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Präimplantationsdiagnostik
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Keine Selektion behinderten Lebens, keine genetische Normierung durch PID

  16.02.01 Prof. Dr. Ernst Luther, Sachverständiger (für die PDS)

Sexualität und Fortpflanzung unterliegen - wie alle zwischenmenschlichen Beziehungen - kulturellen und technischen Einflüssen; deshalb ist es für uns wichtig, dass die Vorstellungen für glückliches Leben mit der Menschenwürde übereinstimmen.
Frauenorganisationen, Behindertenverbände, der Bund Deutscher Hebammen e.V. und zahlreiche Persönlichkeiten verurteilen den Übergang der Pränataldiagnostik (PND) zu einer Routinemethode in der Schwangerenvorsorge als "genetische Normierung" und Ausgrenzung behinderter Menschen. An die Stelle von Beratung und Begleitung treten Tests des Ungeborenen; den Frauen wird die Verantwortung aufgebürdet, alles für die Geburt eines "gesunden" Kindes zu tun. Die Rechtssprechung "Kind als Schaden" in Deutschland und Frankreich zeigen Folgen für das Menschenbild.
Die "in vitro"-Fertilisation (IVF) ermöglicht Fortpflanzung ohne Sexualität. Zur erfolgreichen Befruchtung und Einnistung werden durch Hormonstimulierung der Frauen mehrere Eizellen gewonnen. Zur Wahrung der Menschenwürde wurde in dem am 1.1.1991 in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetz verbrauchende Embryonenforschung untersagt und die IVF auf das Ziel begrenzt, eine Schwangerschaft für Paare zu unterstützen, die aus medizinischer Indikation kinderlos geblieben waren. Die "Erfolgsrate" wird oft überschätzt, sie liegt nur bei etwa 25 %. Wegen der enormen seelischen und körperlichen Belastung der Frauen steht auch die IVF vielfach unter Kritik.
Die PID ermöglicht "Zeugung auf Probe", sie soll einen Schwangerschaftsabbruch durch frühzeitige Selektion vermeiden. Es werden aus herangereiften Embryonen im 4 - 16 Zellstadium 1 - 2 Zellen entnommen und einer genetischen Diagnostik unterzogen. Als Grund für ihre Einführung werden Paare mit genetisch bedingten Erkrankungen genannt (z.B. Morbus-Huntington oder Mukoviszidose). Die seit 1990 in 10 Zentren der USA und weiteren 19 in der Welt eingeführte PID ist in der Bundesrepublik auf Grund des Embryonenschutzgesetzes verboten. Bei der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission im November 2000 wurde diese Methode vielfältiger Kritik unterzogen: die Schwangerschaftsrate beträgt nur 21%, die Geburtenrate 18%, das Abortrisiko ist hoch, Mehrlingsschwangerschaften haben Frühgeburten und höhere Sterblichkeiten zur Folge. Nach den Erfahrungen mit der PND als eine Art Screening besteht begründete Sorge, dass die PID sich ebenfalls - trotz der hohen Kosten - zu einer verbreiteten Methode der Selektion ausweitet. Da die PID keine "Garantie" für ein "gesundes Kind" gibt, folgt nicht selten die PND als zusätzliche Belastung für die Frau, bei der am Ende wieder ein Abbruch der Schwangerschaft das Ergebnis ist. Auch unter Einschluss, dass eine Frau das auf sich nimmt, bleibt als Ergebnis, dass ein Menschenbild verbreitet wird, das nur das "gesunde Kind" gelten lässt. In der Novemberanhörung fand sich keine Expertin, kein Experte, mit der Bereitschaft, einen Indikationskatalog anzugeben, nach dem eine PID notwendig wäre.
Schlussfolgerung: Es ist dringend nötig, die Forderungen des Bundes Deutscher Hebammen zur PND , sowie die Erfahrungen des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Modellprojektes "Entwicklung von Beratungskriterien für die Beratung Schwangerer bei zu erwartender Behinderung des Kindes" zu berücksichtigen. Wir teilen die Forderung des Deutschen Behindertenrates: "Keine Selektion behinderten Lebens - weder in vivo noch in vitro! Jedem Leben gilt der gleiche Lebensschutz." In der Überzeugung, dass die PID nicht mit der geltenden Fassung des Embryonenschutzgesetzes vereinbar ist, soll sie weiterhin verboten bleiben.

  21.02.01 Per-Holger Sanden
Jeder kann für sich selbst entscheiden, ab wann ein Zellklumpen für ihn zum Mensch wird. Aber wer die Möglichkeiten nicht nutzt, zu verhindern, daß sich ein behindertes Kind daraus entwickelt, der handelt moralisch unverantwortlich.

  22.02.01 Ernst Luther ernst-luther@web.de
Werter Peter-Holger Sanden, wollen Sie im Ernst erklären, eine Frau, die für sich entscheidet, dass sich ein behindertes Kind entwickelt, handele moralisch unverantwortlich? Soll künftig ein moralischer Druck ausgeübt werden, dass keine Kinder mit Behinderung geboren werden? Welche Folgen, glauben Sie, hätte das für Menschen, die durch einen Unfall eine Behinderung bekommen?

  22.02.01 Christian Bültemann donbue@t-online.de
Soll künftig ein moralischer Druck ausgeübt werden, dass keine Kinder mit Behinderung geboren werden? Welche Folgen, glauben Sie, hätte das für Menschen, die durch einen Unfall eine Behinderung bekommen?

....das ist wahrscheinlich zwangsläufig so. Der moralische Druck entsteht dann von selbst.
Trotzdem finde ich, sollte man Schwerstbehinderten, die kaum eine Chance auf ein langes Leben haben werden, so ein Leben von vornherein ersparen.

