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15. Wahlperiode
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   152. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 21. Januar 2005

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Morgen und uns gute Beratungen.

Wir beginnen mit dem Tagesordnungspunkt 16:

Erste Beratung des von den Abgeordneten Olaf Scholz, Hermann Bachmaier, Sabine Bätzing, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Jutta Dümpe-Krüger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien

– Drucksache 15/4538 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)InnenausschussRechtsausschuss FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft VerteidigungsausschussAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss gemäß § 96

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Olaf Scholz für die SPD-Fraktion das Wort.

Olaf Scholz (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor etwas mehr als 200 Jahren haben die Menschen in Frankreich, in England und in den späteren Vereinigten Staaten von Amerika die Demokratie erkämpft und sich für Grundfreiheiten und Grundrechte eingesetzt. Viele der Dinge, die damals gesehen worden sind, sind noch heute Bestandteil unserer Verfassungsordnung und der Verfassungsprinzipien. Dazu gehört auch und ganz zentral, dass der Staat niemanden wegen seines Geschlechts, wegen seiner Behinderung, wegen seines Alters, wegen der sexuellen Identität oder ethnischen Herkunft diskriminieren darf.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Heute, etwa 200 Jahre später, besteht eine Situation, in der wir das so selbstverständlich finden, dass wir sagen: Solche Prinzipien sollen nicht nur gelten, wenn es um die Beziehung zwischen Staat und Bürgern, wenn es um Abwehrrechte geht, sondern auch dann, wenn es um die Beziehung von Bürgerinnen und Bürgern, jedenfalls mächtigeren Bürgerinnen und Bürgern, zu anderen geht. Das heißt, solche Prinzipien, wie sie unsere Verfassungsordnung mittlerweile für jeden von uns selbstverständlich hat werden lassen, sollen auch im Zivilleben und in der Zivilgesellschaft gelten.

Das ist die mittelbare Wirkung der Grundrechte, etwas, das wir unterstützen, das aber niemals oder fast nie unmittelbar durchgesetzt wird; der Gesetzgeber muss aber auch etwas tun, damit es dazu kommt. Die in manchem Kommentar gern geschriebene und an vielen Stellen wiederholte Behauptung, dass durch unsere Gesetzgebung bereits alles geregelt sei, ist nicht richtig. Manche künstliche Aufregung wäre nicht erklärbar, wenn sie richtig wäre. Was wir hier tun, ist also schon etwas Notwendiges.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Worum geht es? Wir als anständige Bürgerinnen und Bürger wollen Folgendes einfach nicht mehr hinnehmen: Eine Gruppe Behinderter hat ein Hotel gebucht, erscheint dort und dann wird ihr gesagt: Ihr könnt hier nicht sein; wir wollen nicht, dass ihr als behinderte Menschen, als Rollstuhlfahrer die übrigen Gäste stört. – Das ist die Situation, die unerträglich ist und die wir nicht mehr hinnehmen wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist die Situation, die Sie immer vor Augen haben müssen, wenn Sie das, was Sie hier vorhaben zu sagen, sagen,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Ina Lenke (FDP): Warten Sie doch erst einmal ab!)

wenn Sie aufschreiben, was Sie an verschiedenen Stellen schon aufgeschrieben haben und was Sie auch anderswo nachlesen können, nämlich dass es uns angeblich darum gehe, in die Privatbeziehungen der Bürger hineinzugehen.

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Da meldet sich Ihr schlechtes Gewissen!)

Wenn man sich klar macht, was die Gefühle eines behinderten Menschen sind, der dort nicht eingelassen wird,

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie müssen Herrn Schröder verklagen!)

dann kommt man zu dem Schluss, dass es zynisch ist, wenn man liest und hört, dass es ein unangemessenes Vorgehen des Staates wäre, sich in diese Angelegenheit einzumischen. Wir wollen uns einmischen – im Sinne des Anstands, den wir hier in diesem Land zu vertreten haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist auch so, dass wir ein sehr pragmatisches Gesetz gemacht haben. Das wichtigste Kennzeichen für den Pragmatismus, den wir in diesem Gesetz haben walten lassen,

(Dirk Niebel (FDP): Definieren Sie doch einmal bitte „pragmatisch“!)

ist, dass man sich ohne besondere Lektüre dieses Gesetzes gesetzeskonform verhalten kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/DSU – Zuruf von der CDU/CSU: Dann können wir es ja gleich lassen! – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wozu brauchen wir dann überhaupt ein Gesetz?)

Wer so ist, wie wir alle sein wollen – trotz Ihrer Aufregung glaube ich, dass Sie persönlich etwas für das Gesetz übrig haben – und wie ein anständiger Bürger sein sollte, der wird mit diesem Gesetz keine Probleme haben und braucht auch keinen Rechtsanwalt.

(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Montesquieu! – Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Wer sich an die zehn Gebote hält, braucht auch keine Gesetze!)

Es ist auch nicht notwendig, dass jetzt viele Unternehmen die teuren Seminare besuchen, die überall angeboten werden: „Wie bereite ich mich auf das Antidiskriminierungsgesetz vor?“ Das ist verschwendetes Geld; das sollten die sparen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer sich schon angemeldet hat, sollte sich wieder abmelden. Das ist nicht notwendig. Wenn Sie einen Rechtsanwalt gefunden haben, der sagt, man müsse vorsorgen und dokumentieren – was man überhaupt nicht muss –,

(Markus Grübel (CDU/CSU): Aber beweisen muss man es können!)

dann sollten Sie ihn auf Schadenersatz verklagen, weil er Sie falsch beraten hat. Das ist die Situation.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Markus Grübel (CDU/CSU): Haben Sie das Gesetz überhaupt schon einmal gelesen?)

Ich glaube, dass wir uns in einer rechtlichen Kultur befinden, die man folgendermaßen beschreiben kann: Verbandsvertreter, Rechtsanwälte und alle, die einen beraten – auch Politiker –, handeln ganz marktwirtschaftlich: Wenn man laut schreit, gibt es mehr Geld. Sicherlich hat die Tatsache, dass wir unseren Gesetzentwurf vor Weihnachten vorgestellt haben, auch dazu beigetragen, dass mancher Verbandsvertreter mehr an die Weihnachtsprämie und an die Zusatzvergütung gedacht hat, als er gesagt hat: Ihr müsst noch einmal Geld an meinen Verband überweisen, weil ich euch vor etwas warnen muss. Das war aber falsch und nicht notwendig.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Insofern, glaube ich, ist hier eine angemessene Betrachtung angebracht.

Das beliebteste Beispiel zu diesem Thema – ich will es gerne aufgreifen; jeder darf dabei etwas Falsches sagen und sich dennoch gut fühlen – ist immer wieder – in verschiedenen Varianten falsch nacherzählt –, dass jemand, der sich um eine Wohnung beworben und sie nicht bekommen habe, nur behaupten müsse, er werde diskriminiert, weil er homosexuell sei; schon müsse der Vermieter beweisen, dass das Gegenteil der Fall sei. Das ist grober Unfug. Das steht nicht im Gesetz. Das Gesetz wird auch niemals so ausgelegt werden können. Aber all die, die das immer wieder behaupten, leben davon, dass sie auf lauter Leute treffen, die erst einmal annehmen: Ein Abgeordneter lügt nicht.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Diese Leute denken sich: Wenn er das sagt, wird das wohl so im Gesetz stehen. – Es steht aber nicht im Gesetz. Deshalb sage ich Ihnen: Das werden Sie im Gesetz nicht finden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel (FDP): Das ist ja eine Faschingsrede!)

Damit Sie es nicht so leicht haben, haben wir uns bei der Gesetzgebung einen ganz wichtigen Schritt überlegt. Wir haben nämlich gesagt: In der Frage der Beweiserleichterung, die uns die EU in vielen Fällen vorgeschrieben hat und die wir auch gerne umsetzen wollen, greifen wir das auf, was wir schon in unserer Rechtsordnung haben. In § 611 a BGB steht, dass es eine Beweiserleichterung gibt, wenn jemand im Arbeitsleben wegen seines Geschlechts diskriminiert worden ist. Das ist eine pragmatische Regelung, bei der man all die unwahren, schrillen Töne abtesten kann, die jetzt erklungen sind. Es gab wegen dieses Paragraphen nämlich keine Prozessflut. Es hat auch keine Dokumentationspflichten und keinen strukturellen Missbrauch wegen dieser Regelung gegeben. Ja, am Anfang haben sich fünf naseweise männliche Jurastudenten auf Frauenjobs beworben, in der Hoffnung, dass jemand sagt: Ich nehme keine Männer. Das hat halb geklappt, halb nicht. Nun hat die Rechtsprechung das klargestellt. Sie können jedenfalls an wenigen Händen abzählen, wie viele Verfahren es zu diesem Thema gibt. Dann wissen Sie, dass es einfach die Unwahrheit ist, zu sagen, hier drohe Bürokratie und hier drohe eine Prozessflut. Das ist nichts weiter als Propaganda, die keine Rechtfertigung in diesem Gesetzesvorhaben hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die letzte der beliebten falschen Behauptungen lautet, wir gingen hier unglaublich über die Vorgaben der Europäischen Union hinaus. Zunächst einmal ist dazu zu sagen: Wir machen das Gesetz nicht, weil die EU uns dazu zwingt, sondern deshalb, weil wir das für richtig halten. Wir bekennen uns zu dem, was wir da machen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ina Lenke (FDP): Das hat ja lange gedauert! Sie hatten fast ein Verletzungsverfahren am Hals! – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Warum lassen Sie sich dann so viel Zeit?)

Es ist auch richtig, dass es mittlerweile vier Richtlinien gibt, die wir umsetzen müssen. Aber jeder, der den Satz sagt oder schreibt, wir gingen über die Vorgaben hinaus, hofft, dass ihn keiner fragt, was er eigentlich damit meint. Denn dann müsste man antworten, dass damit nicht gemeint ist, wir gingen bei der Ausgestaltung der Rechte zu weit, etwa in Bezug auf Beweiserleichterung, in Bezug auf die Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände oder in Bezug auf ähnliche Dinge – diese sind ja vorgeschrieben; das sollen wir machen –, sondern dass wir in dem Punkt darüber hinausgehen, dass wir zum Beispiel Menschen mit Behinderungen einbeziehen. Wenn Sie der Meinung sind, wir sollten für die Menschen mit Behinderungen nichts tun, dann sagen Sie das auch, statt sich auf einen so abstrakten, nicht hinterfragbaren Satz wie den zurückzuziehen, wir gingen über die Vorgaben hinaus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Scholz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke?

Olaf Scholz (SPD):

Ich bin zwar fast am Ende meiner Rede, aber bitte.

Ina Lenke (FDP):

Herr Scholz, vielleicht sind Sie gleich mit Ihrem Latein am Ende, wenn Sie auf meine Frage antworten sollen. Ich frage Sie, ob es richtig ist, dass Sie die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 nicht, wie die EU es vorgeschrieben hat, bis zum Dezember 2003 umgesetzt haben. Sie sagten, dass Sie die Vorgaben der EU gar nicht brauchten; aber bis 2003 haben Sie gar nichts gemacht.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Lenke, guten Morgen! – Zurufe von der SPD: Oh!)

Es war fast ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig. Vielleicht können Sie sich einmal dazu äußern.

Olaf Scholz (SPD):

Ich bedanke mich für Ihre Frage.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Es ist in der Tat so, dass mittlerweile eine ganze Reihe von Richtlinien, die umgesetzt werden müssen, aufgelaufen ist, und manche davon hätten schon umgesetzt sein müssen. Das ist gar nicht zu bestreiten.

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Das ist Ihnen aber völlig egal!)

Ein wenig müssen Sie sich – ich weiß nicht, wie Sie sich hier einlassen wollen – oder wenigstens die Vertreter Ihrer Partei und von der Union schon darauf verständigen, was Sie sagen wollen. Wollen Sie sagen, wir gingen zu weit, oder wollen Sie sagen, wir seien nicht rechtzeitig genug fertig geworden? Beides ist nicht dasselbe.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das eine hat mit dem anderen doch nichts zu tun! Ganz unterschiedliche Zusammenhänge, Herr Scholz! – Zurufe von der CDU/CSU)

   Deshalb will ich Ihnen gerne sagen, dass wir das sehr bewusst so gemacht haben. Manchmal ist es nämlich so, dass eine längere Beratungszeit dazu beiträgt, dass man einen umfassenden und sorgfältig abgewogenen Gesetzentwurf zustande bringt, so wie wir es jetzt geschafft haben.

(Markus Grübel (CDU/CSU): Die Regierung hat das nicht zustande gebracht!)

Deshalb glaube ich, dass sich die lange Beratungszeit in einem guten Ergebnis niedergeschlagen hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Letzte Bemerkung: Wir hielten es für richtig, auf der Ebene der Zivilgesellschaft und des Privatrechts zu bleiben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es gibt auch Strafrecht!)

Wir haben uns das, was die französischen konservativen Juristen im Rechtsausschuss vorgetragen haben, nicht zu Eigen gemacht. Diese haben vorgeschlagen, eine hohe Behörde einzurichten, die in alle Privatbeziehungen intervenieren kann, und das Strafrecht zu verschärfen. Wir haben gesagt, die Menschen sollen das untereinander regeln. Dabei helfen wir ihnen. Das ist ein Fortschritt für dieses Land.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun die Kollegin Maria Eichhorn, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Maria Eichhorn (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Scholz, wir sind zwar in der Faschingszeit, aber dieses Gesetz ist so weit reichend, dass es es verdient hätte, sich ernsthaft mit ihm auseinander zu setzen. Das werden wir tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Davon haben wir bisher nichts gehört!)

