie auf dem Markt, auf dem sie ihre Produktionsgrundlagen einkaufen. Wenn die Bauern durch die Monopolisierung auf dem Saatgutmarkt nur noch Saatgut bekommen, das ausschließlich in Kombination mit dem entsprechenden Pestizid funktioniert, haben sie ja gar keine andere Wahl mehr.
Noch ist die Fusion nicht unter Dach und Fach; die Kartellbehörden müssen noch zustimmen. Experten erwarten jedoch wenig Widerstand. Weil Monsanto vor allem in Amerika stark ist und Bayer in Europa und Asien, drohe kein Monopol, heißt es. Wie sehen Sie das?
Das ist eine billige und durchschaubare Argumentation, um die Übernahme harmlos erscheinen zu lassen und rechtlich zu ermöglichen. Aber allein die Aussage, beide Konzerne seien auf komplementären Geschäftsfeldern tätig, wird ja schon dadurch Lügen gestraft, dass beide Konzerne außerhalb Europas gentechnisch verändertes Saatgut und dazu passende Totalherbizide im Kombipack anbieten. Diese findet man in allen Agrarregionen der Welt. Besonders groß sind die Überschneidungen zwischen Bayer und Monsanto im Bereich der Pestizide.
In der Fragestunde wollen Sie erfahren, wie die Bundesregierung die Übernahme aus wettbewerbsrechtlicher Sicht einschätzt und welche Auswirkungen sie auf Saatgutvielfalt und Saatgutpreise in der EU sieht. Was erwarten Sie als Reaktion von ihr?
Ich habe die Bundesregierung angesichts der sich andeutenden Fusion bereits im Mai gefragt, wie sie die Entwicklung der Agrobiodiversität und der Wettbewerbssituation bewertet. Die Antwort lautete damals, dass ihr dazu keine einschlägigen Erkenntnisse vorlägen. Die Bewertung der Wettbewerbssituation falle darüber hinaus in die Kompetenz der zuständigen Wettbewerbsbehörden. Ich muss schon sagen: Wenn der Bundesregierung zu dieser Frage tatsächlich nicht mehr einfällt als das, dann ist das ein Armutszeugnis. Sie muss ihre Hausaufgaben machen und sich die Erkenntnisse dazu eben beschaffen! Diese „Uns-doch-egal“-Haltung ist schlicht verantwortungslos. Dafür ist dieser Deal ein paar Hausnummern zu groß.
Aber ist die Bewertung der wettbewerbsrechtlichen Situation nicht in erster Linie Sache der Kartellbehörden und nicht der Bundesregierung?
Natürlich. Die Kartellbehörden müssen die Auswirkungen einer solchen Fusion gründlich prüfen und insbesondere die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen dem Saatgut- und dem Pestizidmarkt beachten. Aber es ist die vornehmste Aufgabe der Bundesregierung, hier im nationalen Interesse auch selbst tätig zu werden und eine umfassende Folgenabschätzung vorzunehmen – gerade um die Auswirkungen dieser Fusion auf Saatgutvielfalt und -preise, auf Landwirtschaft, Arbeitsplätze und Umwelt zu einschätzen zu können. Man kann sich nicht wie Wirtschaftsminister Gabriel um die Edeka-Tengelmann-Fusion kümmern, aber bei der Monsanto-Übernahme von Bayer tatenlos zuschauen.
Die Bundesregierung soll also eingreifen und letztlich die Fusion verhindern?
Die Bundesregierung ist zumindest gefordert, hier ganz genau hinzusehen. Sie muss sich ein Bild verschaffen, was passieren kann und dann überlegen, ob diese Fusion verhindert werden sollte. Das bedeutet aber auch ganz konkret, die Kartellbehörden aufzufordern, bestimmte Aspekte zu prüfen, die sie sonst vielleicht gar nicht prüfen würden.
Sie wollen auch wissen, ob die Regierung die Notwendigkeit sieht für eine nationale Züchtungsstrategie, wie es sie etwa schon in der Schweiz gibt. Wieso?
Wenn wir den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und die Auswirkungen des Klimawandels ernst nehmen, brauchen wir schlicht eine ganz andere Landwirtschaft und ein Saatgut, das uns die großen Konzerne auf dem Markt immer weniger zur Verfügung stellen, auch aufgrund der wachsenden Konzentration. Sie haben nicht das vielfältige Saatgut, das wir aufgrund der vielen klimatischen und standortbezogenen Unterschiede schon allein hier in Deutschland brauchen – die lokalen, mittelständischen Züchter haben es dagegen sehr wohl. Eine nationale Züchtungsstrategie sollte deshalb nach einer ehrlichen Analyse der Entwicklung der Züchtungslandschaft, der Kulturartenvielfalt und der Züchtungsintensität in bestimmten Sparten klar definieren, welches Saatgut wir benötigen, um in Zukunft eine ernährungssouveräne, nachhaltige, klimafreundliche und ressourceneffiziente Landwirtschaft betreiben zu können.
Sie befürworten demnach eine solche Züchtungsstrategie?
Ja. Leider kann ich bislang kein Nachdenken der Bundesregierung darüber erkennen. Sie scheint das Problem noch nicht einmal erkannt zu haben. Das macht mir große Sorgen.
(sas/20.09.2016)