Meine Damen und Herren, vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. Art. 3 unseres Grundgesetzes und verschiedene Vorschriften schützen die Bürgerinnen und Bürger vor Benachteiligungen aufgrund bestimmter Merkmale wie Geschlecht, Abstammung, Religion, Behinderung usw. Dieses unbestrittene Grundrechtsprinzip hat Konsequenzen: Einer Frau darf nicht deshalb ein Arbeitsplatz verweigert werden, weil sie eine Frau ist. Wie lässt sich dieses nachweisen? Steht dem nicht das Prinzip der Vertragsfreiheit entgegen? Es sollte doch jeder Verträge abschließen können, mit wem er will.

   Die Umsetzung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien durch das vorliegende Gesetz gibt der Politik der Antidiskriminierung in Deutschland einen völlig neuen Stellenwert. Der Gesetzentwurf geht weit über die von der EU vorgeschriebenen notwendigen Regelungen hinaus.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagen Sie doch mal, wo!)

Das gilt sowohl für die Diskriminierungstatbestände als auch für die betroffenen Rechtsgebiete. Die EU verlangt nur ein zivilrechtliches Diskriminierungsverbot aufgrund der Rasse und der ethnischen Herkunft.

(Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und Sie wollen die Behinderten weiter diskriminieren!)

   Mit der Ausweitung der Diskriminierungstatbestände auf Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht verfolgen Sie eine bestimmte Ideologie

(Sebastian Edathy (SPD): Eine demokratische Ideologie!)

und ändern die Wertmaßstäbe.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das heißt, in diesem Bereich wollen Sie das Recht auf Diskriminierung!)

Es drängt sich die Frage auf, ob das Ziel wirklich die Beseitigung von Diskriminierung ist oder bereits der Schritt zur Bevorzugung von Bevölkerungsgruppen mit bestimmten Merkmalen.

(Nicolette Kressl (SPD): So ein Blödsinn!)

Diese Frage muss erlaubt sein.

   So sucht man den Schutz der Familie bei den geschützten Gruppen vergeblich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ina Lenke (FDP))

Sie bildet unverändert auch heute noch die Basis unserer Gesellschaft und die Basis der Finanzierung unserer Sozialversicherungssysteme. Es stellt sich daher die Frage, ob nicht auch gesellschaftliche Gruppen ohne politische und weltanschauliche Extrempositionen den Schutz unserer Gesellschaft verdienen.

(Nicolette Kressl (SPD): Was sind das denn für Extrempositionen bei Behinderten? Was soll das denn?)

   Das Gesetz bringt weit gehende Einschnitte im arbeitsrechtlichen Bereich mit analoger Anwendung auf Beamte. Im Zivilrecht sind das Versicherungs- und das Mietrecht besonders betroffen. So schaffen Sie zusätzliche Bürokratie und sorgen für eine noch stärkere Überregulierung unserer Gesellschaft.

(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

Kleine und mittelständische Betriebe werden besonders darunter leiden. Das Gesetz ist ein Arbeitsplatzverhinderungsgesetz,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Ha, ha!)

und das bei einer Rekordzahl von 4,4 Millionen Arbeitslosen. Das ist unverantwortlich.

(Christel Humme (SPD): Also diskriminieren wir weiter!)

   Mit der Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle, die beim Familienministerium vorgesehen ist, geht der Gesetzentwurf ebenfalls über die EU-Richtlinien hinaus. Diese Richtlinien sehen eine solche Stelle nur für die Benachteiligung wegen Rasse, ethnischer Herkunft und Geschlecht vor. Zusätzliche Bürokratie entsteht bei dieser Stelle durch die detaillierte Regelung der Rechtstellung des Leiters und durch einen 16-köpfigen Beirat, der Anspruch auf umfangreiche Geldleistungen hat.

   Eine der Hauptaufgaben dieser Stelle ist die Öffentlichkeitsarbeit, und das für schätzungsweise 5,6 Millionen Euro jährlich. Aber bei unserer hervorragenden Haushaltslage sind das ja nur Peanuts.

   Wenn man die eigentlichen Aufgaben der Stelle nachliest, stellt sich zugleich die Frage nach der Wirksamkeit dieser Einrichtung. Erfahrungen mit der Ombudsmannstelle in Schweden zeigen jedoch, dass diese Stelle zwar vermittelt, aber faktisch nichts durchsetzen kann. Also viel Wind, aber kein Erfolg.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wollen also die Stelle stärken! Sie wollen, dass sie überall interveniert! Interessante Position!)

   Was ist Diskriminierung? Diskriminieren bedeutet herabsetzen, herabwürdigen. Eine Rollstuhlfahrerin berichtet, ein Hotelbetreiber, der nach seinen eigenen Worten über einen barrierefreien Zugang verfügt und auch Zimmer anbietet, die für Rollstuhlbenutzer geeignet sind, habe ihr mitgeteilt, dass er nicht gerne Zimmer an Rollstuhlfahrer vermiete. Weiter sagte er zu der daraufhin sprachlosen Frau, nebenan gebe es ein Altenheim; sie solle doch dort nachfragen, ob ein Zimmer zur Anmietung frei sei.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb wollen Sie es so lassen?)

   Behinderte erfahren ebenso Diskriminierungen zum Beispiel bei Reisen, bei Veranstaltungen, in der Gastronomie, beim Abschluss von Versicherungsverträgen. Dies wurde bei einem Werkstattgespräch der CDU/CSU-Fraktion im Oktober bestätigt.

(Sebastian Edathy (SPD): Sie reden mit den Leuten und wir handeln! Das ist der Unterschied!)

Diese Diskriminierungen müssen wir aufdecken und für Abhilfe sorgen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann wollen Sie doch über die EU-Richtlinie hinausgehen!)

Die Behindertenverbände haben zum vorliegenden Gesetzentwurf bereits Verbesserungsvorschläge gemacht. Diese werden wir aufgreifen und im Gesetzgebungsverfahren wohlwollend prüfen.

   Ich will einen weiteren Fall schildern. Einem 70-jährigen Bankkunden wurde mit Hinweis auf sein Alter der Dispositionskredit gekündigt, obwohl sich seine Vermögensverhältnisse nicht geändert hatten. Auch Jüngere sind von Diskriminierung betroffen. Über 50-Jährige – das wissen wir – haben kaum noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb haben wir das Alter mit aufgenommen!)

   Trotz aller Gleichstellungsbemühungen seit Jahrzehnten fließt das Merkmal „Geschlecht“ in die Bewertungspraxis der Arbeit, die überwiegend von Frauen verrichtet wird, immer noch mit ein.

(Elke Ferner (SPD): Aha!)

Frauenarbeit wird systematisch unterbewertet. Selbstverständlich gilt der Rechtsanspruch „gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit“. Doch gibt es andere Möglichkeiten, Frauen- und Männerarbeit unterschiedlich zu bezahlen. Das gilt auch bei höherem Ausbildungsniveau. So lag der durchschnittliche Nettoverdienst im Jahre 2002 bei Männern in höheren Positionen bei 2 454 Euro und bei Frauen in gleicher Position bei durchschnittlich nur 1 626 Euro.

   Wir sind uns einig: Auch hier gibt es noch viel zu tun.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Aber gibt das Antidiskriminierungsgesetz darauf die richtige Antwort? Das ist die Frage.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geben Sie mal eine Antwort!)

Die unklaren Definitionen im Gesetzentwurf werfen viele Fragen auf. Die Formulierungen sind vielfach weder rechtlich noch fachlich durchdacht. Rechtsanwälte und Gerichte können sich über viel zusätzliche Arbeit freuen. Wer meint, diskriminiert worden zu sein, braucht diesen Verdacht nur noch glaubhaft zu machen. Der Beschuldigte muss dann vor Gericht seine Unschuld beweisen. Dies führt zu langen und schwierigen Gerichtsverhandlungen.

   Ein Vermieter wird danach künftig nachweisen müssen, dass er einen Mieter abgelehnt hat, weil er an seiner Zahlungsfähigkeit zweifelt, und nicht etwa deswegen, weil er zum Beispiel eine dunkle Hautfarbe hat. Die Beweislastumkehr wird für viele zur Diskriminierungsfalle.

(Sebastian Edathy (SPD): Wo steht die denn? – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn die im Gesetz stünde, dann wäre es schon schlimm!)

Das zeigen Erfahrungen in den USA und in Großbritannien.

   Bereits in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Regelungen, die eigentlich schützen sollten, kontraproduktiv waren. Ich erinnere nur an die von Ihnen eingeführte gesetzliche Regelung zur Teilzeitarbeit.

   Meine Damen und Herren, das Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes, bestimmte Personenkreise umfassend zu schützen, mag vielleicht juristisch erreicht werden. Es ist jedoch äußerst zweifelhaft, ob der Schutz dieser Personen tatsächlich erreicht werden kann. Hinzu kommt, dass das Risiko von Schadensersatzansprüchen dazu führen kann, dass der Kontakt mit den Geschützten von vornherein vermieden wird. So sagt der Haus- und Grundbesitzerverein: Die geplanten gesetzlichen Veränderungen im Bereich des Mietrechts helfen nicht den geschützten Personen, sondern erschweren die Integration von Minderheiten. Andere wiederum, die wie der Deutsche Juristinnenbund das Gesetz begrüßen, stellen fest, dass die Verbesserungen gering ausfallen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die wollen weitergehen! Wollen Sie auch weitergehen? Sagen Sie doch einmal, was Sie wollen! Minus und Plus kann man nicht gleichzeitig wollen!)

   Nikolaus Piper warnt in einem Kommentar der „SZ“ vom 1. Dezember 2004 – Herr Scholz, die „Süddeutsche Zeitung“ ist ja keine Zeitung, die Ihnen schlecht gesonnen ist – vor einer überzogenen Antidiskriminierungspolitik, die in eine Falle gerate. Ich zitiere:

Das gut Gemeinte richtet sich in der Überdosis gegen das eigentlich verfolgte Ziel. Nicht der Erfolg der potenziell Diskriminierten ist das Ergebnis, sondern die ökonomische und gesellschaftliche Lähmung.
(Sebastian Edathy (SPD): So ein Unsinn!)

Er fährt fort:

Die Bundesregierung wäre gut beraten, die von Brüssel verordnete Politik so behutsam wie möglich umzusetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beitrag der Union lässt mich – das muss ich Ihnen gestehen – etwas ratlos zurück.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Man sollte sich schon entscheiden, ob man, wie es manche, insbesondere die betroffenen Verbände, tun, kritisieren will, dass man noch mehr hätte machen können und wir nicht weit genug gegangen seien, oder ob man kritisieren will, dass wir viel zu weit gegangen seien. Da sollte man sich schon entscheiden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Die Tatsache aber, dass es in beide Richtungen Kritik an unserem Gesetzentwurf gibt, zeigt, dass wir einen ausgewogenen Kompromiss

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

zwischen einerseits einem wirksamen Diskriminierungsschutz und andererseits keiner unnötigen Belastung der Wirtschaft und der Anbieter von Dienstleistungen gefunden haben.

   Ziel dieses Gesetzes ist es, jedem Bürger und jeder Bürgerin in unserem Land einen gleichberechtigten Zugang zum Markt, zum Handel mit Waren und Dienstleistungen und zum Arbeitsmarkt, zu verschaffen. Ziel dieses Gesetzes ist es nicht, den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie zu denken haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist großzügig!)

Ein gleichberechtigter Zugang zum Markt gewinnt in Zeiten, in denen sich der Staat aus immer mehr Bereichen zurückzieht und das Angebot privaten Trägern überlässt, zunehmend an Bedeutung. Wer heute keinen gleichberechtigten Zugang zu Waren und Dienstleistungen und zum Arbeitsmarkt hat, hat keine Chance, sich in dieser Gesellschaft frei zu entfalten und sich selbstverantwortlich zu engagieren, wie wir es aber bei der Agenda 2010 von den Menschen erwarten. Deshalb ist das, was wir mit diesem Gesetz bewirken wollen, nur fair.

   Man muss die Dinge auch zu Ende denken, Frau Kollegin Eichhorn. Es ist richtig: In diesem Gesetzentwurf steht nicht das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Familienstandes. Würden wir dies aber in das Gesetz aufnehmen, handelten wir mit Zitronen. Dann dürfte nämlich niemand mehr Ehepaare und Familien bevorzugen, sie würden den Sanktionen dieses Gesetzes unterliegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir respektieren den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie. Wir haben mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass dies offensichtlich nicht mehr der Frauenpolitik der Union entspricht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   In der Tat gehen wir mit diesem Gesetz an einer Stelle deutlich über das uns von der EU Vorgeschriebene hinaus: Wir wollen die Diskriminierung im Zivilrecht nicht nur hinsichtlich Rasse, ethnischer Herkunft und, wie wir dies neuerdings tun müssen, Geschlecht untersagen. Man soll auch Behinderte, alte Menschen, religiöse Minderheiten wie Juden und Muslime sowie Homosexuelle nicht diskriminieren dürfen; das scheint Sie, wenn ich das richtig vernommen habe, am meisten zu stören.

   Ich kann mir angesichts unserer Geschichte – wir werden jetzt den 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus begehen – schlichtweg nicht vorstellen, dass wir in Deutschland ein Antidiskriminierungsgesetz verabschieden, nach dem Behinderte und Juden nicht vor Diskriminierung geschützt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Die Werteordnung des Grundgesetzes erteilt der Diskriminierung und der Ausgrenzung aufgrund bestimmter Persönlichkeitsmerkmale eine klare Absage. Das ist in Art. 3 des Grundgesetzes geregelt. Art. 3 des Grundgesetzes bindet aber unmittelbar nur den Staat und seine Organe. Das heißt: Der Staat darf den Bürger nicht diskriminieren. Wir wollen aber, dass die Bürger die gleichen Möglichkeiten haben, wenn es zum Beispiel darum geht, Versicherungsverträge abzuschließen oder eine Wohnung zu mieten, und nicht aufgrund bestimmter Merkmale, zum Beispiel wie sie zu alt sind, weil sie eine Frau oder eben ein Mann sind, weil sie schwul oder heterosexuell sind oder weil sie behindert sind, davon ausgeschlossen sind. Wir wollen jedem die gleichen Chancen und Möglichkeiten eröffnen.

   Was ist heute Realität? Es ist zwar nicht flächendeckend der Fall, kommt aber immer wieder vor, dass Frauen höhere Tarife bei Kranken- und Lebensversicherungen zahlen. Homosexuellen werden Lebensversicherungsverträge pauschal verweigert. Menschen nicht deutscher Herkunft, Schwule und Lesben sowie Behinderte erfahren vergleichbare Diskriminierungen im Gastronomiebereich. Solche Leute will man nicht bedienen, man will sie dort nicht haben. Ausländisch aussehenden jungen Männern wird der Zugang zu einer Diskothek verweigert. Behinderte Menschen werden oft in einem Ferienhotel nicht aufgenommen, weil man unterstellt, sie würden die anderen Gäste stören. Das wollen wir abstellen. Bislang ist dies durch unsere Rechtsprechung gedeckt. Es gibt Gerichtsurteile, nach denen der Wert der Leistung eines Reiseveranstalters gemindert werden kann, wenn Behinderte am Nebentisch ihre Mahlzeit einnehmen. Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Sie können doch nicht wollen, dass das so bleibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Besonders gravierend sind die Benachteiligungen im Arbeitsleben, bei der Einstellung, beim beruflichen Aufstieg, bei den Arbeitsbedingungen und bei der Entlohnung.

Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass das abgestellt wird.

   Lassen Sie mich kurz zum Schluss kommen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Möchten Sie, bevor Sie zum Schluss kommen, eine Zwischenfrage zulassen?

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Aber selbstverständlich.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Der Kollege Scheuer hatte sich gemeldet. Bitte schön.

Andreas Scheuer (CDU/CSU):

Herr Kollege Beck, Sie malen hier das Bild von einer Gesellschaft in Deutschland, die voller diskriminierter Gruppen und voller ekliger verschiedener Auffassungen ist. Sind Sie allen Ernstes der Meinung, dass in Deutschland solch eine Gesellschaft voller Diskriminierung, Neid und Hass vorherrscht?

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich bin der Meinung, dass ich die Gesellschaft richtig beschrieben habe und dass sie nicht voller Diskriminierung ist. Ich habe das eben in meiner Rede ausgeführt: Solche Diskriminierungen kommen nicht flächendeckend vor, aber in bestimmten Bereichen immer wieder.

   Kürzlich lief bei RTL eine Fernsehsendung, in der zehn Versicherer befragt wurden, wie sie es mit Lebensversicherungen für Homosexuelle, die eine eingetragene Partnerschaft haben, halten. Das Ergebnis war: Lebensversicherungen und Krankenversicherungen verweigern einen Vertrag, weil sie Homosexuelle offensichtlich für krank halten und deshalb ein höheres Risiko befürchten.

   Wenn Sie einmal unsere Frauenpolitiker fragen, wie die Konditionen für Versicherungsverträge aussehen, dann werden sie Ihnen sagen, dass Frauen bei Verträgen im Bereich der Lebensversicherung einfach überall mehr zahlen als Männer. – Sie bleiben bitte stehen, bis ich Ihre Frage beantwortet habe, Herr Scheuer. Wenn man eine Frage stellt, muss man die Antwort aushalten. Das ist unsere Regel hier.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Gibt es dafür, dass Frauen mehr zahlen als Männer, einen guten Grund? Wir wissen aus versicherungsmathematischen Berechnungen, dass es andere Kriterien gibt, die für den Schadensverlauf und für das Risiko des Versicherers wesentlich relevanter sind.

   Wir werden mit diesem Gesetz dafür sorgen, dass Versicherer in Zukunft nur aufgrund von versicherungsmathematischen Kriterien unterschiedliche Tarife ausloben können. – Sie wollen nicht mehr lernen, deshalb erspare ich Ihnen den Rest. Bitte setzen Sie sich, Herr Kollege!

(Beifall und Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Geschlechtergerechtigkeit und der Ausbau des Diskriminierungsschutzes sind keine Luxusartikel, sondern notwendige Zutaten einer wirksamen Modernisierungspolitik. International kann keine Volkswirtschaft bestehen, die nur nach Altvätersitte geführt wird. Im Zeitalter der Globalisierung ist die Anerkennung von Diversity ein wichtiges Element für wirtschaftlichen Erfolg. Niemand hat die Illusion, dass Diskriminierung nun per Knopfdruck über Nacht verschwindet. Ein Antidiskriminierungsgesetz ist aber ein wichtiges gesellschaftspolitisches Signal der Integration: ein Signal für das ernsthafte Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit und ein Signal gegen die Herabwürdigung und Ausgrenzung von Menschen, weil sie anders sind. Es wäre schön, wenn wir wenigstens darüber einer Meinung wären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun der Kollege Heinrich Kolb für die FDP-Fraktion.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu Beginn meiner Rede hier sehr deutlich und unmissverständlich sagen: Die FDP-Bundestagsfraktion wendet sich wie schon bisher auch heute und in der Zukunft mit aller Entschiedenheit gegen Diskriminierung und Intoleranz.

(Beifall bei der FDP)

Wir treten dafür ein, bestehende Diskriminierungen zu beseitigen und die Rechte von Minderheiten zu stärken. Wir wollen die gleichen Rechte und auch die gleichen Chancen für alle Menschen,

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und jetzt kommt das Aber!)

und das unabhängig von ihrer Rasse, ihrer ethnischen Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer Religion, ihrer Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität.

(Beifall bei der FDP)

   Die FDP-Bundestagsfraktion steht auch für EU-Vertragstreue. Herr Kollege Beck, für uns folgt daraus unzweifelhaft, dass die geltenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien in nationales Recht umzusetzen sind, und zwar in einer Weise, die sicherstellt, dass die mit den Richtlinien verbundenen Zielsetzungen erreicht werden. Dabei fangen wir übrigens nicht bei null an; denn schon bisher tragen viele Vorschriften unseres deutschen Rechts dazu bei, Diskriminierung und Benachteiligung zu verhindern und Chancengleichheit zu fördern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich denke, die FDP-Bundestagsfraktion kritisiert mit Recht, dass die Bundesregierung ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG nicht rechtzeitig nachgekommen und erst nach Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens tätig geworden ist. Das steht doch in klarem Widerspruch dazu, dass Sie, Herr Scholz, und Sie, Herr Beck, sich hier hinstellen und sagen: Das ist uns ein wichtiges Anliegen. – Wenn ich heute hier auf die Regierungsbank schaue, muss ich feststellen: Nicht ein Minister Ihrer Regierung ist hier vertreten! Das zeigt, wie ernst und wie wichtig Sie dieses Thema nehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist Ihr Partei- und Fraktionsvorsitzender?)

Wahrscheinlich sind Frau Renate Schmidt und Frau Zypries gerade noch dabei, sich über die Zuständigkeit zu streiten; sonst wären sie möglicherweise hierher gekommen.

Die Besetzung der Regierungsbank ist ein Skandal, Herr Beck.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Ihnen sonst nichts einfällt!)

   Die FDP-Bundestagsfraktion – Herr Beck, das sage ich, um Gemeinsamkeiten festzuhalten – will, dass die geltenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien umgehend umgesetzt werden,

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nicht nur für Behinderte, sondern auch für Juden und für Schwule und Lesben!)

und zwar nicht nur diejenigen, die überfällig sind, weil ihre Umsetzungsfrist bereits abgelaufen ist, sondern auch die Richtlinien, deren Umsetzungsfrist noch läuft. Es macht aus unserer Sicht keinen Sinn, jetzt nur das Überfällige zu erledigen und in einem Jahr oder in zwei Jahren wieder anzufangen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Gesetz ist ja noch nicht einmal verkündet!)

Wir sagen Ja zur Umsetzung der Richtlinien aus einem Guss.

(Beifall bei der FDP)

   Die FDP-Bundestagsfraktion – Herr Beck, das unterscheidet uns; ich bitte Sie, jetzt zuzuhören – will eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinien – nicht weniger, aber auch nicht mehr.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das heißt also: nicht für Behinderte, nicht für Schwule und Lesben und nicht für Juden!)

Wir lehnen den Gesetzentwurf der Koalition ab, weil er nach unserer Auffassung – das will ich in der Folge beleuchten – weit über die EU-Richtlinien hinausgeht. Dieser Gesetzentwurf ist für uns ein erneuter Ausdruck der rot-grünen Staatsgläubigkeit. Er atmet den Geist der Gutmenschen, die den widerspenstigen Bürger mit der Keule des Gesetzes Mores lehren wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist der Ansatz der Union! Da müssen Sie sich schon in Brüssel beschweren!)

   Aber wir meinen: Der Abbau von Diskriminierungen lässt sich nicht – jedenfalls nicht allein – per Gesetz verordnen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen eine Veränderung des Bewusstseins, keine Prozessflut; denn damit wäre niemandem, der diskriminiert wird, geholfen. Was wir brauchen und entwickeln müssen, ist eine Kultur des Miteinanders, in der Diskriminierung und Vorurteile geächtet und Vielfalt und Unterschiedlichkeit akzeptiert und toleriert werden.

(Beifall bei der FDP – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was denn nun?)

– Ich will Ihnen ja sagen, was unserer Meinung nach getan werden kann und soll.

   Bei der Umsetzung der Richtlinien muss man eines sehen:

(Zuruf von der SPD: Was denn?)

Nicht alles, was im Hinblick auf die EU-Richtlinien neu zu regeln ist, muss in einem eigenen Gesetz geregelt werden.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt geht es also um Gesetzesästhetik! – Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch ein reines Ablenkungsmanöver!)

Wir glauben zum Beispiel, dass der zivilrechtliche Regelungsteil der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien – sowohl aus rechtssystematischer Sicht als auch um für die Bürger die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Rechtssystems zu erhalten und zu vergrößern – besser im BGB als in einem Antidiskriminierungsgesetz enthalten sein sollte.

(Beifall bei der FDP – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn wir einen anderen Standort finden, dann stimmen Sie also zu?)

– Herr Beck, am Schluss meiner Rede mache ich Ihnen ein Angebot.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darüber können wir reden!)

   Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt den von der Koalition vorgelegten Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes insbesondere aufgrund folgender Regelungen des Gesetzentwurfs ab:

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil Sie es im BGB haben wollen!)

Die nach § 24 des Entwurfs vorgesehene Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände und die Ermöglichung der Abtretung der Forderung Benachteiligter auf Schadensersatz oder Entschädigung in Geld an diese Verbände führt zu einem modernen Ablasshandel in Sachen Antidiskriminierung.

(Beifall bei der FDP)

   Es mag sein – ich bin mir sogar sicher –, dass hier ein neuer, blühender Wirtschaftszweig einstehen würde und dass es in Antidiskriminierungsverbänden und in der Folge auch in Rechtsanwaltskanzleien und bei Gerichten zu Beschäftigungswundern käme. Aber die Wirkung der Regelungen des § 24 auf weite Bereiche unseres Alltags- und Wirtschaftslebens wäre verheerend. Hier – das muss man sagen – schütten Sie das Kind mit dem Bade aus. Unsere Zustimmung bekommen Sie für diese Regelung nicht.

(Beifall bei der FDP)

   Die im Gesetzentwurf vorgesehene Umkehr der Beweislast geht nach unserer bisherigen Einschätzung zu weit. Sie öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Hier müssen im Hinblick auf die im deutschen Rechtssystem ansonsten geltende Unschuldsvermutung die in den Richtlinien vorgesehenen Spielräume bei der Anpassung des nationalen Rechts genutzt werden.

   Mit dem § 18 des Gesetzentwurfs werden den Gewerkschaften neue Rechte im Betrieb zugewiesen. Dieser Vorschrift zufolge sollen sie, wenn ich das richtig lese, quasi als arbeitsrechtlicher Antidiskriminierungsverband auch ohne den Willen oder die Zustimmung eines Benachteiligten tätig werden und vor Gericht Rechte geltend machen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen – wahrscheinlich insbesondere von der SPD –, das mag ja als ein Stärkungsmittel für die an Mitgliederschwund leidenden Gewerkschaften gedacht sein, ist aber weder erforderlich noch sachgerecht.

(Beifall bei der FDP)

   Die Schaffung einer neuen Antidiskriminierungsstelle als eigener Behörde mit umfassendem bürokratischen Apparat und Stellenkegel ist wahrscheinlich der Beitrag der Grünen zum Antidiskriminierungsgesetz. Hier wird erneut – ich will sagen: ziemlich hemmungslos – die grüne Klientel bedient.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Schewe-Gerigk hat, wie es heute Morgen in einer Tickermeldung hieß, gesagt, dass sich die Grünen noch mehr Stellen gewünscht hätten. Auch diese Aussage spricht Bände.

Wir meinen, die EU-Richtlinien machen diese Bürokratie nicht erforderlich. Stattdessen wäre nach unserer Auffassung die inhaltliche Stärkung der auch schon bisher vorhandenen Beauftragten sinnvoll; Frau Beck und Herr Haack sind ja heute Morgen hier oder waren zumindest hier. Eventuell auftretende Lücken hinsichtlich der nach EU-Recht notwendigen Kompetenzen und Zielgruppen können durch eine Stelle im Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend geschlossen werden.

(Beifall bei der FDP)

Aber wir brauchen kein neues bürokratisches Monstrum, keine neue Behörde.

   Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich an Sie appellieren – Herr Kollege Beck, wenn Sie mir freundlicherweise Ihre Aufmerksamkeit schenken würden –: Es wäre schön, wenn es gelingen könnte, für das wichtige Vorhaben der Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien einen breiten Konsens in diesem Hause herzustellen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann müssen Sie sich aber ein bisschen bewegen!)

Wir sind dazu bereit, bisher wollen Sie das aber offensichtlich nicht. Jedenfalls ist der Entwurf, den Sie, ohne auch nur ansatzweise Rücksprache mit der Opposition zu halten, vorgelegt haben, hierfür keine Basis. Das ist bedauerlich, weil wir in der Vergangenheit bei ähnlichen Vorhaben, etwa bei der Verbesserung der Rechte behinderter Menschen, einen solchen Konsens immer haben herstellen können.

(Beifall bei der FDP)

   Deswegen meine Bitte, bei den jetzt anstehenden Ausschussberatungen den Versuch dazu zu unternehmen – auf der Basis des jetzt gültigen Rechts wird unsere Zustimmung zum ADG jedenfalls nicht möglich sein.

   Danke schön.

(Beifall bei der FDP – Abg. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich hätte die Redezeit des Kollegen Kolb ja allzu gern durch eine Zwischenfrage verlängert. Der Wunsch nach einer Zwischenfrage hätte aber rechtzeitig angezeigt werden müssen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Lassen Sie ihn doch eine Kurzintervention machen und ich antworte danach!)

– Um Gottes Willen, diese Anregung habe ich nicht einmal gehört.

   Nun hat die Kollegin Christel Humme für die SPD-Fraktion das Wort.

Christel Humme (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Ich freue mich von ganzem Herzen, dass es uns gelungen ist – nach zähem Ringen; das gebe ich zu –, heute endlich ein Antidiskriminierungsgesetz in der ersten Lesung im Bundestag zu haben. Ich danke beiden Fraktionen und allen Beteiligten recht herzlich dafür.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn ich weiß ganz genau, dass dieses Antidiskriminierungsgesetz von den Betroffenen wirklich sehr ungeduldig erwartet worden ist. Leider zeigt ein Blick in die Wirklichkeit – Frau Eichhorn, Sie haben das ja schon durch viele Beispiele beschrieben –, dass dieses Antidiskriminierungsgesetz dringender denn je vonnöten ist. Erst im letzten Jahr wurde eine Studie von Professor Heitmeyer von der Universität Bielefeld veröffentlicht, die bestätigt hat, dass wir es in unserer Gesellschaft zunehmend mit Fremdenfeindlichkeit zu tun haben. Was uns fehlt, ist eine Antidiskriminierungskultur, wie sie in angelsächsischen Ländern und auch in nordeuropäischen Ländern in den letzten 30 bis 50 Jahren zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt worden ist. Darum – das sage ich Ihnen ganz offen – habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie, meine Herren und Damen von der Opposition, mit so einer Vehemenz und mit viel Polemik gegen unser Gesetz agieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn Schutz vor Diskriminierung sollte unsere gemeinsame Aufgabe sein. Diesem Schutz haben wir uns verpflichtet – Sie in Ihrer Regierungszeit auch –: In den letzten 50 Jahren haben wir die verschiedensten völkerrechtlichen Übereinkommen ratifiziert. Wir haben damit den Schutz vor Diskriminierung als allgemeines Menschenrecht anerkannt und zu einem zentralen Wert unserer Gesellschaft gemacht. Auf der Grundlage internationaler Verpflichtungen haben wir Gott sei Dank schon viele Vorschriften zur Antidiskriminierung entwickelt.

   Die Richtlinien gehen aber darüber hinaus: Einen umfassenden arbeits-, sozial- und zivilrechtlichen Schutz, wie ihn die europäischen Richtlinien jetzt vorschreiben, gibt es bei uns in Deutschland noch nicht. Diesen schaffen wir jetzt mit diesem Antidiskriminierungsgesetz. Wir wollen, dass es Diskriminierung wegen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung, der sexuellen Identität, des Alters und der Behinderung künftig nicht mehr gibt. Dazu setzen wir die Richtlinien im Arbeitsrecht eins zu eins um. Im Zivilrecht gehen wir über die Richtlinien hinaus: Wir nehmen die Behinderung als Merkmal hinzu.

   Ich frage Sie: Wollen Sie denn allen Ernstes, dass in Zukunft ein Mensch mit Behinderung und weißer Hautfarbe weniger geschützt ist als ein Mensch mit Behinderung und dunkler Hautfarbe? Das wäre die Konsequenz Ihres Vorschlages!

(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie wir das machen!)

   Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich habe gestern mit Erstaunen in der „Welt“ gelesen, die Arbeitgeber fühlen sich durch unser Antidiskriminierungsgesetz diskriminiert.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Da geht es schon los!)

Diese Arbeitgeber sagen, wir brauchten kein neues Gesetz, unsere gesetzlichen Regelungen seien ausreichend. Genau diese Arbeitgeber frage ich, warum Frauen – Frau Eichhorn hat das bestätigt – für eine gleichwertige Arbeit heute noch immer im Durchschnitt 30 Prozent weniger Gehalt bekommen als Männer. Im europäischen Vergleich ist das übrigens ein Negativrekord. Warum verdienen Frauen weniger, haben aber höhere Aufwendungen für die Kranken- und Rentenversicherung? Warum müssen Frauen aufgrund der Tatsache, dass sie Kinder bekommen, noch immer Benachteiligungen am Arbeitsplatz befürchten?

   Ich frage die Arbeitgeber, die so argumentieren, weiter: Wie erklären Sie den Menschen, die über 50 Jahre alt sind, dass sie allein aufgrund ihres Lebensalters und völlig unabhängig von ihrem Können, ihrer Erfahrung und ihrer Einsatzbereitschaft aus dem Arbeitsleben ausgegrenzt werden? Welche Begründung geben Sie den Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe als nicht deutsch wahrgenommen werden und denen die Teilnahme am öffentlichen Leben – in Discos und Kneipen, bei der Wohnungssuche, bei Auswahl- und Bewerbungsgesprächen – allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe erschwert wird? Ich denke, diese Beispiele machen deutlich, dass wir unserer Verantwortung, die Menschen vor Diskriminierung zu schützen, noch nicht ausreichend gerecht geworden sind.

   Kritiker – vor allen Dingen Sie von der Opposition – warnen davor, dass Unternehmen durch eine Klageflut, durch Bürokratie und durch Verwaltungsaufwand belastet würden. Ich halte das für Horrorszenarien und vorgeschobene Argumente.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie sind realitätsfremd!)

Ich möchte das anhand eines Beispiels belegen.

   Am vergangenen Dienstag hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eine Veranstaltung zum Antidiskriminierungsgesetz durchgeführt. Ziel war es natürlich, das Antidiskriminierungsgesetz in wesentlichen Punkten zu kritisieren. Erstaunlich dabei war, dass am Nachmittag, als die eingeladenen Unternehmer zu Wort kamen und ihr Unternehmenskonzept vorstellten, ganz schnell klar wurde, dass sie sich vor dem Gesetz nicht fürchten. Gerade die mittelständische Industrie ist im Großen und Ganzen sehr gut vorbereitet; denn viele Unternehmer haben bereits heute erkannt, dass es ihnen auch ökonomisch nützt, wenn sie dazu beitragen, ein tolerantes, offenes und familienfreundliches Arbeitsklima mit dem Blick auf Vielfalt zu schaffen. Kurzum: Wer eine Personalpolitik betreibt, die den Pluspunkt Vielfalt in der Personalstruktur erkennt, der wird bereits präventiv Benachteiligungen verhindern.

   Lassen Sie uns das ganze Gesetz ein wenig unaufgeregter diskutieren. Ich glaube zwar, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit auf der einen Seite viel Diskriminierung widerspiegelt, auf der anderen Seite gibt es in ihr aber bereits Entwicklungen, die sehr weit über das hinausgehen, was wir hier diskutieren. Es geht um Schutz vor Diskriminierung. Dieses Ziel erreichen wir mit unserem Gesetz, wenn es nicht mehr zu Klagen und Schadensersatzprozessen kommt. Optimal wäre es deshalb, wenn sich Arbeitgeber und Tarifparteien bereits im Vorfeld für Antidiskriminierung einsetzen würden, wie es im Gesetz ja auch vorgesehen ist.

   An dieser Stelle sage ich aber auch sehr deutlich: Funktioniert das im Vorfeld, also präventiv, nicht, dann nützt den Benachteiligten ein Gesetz als Papiertiger überhaupt nichts.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Konfliktsituationen brauchen sie Hilfe und Beistand durch Verbände, um ihre Rechte durchzusetzen. Ich denke, das ist von großer Bedeutung; denn Personen, die sich, allein auf sich gestellt, gegen eine Benachteiligung wehren müssen, schrecken zunächst einmal vor einer Durchsetzung ihrer Rechte zurück, weil sie wiederum persönliche Benachteiligungen erfahren bzw. befürchten. Das hat die jetzige Praxis gezeigt.

   Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist – das sage ich hier noch einmal ganz deutlich –, mit dem Gesetz auch die Verbände zu stärken, die sich seit Jahrzehnten in verantwortungsbewusster und beeindruckender Weise für die Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung eingesetzt haben. Diesen Verbänden, die die Diskussion des Antidiskriminierungsgesetzes positiv begleitet haben, sage ich auch an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zu einem wichtigen Baustein des Gesetzes kommen, nämlich der Einrichtung der nationalen Gleichstellungsstelle. Ich halte diese Stelle wirklich für den wichtigsten Baustein; denn dort werden die Betroffenen nicht nur beraten, sondern dort wird auch Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Herr Scheuer, Sie haben vorhin gesagt, dass unsere Gesellschaft umdenken muss und dass wir eine Antidiskriminierungskultur benötigen. Nur diese Stelle kann das erreichen. Dieser Stelle wird ein Beirat zugeordnet, in dem Nichtregierungsorganisationen zusammen mit den Tarifparteien vertreten sind. Dadurch haben die Tarifparteien Einflussmöglichkeiten und die Chance – das werden wir mit dieser Stelle bewirken –, präventive Streitschlichtung zu erreichen. Darum geht es.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle haben es in der Hand. Die Gleichbehandlung aller Menschen muss selbstverständlich sein. Damit dies selbstverständlich wird, brauchen wir dieses Gesetz.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort Karl-Josef Laumann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir einvernehmlich der Debatte vorwegstellen dürfen, dass die Diskriminierung eines Menschen wegen äußerer Merkmale oder Veranlagung für einen anständigen Menschen schlicht und ergreifend etwas Unanständiges ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

   Gerade für uns Unionsabgeordnete hängt das zutiefst mit unserem christlichen Menschenbild zusammen; denn das christliche Menschenbild ist immer von der unverletzbaren Würde eines jeden Menschen ausgegangen und hat im Übrigen immer ein tolerantes Menschenbild vertreten. Das wird es auch in Zukunft tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich halte es für völlig richtig, dass sich eine Gesellschaft Regeln gibt, die allen deutlich machen, dass Diskriminierung schlecht ist und geahndet werden muss. Ich habe also im Grundsatz nichts gegen ein Antidiskriminierungsgesetz. Uns liegt heute ein Gesetzentwurf vor, mit dem wieder einmal EU-Recht umgesetzt wird. Wir wissen, dass Brüssel gerne und viel regelt. Das ist auch hier passiert.

   Es liegen uns drei EU-Richtlinien vor, die die Diskriminierung wegen des Geschlechtes, die Diskriminierung wegen Rasse und ethnischer Herkunft und die Diskriminierung wegen Religion, Weltanschauung, Alter, Behinderung und sexueller Ausrichtung verbieten und sanktionieren. Diese Richtlinien betreffen überwiegend den Bereich des Arbeitsrechtes, also das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten. Die Richtlinie zur Nichtdiskriminierung wegen Rasse und ethnischer Herkunft betrifft darüber hinaus auch den zivil- und sozialrechtlichen Bereich. In einem vereinten Europa, in dem die nationalen Grenzen immer mehr an Gewicht verlieren, ist es richtig und im Interesse aller, einheitliche Regelungen festzuschreiben. Trotzdem betreffen die drei EU-Richtlinien Deutschland in anderer Weise als andere Länder.

   So kennen zum Beispiel der anglo-amerikanische, aber auch der skandinavische Rechtsraum kaum Arbeitnehmerschutzrechte. Sie haben den Arbeitnehmerschutz vorwiegend über Antidiskriminierungsgesetze geregelt. Was hier bei uns passiert, ist, dass wir im Grunde unserer Rechtstradition eines ausgeprägten Arbeitnehmerschutzes die Antidiskriminierungsgesetze an die Seite stellen, die teilweise den gleichen Sachverhalt regeln. Da haben jetzt die Arbeitgeber – das kann ich auch nachvollziehen – das Gefühl, von zwei Rechtsräumen eingeschränkt zu werden. Ich finde, das hätten Sie schlicht und ergreifend bedenken müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Was ziehe ich daraus für eine Schlussfolgerung? Wenn unsere Rechtstradition nun einmal so ist, dass sie Schutzrechte vorsieht, dann hätten Sie bei der Umsetzung der EU-Richtlinie darauf achten müssen, dass Sie sie restriktiv umsetzen. Dass die EU-Richtlinie umgesetzt wird, ist in Ordnung. Aber Sie hätten nicht über den Standard der EU-Richtlinie hinausgehen müssen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagen Sie uns einmal, wo wir im Arbeitsrecht mehr gemacht haben! Das wüsste ich doch gerne!)

– Dazu komme ich gleich.

   Ein weiterer Tatbestand: So wie die Bundesregierung das EU-Recht umsetzen will, befürchte ich, dass sich das Zusammenleben in den Betrieben in Deutschland verändern wird. Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel. Ein vorsichtiger Arbeitgeber wird in Zukunft bei Einstellungen immer darauf achten, sich an formale, objektiv nachweisbare Kriterien zu halten.

(Christel Humme (SPD): Das sollte er doch auch heute schon tun!)

Das sind – das ist auch die Einstellungspraxis des öffentlichen Dienstes – vor allen Dingen Zeugnisnoten und Benotungen von Abschlüssen. Auf der anderen Seite wissen wir doch auch, dass bei jeder Einstellung neben den Noten die Sympathie, Empfehlungen und die Frage, ob der Bewerber ins Team passt, wichtig sind. Dieses Gesetz wird in Wahrheit dazu führen, dass diejenigen, die gemessen an den objektiven Kriterien vielleicht nicht so gute Bewerbungsunterlagen haben, aber durch ihre Persönlichkeit einiges wettmachen könnten, bei denjenigen, die jetzt nur noch formal entscheiden, den Kürzeren ziehen. Glauben Sie bloß nicht, dass diese Regelung für alle nur gut ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Mensch ist mehr als die Summe formaler Kriterien. Er ist vielmehr – das wissen wir alle – auch eine Persönlichkeit. Ich finde, sie darf dabei nicht auf der Strecke bleiben. Letzten Endes können Kriterien wie Persönlichkeit, Sympathie und Teamfähigkeit vor Gericht nicht so eindeutig nachgewiesen werden wie Examensnoten, Schulnoten oder Noten von Gesellenbriefen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das steht alles nicht im Gesetz, was Sie hier erzählen!)

Deswegen geht damit ein gutes Stück Menschlichkeit in der Arbeitswelt verloren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Es gibt noch einen weiteren Punkt. Natürlich sieht die EU-Richtlinie vor, dass Diskriminierung geahndet werden muss. Aber es wäre richtig gewesen, wenn wir, wie es bisher in Deutschland in § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt ist, die Höhe des Schadensersatzanspruchs begrenzt hätten, damit das kalkulierbar ist.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist jetzt Zivilrecht und nicht Arbeitsrecht!)

Die unbegrenzte Höhe des Schadensersatzes schreibt die EU-Richtlinie nicht zwingend vor.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie hätten sich an dem § 611 a orientieren und damit mehr Kalkulierbarkeit und Rechtssicherheit in den Arbeitsbeziehungen erreichen können.

   Ich will ein anderes Beispiel nennen. Ich meine die so genannten Abmahnvereine. Sie wissen, dass ich immer dafür war, dass Verbände ihre Mitglieder vor Gericht vertreten können. Ich habe es immer für richtig gehalten, dass Gewerkschaften, Behindertenverbände oder der VdK ihre Klientel vor Sozialgerichten oder Verwaltungsgerichten in ihren sozialen Angelegenheiten vertreten, weil ich weiß, dass viele kleine Leute nicht vor Gericht gehen würden, wenn sie das Prozessrisiko tragen müssten. Es ist völlig in Ordnung, dass das über einen Beitrag beispielsweise zum VdK geschieht. Ich habe auch nichts dagegen, dass Antidiskriminierungsverbände die Vertretung ihrer Leute vor Gericht übernehmen. Was aber machen Sie? Sie haben die neue Idee, dass ein Mensch einem Verband seinen Schadensersatzanspruch abtreten kann, der Verband diesen Anspruch vor Gericht geltend macht und unter Umständen das Geld oder Teile des Geldes behält, das als Schadensersatz gezahlt wird. Das ist gegenüber dem bisherigen Zustand eine ganz andere Qualität.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Damit tun Sie sich keinen Gefallen. Viele Antidiskriminierungsverbände werden in Zukunft geradezu für Fälle werben. Sie werden medienwirksam Prozesse führen, um weitere Fälle zu finden. Sie werden sich daran auch noch bereichern. Ich verstehe nicht, was an dieser Politik sozial sein soll.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich befürchte, dass Sie auch noch auf die Idee kommen, das Klagerecht im Sozialrecht und im Verwaltungsrecht für den VdK und andere in dieser Weise zu ändern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie sollten sich wegen dieser Denke wirklich schämen, weil Sie das Kind mit dem Bade ausschütten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen. Die EU-Richtlinie sieht auch nicht die Haftung der Arbeitgeber wegen des diskriminierenden Verhaltens Dritter vor.

(Nicolette Kressl (SPD): Peinlich, Herr Laumann!)

In Ihrem Gesetzentwurf ist sie aber enthalten. Das hätten Sie nicht zu tun brauchen. Unterstellt, in eine Bank, in der viele weibliche Mitarbeiter beschäftigt sind, kommt ein muslimischer Mitbürger – das ist ein sehr realer Fall, den ich jetzt beschreibe –, der sich in Geldangelegenheiten nicht von einer Frau beraten lässt. Es ist völlig klar, dass das eine Diskriminierung ist. Das ist nicht in Ordnung. Da sind wir uns völlig einig. Aber was soll jetzt der arme Arbeitgeber machen? Er könnte die Frau auf einen Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt versetzen und einen Mann mit ihrer Aufgabe betrauen, damit das Problem für diesen Kundenbereich – diese Kunden will man ja behalten – gelöst wird. Wenn die Frau aber mit dieser Versetzung nicht einverstanden ist und der Kunde sein Verhalten nicht ändert, ist der Arbeitgeber dafür haftbar. Er kann aber für diese Situation nichts. Es ist doch geradezu irrsinnig und weltfremd, was Sie hier vorschlagen. Dafür werden wir Ihnen unsere Hand nicht reichen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf sehr deutlich macht, dass Rot-Grün von unserer Gesellschaft ein völlig anderes Bild hat als wir von der Unionsfraktion und wahrscheinlich auch die FDP-Fraktion.

(Ute Kumpf (SPD): Das stimmt!)

Dieses Bild beruht auf der Vorstellung, dass man alles bis in die letzte Kleinigkeit durch Gesetze regeln und strafbewehren muss.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wollen Sie denn bei den Behinderten machen, Herr Laumann? Wollen Sie die im Regen stehen lassen?)

Das würde bedeuten, dass man den Menschen nicht mehr traut.

   Wir hingegen trauen den Menschen zunächst einmal und setzen auf wenige Regelungen und Grundsätze, die durchschaubar sind. Machen Sie sich klar, dass es bei diesen Fragen nicht in jedem Punkt der Keule des Gesetzes bedarf! Das hat sich schon in der Vergangenheit gezeigt. Erforderlich ist vielmehr die Zivilcourage der Menschen, die sich einmischen, wenn sie Diskriminierungen beobachten, und deutlich machen, dass ein solches Verhalten zu weit geht. Das ist viel wirksamer.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wir trauen den Menschen in Deutschland etwas zu. Wir wollen keinen Staat, der in jeden Lebensbereich hineinplant und mit der Gesetzeskeule kommt. Wir haben Vertrauen zu unseren Bürgern und deswegen können wir es uns auch erlauben, in vielen Punkten auf staatliche Eingriffe zu verzichten. Das unterscheidet uns sehr von Rot-Grün.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum haben Sie denn nichts zu Behinderten gesagt? Zu den Behinderten haben Sie nichts zu sagen!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nächste Rednerin ist die Kollegin Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen.

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Laumann, Sie haben sich heute nicht gerade als Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels geoutet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Was?)

   Es waren die Grünen, die vor 20 Jahren als erste ein Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt haben, das den Schutz vor Ungleichbehandlung von Frauen zum Ziel hatte. Heute beraten wir ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz,

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Nach wie vor ohne sonderliches Interesse seitens der Bundesregierung!)

das alle Diskriminierungsmerkmale erfasst und sowohl für das Arbeits- als auch für das Zivilrecht gilt.

   Ich frage Sie, Herr Laumann, welchen Sinn es machen soll, wenn man Frauen vor Diskriminierung schützt, aber behinderte Menschen nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ilse Falk (CDU/CSU): Wieso denn nicht? Das stimmt doch überhaupt nicht!)

– Weil das im Zivilrecht nicht zwingend vorgeschrieben ist. Wir machen ein Gesetz, das Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund bestimmter Persönlichkeitsmerkmale eine klare Absage erteilt. Es ist ein Gesetz mit Augenmaß, das nicht jegliches unterschiedliches Handeln verbietet, sondern Differenzierung zulässt, wenn es dafür eine sachliche Begründung gibt. Ich nenne nur die Stichwörter Jugendtarife, Seniorenteller und Frauensauna. All dies wird noch möglich sein. Trotzdem macht der von uns eingebrachte Gesetzentwurf deutlich, dass Privatautonomie da endet, wo andere Menschen diskriminiert werden. Das Gesetz wird zur Modernisierung der Gesellschaft beitragen.

   Ich frage mich, was der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände und CDU-Abgeordnete Göhner – leider ist er heute nicht anwesend, aber wir wissen ja, dass er sein Abgeordnetenmandat als Nebentätigkeit betreibt; wenn es um die eigenen Angelegenheiten geht, kann man wohl nicht immer hier sein – mit seinen Horrorszenarien über das Gesetz beabsichtigt. Ich halte das, was in diesem Zusammenhang betrieben wird, für eine ganz miese Stimmungsmache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das, was Sie machen, ist Stimmungsmache!)

   Selbstverständlich ist auch mit Klagen zu rechnen. Blieben diese aus, dann wäre ein solches Gesetz gar nicht notwendig; dann hätten wir uns die Arbeit sparen können. Aber von einer Klagewelle zu sprechen soll nur die Menschen im Lande verunsichern.

   Gerade für die Geschlechtergerechtigkeit ist das Antidiskriminierungsgesetz ein wichtiger Baustein. Darum war uns Grünen der horizontale Ansatz – das heißt, dass alle Diskriminierungsmerkmale erfasst werden – besonders wichtig. Denn gerade Frauen sind häufig von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Frauen mit Migrationshintergrund oder Behinderung sowie ältere Frauen tragen das höchste Risiko, auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt zu werden.

   Das schon bestehende arbeitsrechtliche Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts werden wir jetzt erweitern. Vor Benachteiligung im Arbeitsleben, bei der Einstellung, dem beruflichen Aufstieg, den Arbeitsbedingungen, aber auch bei der Entlohnung, gibt es jetzt einen wirksamen Schutz. Dieser ist gerade bei der Entlohnung notwendig; denn heute, im 21. Jahrhundert, verdienen Frauen im Durchschnitt immer noch 30 Prozent weniger als Männer. Ich finde, es ist an der Zeit, dies zu beenden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Bei einem groben Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot können jetzt der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft vom Arbeitgeber verlangen, die Benachteiligung zu unterbinden. Das ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit. Anderenfalls können sie auch dagegen klagen.

Das Benachteiligungsverbot gilt nun auch für privatrechtliche Versicherungen aller Art. Unisextarife werden damit zwar noch nicht automatisch durchgesetzt, wenn Versicherungsunternehmen aber wegen des Geschlechts differenzieren, unterliegen sie einer gesteigerten Darlegungspflicht. Künftig können auch Frauenverbände benachteiligte Personen in zivilrechtlichen Verfahren unterstützen oder eine Abtretung verlangen.

   Von großer Bedeutung ist für uns die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle. Frau Eichhorn, Sie haben gesagt, das alles sei aufgeblasen. Wir haben jedenfalls die bestehenden Strukturen mit den Behindertenbeauftragten und den Integrationsbeauftragten genutzt, damit das Modell möglichst klein bleibt. 30 Personen für das gesamte Bundesgebiet sind sicherlich nicht zu viel. Alle Opfer von Diskriminierung werden dort eine Anlaufstelle haben.

   Wichtig ist uns Grünen auch ein wirksamer Schutz vor Altersdiskriminierung. Frau Eichhorn, das haben Sie ebenfalls aufgegriffen. Obwohl Sie vorhin Beispiele für die Diskriminierung alter Menschen genannt haben, wenden Sie sich gegen unser Gesetz. Sie sollten sich entscheiden, welche Linie Sie verfolgen wollen. Gerade bei der Altersdiskriminierung belegt Deutschland einen traurigen Spitzenplatz. 60 Prozent der Betriebe beschäftigen keine über 50-jährigen Menschen mehr. Ich finde, das können wir nicht länger hinnehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Für mich ist das Entscheidende an dem Gesetz der Perspektivwechsel. Bisher waren Diskriminierte Opfer und Bittsteller. Nun sind sie es nicht mehr. Sie können mithilfe des Gesetzes ihre Rechte einfordern und durchsetzen.

   Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass 2005 nicht nur das Einstein-Jahr, sondern auch – das wird oft vergessen – das Schiller-Jahr ist. Da wir in diesem Jahr den 200. Todestag Schillers begehen, haben wir darüber nachgedacht, ob es nicht sinnvoll ist, einige seiner Zitate hier im Bundestag zu verwenden.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das sollten Sie machen, wenn Sie wieder mehr Zeit haben!)

– Nein, es ist ganz kurz. – Ich finde, zu unserer heutigen Debatte passt nach 20-jähriger Diskussion über ein Antidiskriminierungsgesetz folgendes Schiller-Zitat ganz gut: „Der Worte sind genug gewechselt, nun lasset Taten folgen.“

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist aber nicht das Originalzitat!)

– Doch, das ist das Original.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich habe keinen Zweifel, dass uns der gute Schiller in diesem Jahr noch sehr oft begleiten wird.

(Heiterkeit)

Ich weise nur vorsichtshalber darauf hin, dass das innerhalb der Redezeit erfolgen sollte.

(Heiterkeit)

   Ich erteile nun das Wort der Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (fraktionslos):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die PDS im Bundestag begrüßt, dass endlich der Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes zur Beratung vorliegt; denn ein solches Gesetz ist überfällig. Der Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung ergibt sich aus Art. 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist, und zwar die Würde jedes Menschen, und aus Art. 3 des Grundgesetzes, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Der Anspruch auf rechtlichen Schutz ergibt sich aber vor allem aus dem täglichen Leben. Denn es gibt vielfach Diskriminierungen im Alltag und im Arbeitsleben: Diskriminierung von Frauen, Migranten, Juden sowie Menschen mit Behinderungen. Man könnte diese Liste ohne weiteres fortsetzen.

   Wir begrüßen ebenfalls, dass SPD und Bündnis 90/Die Grünen den umfassenden Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes vorgelegt haben. Das war nicht immer so beabsichtigt, obwohl es die PDS ständig gefordert hat. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Ahndung von Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität vor. Diesem komplexen Ansatz stimmen wir zu, allemal weil es bereits hinreichend Widerspruch dagegen gibt, und zwar nicht nur aus der Wirtschaft.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Unsere grundsätzliche Zustimmung gilt dem Anliegen und dem Ansatz, nicht aber allen Details und vorgeschlagenen Lösungen. Der Entwurf lässt zum Beispiel zu viele und zu vage formulierte Ausnahmen zu. Wir haben außerdem Fragen zur Berechnung und zur Wirksamkeit der Sanktionen, wenn wider das Gesetz diskriminiert wird. Wir haben des Weiteren Diskussionsbedarf hinsichtlich der Ausgestaltung und der Arbeitsweise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Darüber sollten wir in den kommenden Wochen im Interesse der Menschen, deren Würde im Alltag durch das Gesetz geschützt werden soll, sachlich streiten.

   Die PDS ist jedenfalls bereit, den Gesetzentwurf zu verbessern. Deshalb werden wir uns zugleich gegen alle Versuche wenden, den Entwurf zu verwässern.

   Danke schön.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun die Kollegin Renate Gradistanac für SPD-Fraktion.

Renate Gradistanac (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne nicht mit Schiller, sondern mit Kant:

Wenn die Gerechtigkeit untergeht, hat es keinen Wert mehr, dass Menschen auf Erden leben.

Das ist ein hartes Wort. Aber wir alle wissen, wie es ist, wenn wir ungerecht behandelt werden, und wie sensibel wir reagieren, wenn wir das Gefühl haben, einer Benachteiligung oder einer Diskriminierung ohnmächtig gegenüberzustehen. Mit der heutigen ersten Lesung unseres Antidiskriminierungsgesetzes wollen wir erreichen, dass die Antidiskriminierungskultur in Deutschland einen höheren Stellenwert erfährt.

(Beifall bei der SPD)

Die Antidiskriminierungskultur muss als wesentlicher gesellschaftlicher Wert gesehen werden. Dazu braucht es eine breite öffentliche Unterstützung und auch Ihre Unterstützung, Herr Kolb.

   Mit diesem Gesetz werden wir nicht nur vier EU-Gleichbehandlungsrichtlinien umsetzen; es steht darüber hinaus in engem Zusammenhang mit der internationalen Weiterentwicklung des Schutzes aller Menschen vor Diskriminierungen. Das Gesetz verbietet – das ist heute schon mehrmals angesprochen worden – die Benachteiligung von Menschen aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters, aufgrund einer Behinderung oder der sexuellen Identität.

   Als Sozialdemokratin bin ich stolz auf unser Lebenspartnerschaftsgesetz und das Ergänzungsgesetz mit Verbesserungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

(Beifall bei der SPD)

Es geht doch darum, dass zwei erwachsene Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Im Gegensatz zu Frau Merkel bin ich der Meinung, dass auch hier Treue, Verlässlichkeit, Bindung, Geborgenheit, Halt und soziale Verantwortung weitergegeben werden.

   Nach der Ermordung von Rudolph Moshammer geisterten Begriffe wie – ich zitiere – „Ermittlungen im Homosexuellenmilieu“ durch die Medien. Niemand titelte später „Täter aus dem Heterosexuellenmilieu“. Dies käme uns auch absurd vor. Dass Homosexualität dadurch in die Nähe von Kriminalität gerückt wurde, haben nur die Betroffenen, also die Schwulen und ihre Verbände, öffentlich kritisiert.

   Der CSU-Kollege Norbert Geis bezeichnete Homosexualität gar als Perversion der Sexualität. Für andere ist Homosexualität immer noch wider die Natur, eine Sünde, eine Krankheit oder eine Krise der Identität. Rückblickend auf meine sechs Jahre Abgeordnetentätigkeit muss ich feststellen: Ich habe bei keinem anderen Thema so viele unangemessene und abstoßende E-Mails und Briefe erhalten, vor allem von Männern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich wünsche mir, dass sich die Menschen endlich mit ihren eigenen Ängsten und Vorurteilen auseinander setzen und sie nicht auf andere projizieren. Und ich wünsche mir, dass zu guter Letzt auch die Kirchen ihre Standpunkte überdenken.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Eine Moralpredigt!)

Wir jedenfalls setzen mit unserem Antidiskriminierungsgesetz ein weiteres Zeichen zur Anerkennung unterschiedlicher sexueller Identitäten.

   Lesben und Schwule, aber auch bisexuelle, transsexuelle und zwischengeschlechtliche Menschen

(Manfred Grund (CDU/CSU): Kümmern Sie sich um die Mehrheit in der Gesellschaft, nicht ständig um die Randgruppen! Nur noch Randgruppen!)

können künftig selbstbewusster und selbstverständlicher ihre Identität leben und besser am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, so auch am Arbeitsplatz. Viele Schwule und Lesben verheimlichen ihre sexuelle Identität, weil sie Diskriminierungen durch Kollegen und Kolleginnen oder auch durch Vorgesetzte befürchten. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur 4 Prozent am Arbeitsplatz immer offen mit ihrer Homosexualität umgehen konnten. Man könnte jetzt einwenden, dass die sexuelle Identität etwas Privates ist. Dieser Einwand kann nicht gelten, wenn Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität gegen Vorurteile und Benachteiligungen im Beruf zu kämpfen haben, wenn sie in der Angst leben, den Arbeitsplatz zu verlieren oder erst gar nicht zu bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Lesben und Schwule sollen zukünftig auch weniger Probleme bei der Wohnungssuche, beim Abschluss von Versicherungen, bei der Hotelsuche und bei Restaurantbesuchen haben; da würde sich noch einiges mehr anführen lassen.

   Als Feministin mit dem typisch schwäbischen Namen Gradistanac

(Heiterkeit bei der SPD)

   weiß ich, dass Gesetze Diskriminierungen, die Herabsetzung und Entwürdigung von Menschen nicht immer verhindern. Aber künftig können sich die Betroffenen besser und wirkungsvoller zur Wehr setzen. Unterstützung erfahren sie einmal durch die Antidiskriminierungsstelle, die berät, informiert und vermittelt, und zum anderen durch die Verbände, die Diskriminierte ermutigen – das wünsche ich mir jedenfalls –, damit Diskriminierte zu ihrem Recht kommen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Norbert Röttgen für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute in dieser Debatte der Sache nach über ein Gesetz zur Bekämpfung der Vertragsfreiheit. Das ist das Thema dieses Gesetzes.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy (SPD): Das ist Unsinn! – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Quatsch!)

– Das ist kein Unsinn. – Kollege Scholz, wenn sich in Zukunft, nachdem dieses Gesetz in Kraft getreten sein wird, die Vermieter in Deutschland nicht mehr den als Mieter aussuchen können, den sie gern als Mieter hätten, dann hat Vertragsfreiheit in unserem Land nicht mehr die gleiche Qualität.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ernst Burgbacher (FDP))

Sie legen die Axt an die Vertragsfreiheit in unserem Land.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wissen, dass Sie die Unwahrheit sprechen!)

Einen vergleichbar massiven Angriff auf die Vertragsfreiheit in unserem Land hat es seit Jahren, selbst in Ihrer Regierungszeit, nicht gegeben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Vertragsfreiheit ist nicht irgendeine Petitesse. Vertragsfreiheit ist ein elementarer Bestandteil der Freiheit der Person. Unsere Rechtsordnung basiert auf den Grundrechten. Unser Grundgesetz nennt das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit gleich nach Art. 1, ganz vorn. Das ist ein Basiswert unserer Grundrechtsordnung.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann kommt die Gleichheit! Das gehört alles zusammen!)

Unsere Gesellschaftsordnung, unsere Wirtschaftsverfassung sind ohne Freiheit nicht denkbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ohne Menschenwürde auch nicht!)

Darauf zielen Sie ab.

   Die Freiheit ist Element der Menschenwürde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Unsere Vorstellung vom Menschen ist die, dass er ein freier Mensch ist.

(Zurufe von derSPD: Von allen!)

– Ich komme gleich auf die Normierung im Grundgesetz zum Thema Diskriminierung zu sprechen. – Weil das so ist, weil Freiheit ein Fundamentalwert in unserer Gesellschaft ist, weil unsere Gesellschaft davon lebt, macht dieser Gesetzentwurf die grundlegend unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Vorstellungen von CDU/CSU, auch FDP, auf der einen Seite und Rot-Grün auf der anderen Seite deutlich.

(Markus Grübel (CDU/CSU): Und PDS!)

   Wir wollen diese Gesellschaft, die sich vom Einzelnen ableitet, die sich von der Autonomie des Einzelnen ableitet, die auf die Freiheit des Einzelnen setzt,

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dazu gehört auch die Freiheit, eine Chance am Markt zu haben, finde ich!)

auch auf die Verantwortungspflicht des Einzelnen setzt. Wir wollen sie, weil wir dem Einzelnen etwas zutrauen. Wir trauen ihm Leistung zu. Wir trauen ihm allerdings auch Anstand zu. Dafür braucht er nicht einen Gesetzgeber, der ihn über das belehrt, was anständiges Verhalten ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie trauen dem Einzelnen offenbar nicht. Sie sind darin auch ganz offen. Herr Kollege Ströbele hat eben dazwischengerufen: Kontrolle ist besser als freie Entscheidung des Einzelnen. – Sie haben ein anderes Staatsverständnis. Sie wollen den Staat, der den Einzelnen bevormundet, der den Einzelnen erzieht, der den Einzelnen moralisch bewertet. Sie wollen sozusagen den freien Menschen überwinden zu einem guten Menschen. Was gut ist, bestimmt die rot-grüne Regierung. Darin kommt Ihre politische Ideologie zum Ausdruck.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)

– Sie brauchen sich gar nicht zu bemühen. Sie sind in der heutigen Debatte sehr offen gewesen – das begrüße ich sehr –; damit werden die fundamentalen Unterschiede deutlich.

   Kollege Scholz hat hier wörtlich gesagt „Wir“ – also Sie, der eine Teil des Hauses und der Bevölkerung – „als anständige Bürgerinnen und Bürger“. Ihr Kollege Beck sagte – ich habe das mitgeschrieben –: Wir wollen doch den Menschen nicht vorschreiben, was sie denken. Welche Großzügigkeit spricht daraus, dass Sie den Menschen das Denken nicht vorschreiben können!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich möchte Sie als Kollege im Haus und als Bürger dieses Landes fragen: Wer gibt Ihnen das Recht zu einer derartigen Hybris und Arroganz, wissen zu wollen, was für die Menschen gut ist und wie der Einzelne leben soll. Wie können Sie wollen, dass es der Staat ihnen vorschreiben soll? Wer gibt Ihnen das Recht zu einer solchen Hybris und Arroganz?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ute Kumpf (SPD): Sie sind keine Frau! Sie wissen nicht, was Diskriminierung ist!)

   Sie wollen nicht die Freiheit des Einzelnen.

(Ute Kumpf (SPD): Doch!)

   Sie setzen den Einzelnen, der von seiner Freiheit Gebrauch macht, auf die Beklagtenbank des Gerichts. Technisch heißt das Beweislastumkehr. Für die Nichtjuristen, die vielleicht zuhören, möchte ich erklären, was das wirklich heißt. In der Realität heißt das, dass derjenige, mit dem kein Vertrag abgeschlossen wurde, der also nicht durch einen Vertragsabschluss begünstigt wurde, nur noch plausibel Tatsachen behaupten muss, die für eine Diskriminierung sprechen. Er muss die Tatsachen nicht beweisen, er muss nur die Behauptung aufstellen, er sei diskriminiert worden. Danach muss sich derjenige, der den Vertrag abgeschlossen hat, vor Gericht entlasten.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie reden Unfug!)

Er muss den Beweis führen, dass er sich nicht diskriminierend verhalten hat. Sie bringen den Bürger in eine Beklagtenposition, er muss sich für sein Verhalten rechtfertigen. Das ist das Gegenteil von Freiheit, wie wir sie definieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich will noch einmal betonen: Wir führen heute eine fachliche Debatte, aber es ist auch eine Grundsatzdebatte gesellschaftspolitischer Art. Der intellektuelle Keim Ihres Gesetzentwurfs ist das Misstrauen. Wer die fachliche Debatte verlässt und ideologisch anfängt, den Menschen zu misstrauen, der handelt in dem Geist Ihres Gesetzentwurfs.

(Sebastian Edathy (SPD): Unsinn!)

Wer anfängt, das Misstrauen zu organisieren, der endet ganz zwangsläufig in Bürokratie,

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind nicht so blauäugig wie Sie!)

in Regulierungswut, in Absurditäten und am Ende auch in Ungerechtigkeiten, von denen ein paar schon dargestellt worden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das muss ein Paradies sein, in dem ihr lebt!)

   Dass kein einziges Mitglied der Bundesregierung an dieser Debatte teilnimmt, unterstreicht die Bedeutung des Gesetzentwurfs.

(Zuruf der Abg. Nicolette Kressl (SPD))

– Vielleicht schauen Sie einmal ins Grundgesetz. Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Manche fühlen sich vielleicht wie Mitglieder der Bundesregierung, sind es gleichwohl nicht. Kein Mitglied der Bundesregierung ist bei dieser Debatte anwesend. Sie sollten sich also überlegen, ob es gerechtfertigt ist, die Abwesenheit einzelner Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion in denunziatorischer Weise zu kritisieren, wie das die Kollegin getan hat.

(Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Göhner verdient auch mehr als der Bundeskanzler! Das ist das Problem!)

   Sie werden in Ungerechtigkeit landen und die Verlierer sind diejenigen, die unternehmerische Freiheit geltend machen wollen oder Mietverträge abschließen wollen. Die Bürger sind die Verlierer. Eine Familie, die sich nicht auf eine diskriminierende Eigenschaft berufen kann – Familien gehören in diesem Land nach Ihrer Auffassung nicht zu den Diskriminierten –, hat keinen Schutz vor Ihnen. Normale Bürger, die nicht irgendeinen Minderheitenstatus aufweisen, sind die Verlierer Ihres Gesetzentwurfs. Die Mehrheit ist der Verlierer.

(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das heißt, wir würden Familien bevorzugen!)

   Nun sagen Sie, dagegen sei schon argumentiert worden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Röttgen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rezzo Schlauch?

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Ja, gern.

Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Röttgen, ich gehe davon aus, dass Sie mit mir der Meinung sind, dass ein Land, das wir alle kennen, nämlich die USA – das von sich selber behauptet, es sei der Hort der Freiheit; ob das so ist, kann jeder selber beurteilen –, und seine Repräsentanten den Gedanken der Antidiskriminierung in viel schärferem Maße als wir gesetzlich festgelegt haben. Würden Sie daraus den Schluss ziehen, dass dieses Land die Freiheit genauso missachtet, wie Sie es unserem Gesetzentwurf unterstellt haben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Olaf Scholz (SPD): Das ist antiamerikanisch! – Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unerhört! Antiamerikanisch!)

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Ich bedanke mich für die Frage, die Sie mir als Abgeordneter gestellt haben. Ich möchte sie Ihnen auch unter Berücksichtigung Ihrer Eigenschaft als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium beantworten. Ich will die Antwort offen gestanden nicht selbst formulieren, sondern antworten, indem ich Ihnen Teile eines Schreibens der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, das an mich gerichtet ist, zitiere.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

   Ich glaube, dass die amerikanische Handelskammer in Deutschland eine Vorstellung vom amerikanischen Diskriminierungsrecht hat.

   Ich zitiere nun aus dem Schreiben, das an mich und sicherlich auch an viele andere gegangen ist – vielleicht hören Sie zu, Herr Schlauch, während ich zitiere –:

Wir

– die amerikanische Handelskammer –

sind aber der Meinung, dass das deutsche Rechtssystem einen wirksamen Schutz gegen Diskriminierungen jeglicher Art bietet.
(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): So ist es!)
Wir befürchten, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Wirtschaft belasten wird. Das Gesetzgebungsvorhaben könnte eine massive Einschränkung der unternehmerischen Freiheit bedeuten.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Diese Sorgen machen sich amerikanische Unternehmer in Deutschland. Deren Interessen werden nämlich von dieser Handelskammer vertreten.

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat nach Amerika gefragt!)

Das ist also eine klare Aussage darüber, wie amerikanische Unternehmer in Deutschland dieses Gesetzgebungsvorhaben beurteilen. Es handelt sich völlig zutreffend um eine Einschränkung von Freiheit,

(Ute Kumpf (SPD): Sie haben die Frage nicht beantwortet!)

die es in Amerika in dieser Weise nicht gibt. Sie gibt es, wie Kollege Laumann dargestellt hat

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt nicht! – Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben die Frage nicht beantwortet!)

– vielleicht hören Sie einfach einmal zu –, in Form einer Kumulation und Kombination eines hohen, detailorientierten Arbeitsschutz- und Kündigungsschutzrechts mit einem Diskriminierungsrecht in den USA definitiv nicht. Die Kombination beider Rechte gibt es nirgendwo. So etwas wird es in Zukunft nur in Deutschland geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Nicolette Kressl (SPD): Das ist Ihr Verständnis von Freiheit!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Röttgen, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu?

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Die lasse ich gerne zu.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Bitte schön.

Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Röttgen, ich kann Ihnen in diesem Punkt nicht folgen,

(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und zwar deswegen, weil das amerikanische Antidiskriminierungsgesetz, wie Sie genau wissen, viel schärfere Normen vorsieht als unseres. Stimmen Sie mit mir überein, dass die amerikanische Handelskammer in Deutschland eine eindeutige Interessenvertretung der Industrie ist und dass ihre Aussagen nicht mit den Intentionen eines amerikanischen oder deutschen Gesetzgebers zu vergleichen sind, der selbstverständlich die politische Aufgabe hat, unterschiedliche Interessen auszugleichen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Nicolette Kressl (SPD): So hat er seinen Freiheitsbegriff definiert!)

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Ich stimme mit Ihnen völlig überein, dass die amerikanische Handelskammer in Deutschland die Interessen amerikanischer Unternehmen und Investoren in Deutschland repräsentiert. Darum ist dieses Gesetz, das Sie heute einbringen, ein schlechtes Signal für den Standort Deutschland, wenn es darum geht, für Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland zu werben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD)

– Ja, meine Damen und Herren, so ist es.

   Sie sagen immer, das Gesetz sei gut. Wir reden heute aber nicht allein über einen innenpolitischen Tatbestand, sondern auch über Wirtschaftspolitik, lieber Kollege Schlauch aus dem Wirtschaftsministerium.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): So ist es!)

Wir sind eine exportorientierte Nation. Wir brauchen ausländische Investitionen. Wir als CDU/CSU wollen, dass Deutschland attraktiv für Investitionen ausländischer Unternehmen ist, weil diese Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Deshalb dürfen wir sie nicht abschrecken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit diesem Gesetz schrecken Sie aber Unternehmen, insbesondere auch ausländische, von Investitionen in Deutschland ab. Darum ist dieses Gesetzesvorhaben falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)

   Ein weiterer Gesichtspunkt: Sie wollen dieses Gesetz dadurch rechtfertigen, dass Sie auf die Bedeutung des Schutzes vor Diskriminierung verweisen. Das war durchgängig Ihr Argument. Gegen dieses Argument muss ich Ihnen vortragen – Sie selber haben das zum Teil ausgeführt –, dass im geltenden deutschen Recht, vom Zivil- über das Arbeitsrecht bis hin zum Grundgesetz – die Vorschriften sind zitiert worden –, ein umfassender Diskriminierungsschutz gewährleistet ist. Dieser reicht vom einfachen Recht bis hin zum Grundgesetz. Art. 3 und Art. 1 des Grundgesetzes bilden schon die Grundlage für einen umfassenden Diskriminierungsschutz.

    Was es im geltenden Recht allerdings nicht gibt – insofern ist die Aussage richtig, dass Ihr Gesetz etwas Neues bringt –, ist die so genannte Beweislastumkehr. Es wurde ja schon darüber gesprochen, dass sich nun der Einzelne rechtfertigen muss. Was es im geltenden Recht nicht gibt, ist der so genannte Kontrahierungszwang mit Schadensersatzfolge, dass also einem ein Vertragspartner durch ein Gerichtsurteil aufgezwungen werden kann. Das gibt es bislang nicht. Was es im geltenden Recht nicht gibt, ist die Möglichkeit zur Verbandsklage in der Form, dass Ansprüche abgetreten werden können und unter dem Vorwand des Diskriminierungsschutzes Geschäfte gemacht werden können. Es besteht die Gefahr, dass sich hier ein eigener Geschäftszweig in Deutschland entwickelt.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ganz genau!)

All das haben wir nicht und es ist gut, dass wir das nicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wir wollen es auch nicht!)

   Ihr zweiter Vorwand lautet, dass Sie europäische Richtlinien umsetzen müssen. Dazu will ich Ihnen zwei Punkte sagen.

   Erstens. Es gibt drei europäische Richtlinien, die fristgerecht umzusetzen Sie versäumt haben. Das lässt zumindest Rückschlüsse auf Ihre Motivation und Ihr Engagement zu. Wenn die CDU/CSU die Bundesregierung gestellt hätte, dann hätte sie anders verhandelt. Die Richtlinien hätten dann im Ergebnis anders ausgesehen. Auch das wäre eine Einwirkungsmöglichkeit gewesen.

   Zweitens. Sie setzen nicht nur diese Richtlinien um. Sie gehen sogar weit über das hinaus, was das europäische Recht verlangt.

(Christel Humme (SPD): „Weit“ ist übertrieben!)

   Nun mögen Sie nicht akzeptieren, dass wir es sind, die das kritisieren. Darum möchte ich an dieser Stelle die Bundesjustizministerin als Zeugin sprechen lassen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die wahrscheinlich aus eben diesem Grund nicht hier ist!)

Es ist ganz interessant, was sie zu diesem Thema gesagt hat. Im Übrigen hätte ich es gut gefunden, wenn sie heute an dieser Debatte teilgenommen hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Denn die Minister haben auch Pflichten gegenüber dem Parlament.

   Die Bundesjustizministerin Zypries hat dieses Gesetz von Anfang an und bis zum heutigen Tage abgelehnt. Man stelle sich einmal vor: Die verantwortliche Ministerin der von Ihnen gestellten Bundesregierung lehnt dieses Gesetz dezidiert ab. Sie hat sich auch – das ist nichts Neues – in vielen anderen Punkten in der Koalition nicht durchgesetzt. Aber dieser Gesetzentwurf ist das wahrscheinlich wichtigste rechtspolitische Vorhaben in dieser Legislaturperiode, das nicht von der Bundesjustizministerin getragen wird. Dass die Federführung vom Justizministerium auf das Familienministerium übertragen wurde, dokumentiert ihre Niederlage und ihre Schwächung als politisches Führungsorgan in dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Da die Ministerin in dieser Debatte nicht anwesend ist, möchte ich wenigstens zitieren, was sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 8. März 2003 geäußert hat.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir kennen das, Herr Röttgen! Sie können sich setzen!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, Sie müssen jetzt gegebenenfalls die Kurzfassung dieses Zitats vortragen. Sonst klappt es auch bei großzügiger Interpretation Ihrer Redezeit nicht mehr.

(Heiterkeit)

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Ich denke, dass es alle – insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen – interessiert, was die Justizministerin dazu sagt. Ich verkürze das Zitat und führe nur die schönsten Passagen an. Sie wendet sich gegen das Gesetz ihrer Amtsvorgängerin Däubler-Gmelin

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben wir auch nicht eingebracht!)

mit dem Argument, es würde die Privatautonomie in weiten Bereichen aushebeln.

(Peter Hintze (CDU/CSU): Da hat sie Recht!)

Weiterhin sagt sie, dass zudem etliche Ausnahmeregelungen erforderlich seien, etwa um Frauenparkplätze und Altenrabatte zu gestalten. Ohnehin glaube sie nicht, dass es im Alltagsleben so viele Diskriminierungen gebe, dass neue Vorschriften erforderlich seien. Sie glaube ebenfalls nicht, dass man durch Rechtspolitik eine Gesellschaft gestalten könne. Frau Zypries hat Recht. Aber sie ist bei Ihnen zum Schweigen verurteilt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Eine allerletzte Bemerkung.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schluss!)

Es ist eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Debatte, die wir führen werden. Ihr Gesetzentwurf ist eine Kampfansage an die Freiheit in unserem Land. Dementsprechend werden wir diese Debatte mit Ihnen führen.

   Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP))

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Edathy für die SPD-Fraktion.

Sebastian Edathy (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Röttgen, ich bin nicht ganz sicher, was ich für schlimmer halten soll: Ihre unsägliche Rede oder den starken Beifall, den Sie für diese Rede bekommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Manfred Grund (CDU/CSU): Jetzt hören Sie doch auf! Unglaublich!)

Wer sagt, wir wollen den Geist des Grundgesetzes auch zur Grundlage für das Arbeits- und Zivilrecht nehmen, der hat Recht. Aber wer sagt, das sei wider die Freiheit gerichtet, der hat Unrecht. Der Freiheitsbegriff, den Herr Röttgen hier für die CDU/CSU vorgetragen hat, beinhaltet die Freiheit, zu diskriminieren. Das ist aber nicht die Freiheit, die wir meinen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: So ein Schwachsinn!)

   Ich finde die Rolle der Liberalen in diesem Bereich besonders problematisch. Ich werde gleich noch darauf eingehen.

(Ina Lenke (FDP): Sie haben nicht zugehört, Herr Edathy!)

– Frau Lenke, schreien Sie hier bitte nicht herum!

(Ina Lenke (FDP): Bleiben Sie mal sachlich! – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wer nichts zu sagen hat, poltert ein bisschen mehr herum!)

Wir sind der Gesetzgeber in diesem Land. Was wäre eine zentralere Aufgabe des Gesetzgebers in Deutschland, als Bürgerrechte zu sichern und gerade denen beizustehen, die in einem freien Markt immer die Schwächeren sind? Es ist Aufgabe der Demokratie und des sozialen Rechtsstaates Bundesrepublik, für einen Ausgleich zu sorgen. Das kann man doch nicht ernsthaft infrage stellen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir handeln übrigens – das sei in Richtung einiger Kollegen gesagt, die gemeint haben, wir gingen zu weit – lange nicht so weitgehend wie zum Beispiel Großbritannien und die Niederlande. Auch die USA sind in diesem Zusammenhang vom Kollegen Schlauch mit Recht erwähnt worden.

   Wir handeln mit Grund.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Ich bin nicht dabei! Ich möchte nicht in Haftung genommen werden!)

Wir tun gut daran, an einer Stelle über eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinien hinauszugehen, nämlich an der Stelle, wo es um die Frage geht: Schaffen wir durch eine Beschränkung auf den Aspekt „Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft und Zugehörigkeit“ und durch Ausblendung anderer Diskriminierungsmerkmale eine Hierarchisierung von Diskriminierungsopfern oder wollen wir das nicht? Wir wollen das nicht.

   Frau Eichhorn, mich würde einmal interessieren, was Sie der Behinderten antworten, die sich an Sie gewandt und gesagt hat, es sei für sie verletzend, nicht nachzuvollziehen und empörend, dass sie von einem Hotel nicht aufgenommen wurde. Was sagen Sie ihr denn? Sie sehen zwar das Problem. Aber wie sieht Ihre Antwort aus?

   Rot-Grün gibt eine Antwort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es soll keine Selektion mehr in Diskotheken und keine Abweisung von Behinderten und homosexuellen Paaren in Hotels geben. Das alles, Herr Röttgen, ist nicht durch das Grundgesetz gedeckt; das wissen Sie doch ganz genau.

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Natürlich ist es gedeckt!)

Art. 3 des Grundgesetzes bindet die staatlichen Organe bzw. staatliches Handeln.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wenn dies nicht durch das Grundgesetz gedeckt wäre, könnten Sie nicht ein solches Gesetz vorlegen!)

Es ist aber so, dass das Zivilrecht kein grundrechtsfreier Raum in diesem Land sein kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ina Lenke (FDP): So ein Quatsch! – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sie hatten wohl keine Zeit, sich auf Ihre Rede vorzubereiten!)

   Ich will etwas zum Thema „Angriff auf die Freiheit“ sagen. Herr Röttgen hat gesagt, das, was wir machten, sei ein Angriff auf die Freiheit. Er hat weiter ausgeführt, die Vertragsfreiheit in diesem Land nehme, wenn der Entwurf, den wir vorgelegt haben, beschlossen werde, Schaden.

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Genauso ist es!)

Herr Röttgen, dazu will ich sagen: Zur Vertragsfreiheit gehören immer zwei Parteien. Wenn Sie sagen, Sie wollten die Vertragsfreiheit wahren, dann heißt das für mich, dass Sie den Regelungen, die wir schaffen wollen und die den Menschen die Gewährleistung geben, dass sie nicht aufgrund eines bestimmten Merkmales willkürlich von der Eingehung eines Vertrages ausgeschlossen werden dürfen, zustimmen müssten. Denn,

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Da bin ich aber gespannt! Jetzt muss das Argument kommen!)

Herr Röttgen, auch sittenwidrige Verträge sind nicht zulässig.

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Eben!)

Wer für eine maximale Vertragsfreiheit ist, ist vielleicht auch dafür, den Drogenhandel freizugeben; auch das wollen wir nicht. Es ist doch vollkommen klar, dass die Vertragsfreiheit in einem demokratischen Rechtsstaat der Ausgestaltung bedarf. Das, was wir tun, ermöglicht es erst ganz vielen Menschen, Vertragsfreiheit überhaupt in Anspruch zu nehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was ist denn mit der Vertragsfreiheit der Behinderten, die abgewiesen worden ist, des Jugendlichen, der ausländisch aussieht und nicht in die Diskothek kommt, und des älteren Menschen, dem der Dispositionskredit gekündigt wird?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken (CDU/CSU): Wenn es geht, noch ein bisschen lauter!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Edathy, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke?

Sebastian Edathy (SPD):

Ja.

Otto Fricke (FDP):

Lieber Kollege Edathy, man kann auch durch eine gewisse Lautstärke andere Leute diskriminieren. Auch das ist eine Art Diskriminierung.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

   Ich frage Sie, ob Sie es vorhin wirklich ernst gemeint haben, als Sie gesagt haben, dass das Zivilrecht der Bundesrepublik Deutschland ein grundrechtsfreier Raum sei. Ist es nicht vielmehr so, dass wir dahin gehend übereinstimmen, dass die Regelungen des Grundgesetzes in das Zivilrecht an sehr vielen Stellen dadurch hineingekommen sind, dass wir dort Allgemeinklauseln haben, in denen klar geregelt wird, dass das Grundrecht Drittwirkung auch zwischen Zivilpersonen entfaltet?

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Gott sei Dank!)

Sebastian Edathy (SPD):

Herr Kollege, ich will Ihnen eine Geschichte erzählen; ich versuche, mich kurz zu fassen.

(Otto Fricke (FDP): Wenn Sie dabei antworten, ist das okay!)

Ich habe zu Beginn dieser Wahlperiode in Berlin die Wohnung wechseln wollen. Ich habe mir eine Wohnung angesehen. Der Hausbesitzer wohnt in Frankfurt. Es ging also nicht um eine Einliegerwohnung; ihm gehört vielmehr ein ganzes Mietshaus. Ich habe dann ein entsprechendes Formular ausgefüllt und Angaben zu meinen Einkommensverhältnissen und zu dem, was ich beruflich tue, gemacht.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Oje, SPD-Abgeordneter!)

Ich dachte, es würde ein paar Tage dauern und dann bekäme ich den Mietvertrag zugeschickt. Stattdessen rief der Hausbesitzer meine Mitarbeiterin in meinem Büro an und sagte: Edathy, das klingt irgendwie ausländisch. Was ist das denn für einer? Meine Mitarbeiterin hat am Telefon geantwortet: Der Vater ist gebürtiger Inder. Dann kam die Nachfrage, ob auch ich Inder sei. Daraufhin meinte Mitarbeiterin richtigerweise, dass man deutscher Staatsbürger sein müsse, um Mitglied des Bundestages werden zu können. Daraufhin sagte dieser Vermieter: Wenn der Vater Inder ist, kocht der Sohn doch bestimmt mit ganz scharfen Gewürzen. Den Gestank bekomme ich nicht mehr aus der Wohnung, vermutlich muss ich den Putz abklopfen. – Ich habe die Wohnung nachher zwar angeboten bekommen – ich habe sie aus Anstand nicht genommen –, aber eines kann ich Ihnen sagen: Wäre ich nicht der Abgeordnete Edathy gewesen, sondern der Schlossermeister oder der Student Edathy, wäre mir die Wohnung nicht angeboten worden und das ist eben keine schützenswerte Freiheit im Zivilrechtsverkehr, sondern diskriminierendes Handeln.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten Diskriminierungsopfern die Möglichkeit in die Hand geben, dagegen tätig werden zu können. Das muss möglich sein.

   Ich würde gar nicht in einem Land leben wollen, in dem der reine Markt herrscht. Es kann doch nicht sein, dass wir in diesem Hause grundsätzlich darüber diskutieren müssen, dass auch der Markt Regelungen braucht. Ich persönlich halte es für überfällig – das hat auch etwas damit zu tun, dass wir im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern keine Kultur der Antidiskriminierungsgesetzgebung haben –, die Bestandteile des Grundgesetzes, die staatliches Handeln im Sinne einer fairen demokratischen Gesellschaft binden, auf den Zivilrechtsverkehr zu übertragen. Ich verstehe nicht, was dagegen einzuwenden ist, es sei denn, Sie sagen, dass Sie auch in Zukunft wollen, dass sich der Gastwirt aufgrund bestimmter Merkmale wie Behinderung, ausländisches Aussehen oder offensichtliche Homosexualität aussuchen kann, wen er bedient und wen nicht. Das kann aber doch nicht ernsthaft die Position der Liberalen sein.

   Lassen Sie mich als Abschluss der Beantwortung Ihrer Frage einen Satz von Hannah Arendt zitieren, der in der Bibliothek des Bundestages im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus nachgelesen werden kann. Dieser Satz – man kann ihn nur unterstreichen – lautet:

Freiheit ist denkbar als Möglichkeit des Handelns unter Gleichen.

Sie wissen ganz genau, dass dies auch für Betriebe gilt, für das Angebot und das Entgegennehmen von Leistungen.

(Otto Fricke (FDP): Und wie heißt der zweite Teil?)

Diese Gleichheit bei der Wahrnehmung von Chancen muss durch Spielregeln unterstützt werden, die der Gesetzgeber mit Augenmaß definiert. Genau dies machen wir mit dem Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich wünsche uns intensive Beratungen. Wir werden uns natürlich in den Ausschüssen hinreichend Zeit nehmen, um mit den Vertreterinnen und Vertretern der Opposition darüber zu diskutieren. Eines aber müssen wir im Auge behalten: Dieses Gesetz ist kein Selbstzweck. Es wird, soll und muss einen Beitrag dazu leisten, dass wir unserer Gesellschaft einen besseren Rahmen für ihr Handeln geben.

   Damit ist kein Misstrauen verbunden. Herr Röttgen, es hat mich gewundert, dass Sie als Rechtspolitiker – das war einer Ihrer zentralen Vorwürfe – gesagt haben, in diesem Gesetz werde unterstellt, die Menschen verhielten sich falsch. Dass ein anständiger Mensch nicht Mord und Totschlag verübt, ist klar. Trotzdem sind Mord und Totschlag verboten. Dass man, wenn man eine Dienstleistung anbietet, einen Menschen mit Behinderung nicht ablehnt, muss auch klar sein. Ebenso muss selbstverständlich sein, dass kein Mensch wegen seines Alters, seiner sexuellen Orientierung oder seines Geschlechts abgelehnt werden darf. In vielen Fällen ist dies auch selbstverständlich. Ich bin ganz sicher, dass dieses Gesetz nur zur Anwendung kommen wird, dann aber eben begründet, wo diese Selbstverständlichkeit im Handeln verletzt wird. Ich glaube daher auch nicht, dass wir Prozesslawinen zu erwarten haben. Aber jedem Bürger in diesem Lande, egal in welcher Eigenschaft er auftritt, ob als Arbeitgeber, als Kneipenbesitzer oder als Wohnungsvermieter, muss klar sein, dass die Grundlagen des Zusammenlebens in diesem Land Respekt und Achtung sind. Nichts anderes als die Erreichung von Respekt und Achtung und die Durchsetzung von Bürgerrechten ist Ziel dieses Gesetzes.

   Noch einen Satz zum Schluss: Es ist mehrfach gesagt worden, dass Ministerin Renate Schmidt heute nicht hier ist. Sie ist erkrankt und daher entschuldigt.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wo ist Frau Zypries? Wo ist der Bundeskanzler?)

Diese Diskriminierung gegenüber einem Mitglied der Bundesregierung wollen wir Ihnen bis zur Verabschiedung des Gesetzes noch durchgehen lassen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/4538 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 152. Sitzung – wird am
Montag, den 24. Januar 2005,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15152
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