Die Argumentation ob jemand durch einen Unfall schwerbehindert wird, finde ich persönlich unsachlich. Dieser Mensch der so getroffen wird, hatte keine Auswahlmöglichkeit. Er wird ob er will oder nicht damit leben müssen. Schlimm genug. Wenn man diese Menschen befragt, die beide Seiten kennen--nämlich unbehindert und behindert--- dann wird man schnell zum ergebnis kommen, dass das Leben manchesmal zum Spiesrutenlaufen mutiert. Man ist Schauobjekt für die Gaffer.
Einem Kind erklären zu müssen warum es anders ist als alle anderen und warum es das alles nicht machen kann stelle ich mir grausam vor. Unter Umständen wird es nie einen Partner finden.
Nee-das kann man diesen Menschen aus humanen Gründen ersparen.

  21.02.01 Ole-th. Feldheim www.ole-th@gmx.net
Ich bin teilweise ihrer Meinung,
doch wird dadurch nicht die nat?rliche auslese des Menschen gef?det(Biodiversit?.

  22.02.01 Arja Baumann ArjaBaumann@yahoo.de
Ich bin gegen Präimplantationsdiagnostik, denn sie führt zu einer Selektion zwischen erwünschten und unerwünschten Merkmalen, vor allem aber langfristig zu einer Diskriminierung behinderter Menschen nach dem Motto: "Dagegen kann man doch was tun!". Insgesamt lehne ich künstliche Befruchtung ab und stimme für eine Erleichterung von Adoptionen. Ich selbst will Kinder kriegen - auf natürliche Weise ohne Selektion.

  23.02.01 Helmut Ziegler Helmut.Ziegler@web.de
Beim Durchlesen der hier geschilderten Meinungen stehen mir wirklich alle Haare zu Berge. Ich finde es sehr vermessen zu behaupten, dass einem Schwerbehinderter auf Grund geringerer Lebenserwartung (und aus unserer Sicht geringerer Lebensqualität)das Recht auf Leben gänzlich abgesprochen wird. Fragen Sie doch bitte mal einen Schwerbehinderten, ob er lieber nicht geboren wäre.

  28.02.01 Jan-Oliver Wülfing wuel2401@uni-trier.de
Mir sträuben sich auch die Haare, wenn ich lese, daß behinderte Menschen ein unwertes leben führen. Dies kann man als nicht-behinderter Mensch gar nicht beurteilen.
Ich bin von Geburt an schwerst-körperbehindert und trotzdem fühle ich mich wohl. Ich studiere und kann einem weitgehend selbständigen Leben nachgehen.
Ich verstehe die Eltern, die die PND fordern. Nur sollten sie sich mal mit den glücklichen Eltern behinderter Kinder unterhalten.
Meine Eltern sind stolz auf mich ! Natürlich ist es schwer, aber wie ich es auch schon in anderen Beiträgen gelesen habe, auch Eltern mit nicht-behinderten Kindern können es schwer haben.
Ich bin für ein bleibendes Verbot der PND ! Wir können nicht einschätzen, wie sich die Genmanipulation auf unsere späteren Generation auswirkt !

  28.02.01 Gülhan Cecenoglu postmaster@gektg.krefeld.schulen.net
Meiner Meinung nach sollte man nicht so handeln,als wäre man Gott.Keiner hat das Recht ein Leben auszulöschen oder gar zu manipulieren,nur weil man schon von vorneherein weiss,dass das Kind behindert auf die Welt kommt.Die Behinderten,die ich bis jetzt kennengelehrnt habe,sind glücklicher,als die Menschen,die man als "normal" bezeichnen kann.Niemand hat das Recht,die Gene eines Lebewesens zu manipulieren(!)...und das wird hoffentlich auch so bleiben.

  11.03.01 Christian Frodl webmaster@bioethik-bayern.de
Vorweg: Ich bin gegen die Einführung der PID, aus ähnlichen Gründen, wie sie von den anderen hier bereits genannt wurden. Daher eine generelle Anmerkung zu diesem Forum:
Ich finde es erschreckend, was für lebensverachtende Kommentare hier teilweise abgegeben werden. Ich frage mich bei manchen Statements einiger Besucher dieser Seite ernsthaft, ob dies nur einige Ausnahmen sind, oder ob es wirklich ein Spiegelbild unserer Gesellschaft im Umgang mit Menschen mit Behinderungen und allem, was als nicht "normal" angesehen wird, ist.
Ich denke, es wird Zeit, endlich einmal aufzustehen und lautstark "Nein" zu sagen, wenn wieder über "lebenswertes" und "lebensunwertes" Leben diskutiert wird.
Dieses "Nein" in die Tat umzusetzen ist dann Aufgabe des Gesetzgebers.
Engagierte Bürger können "nur" immer wieder ihre Meinung öffentlich darlegen, z.B. in Foren wie diesen.
Ich hoffe daher, dass Politiker diese Mahnungen ernst nehmen und es bei einem Verbot der PID bleibt.
Das Politiker ernsthaft zu Gesprächen in Fragen mit gesellschaftlich weitreichenden Folgen bereit sind, macht dieses Forum ja deutlich und wird von uns begrüßt.

Christian Frodl
Interessengemeinschaft Kritische Bioethik Bayern
http://www.bioethik-bayern.de

  17.03.01 Christina Meininger TinaMeininger@web.de
Was soll das? Einerseits ist es verboten Embryonen, die wirklich noch kein Schmerzempfinden haben, zu selektieren um nur Gesunde Embryonen ein Leben zu ermöglichen und andererseits ist es möglich bis zur 20. Schwangerschaftswoche aus medizinischen Gründen abzutreiben. Ein Kind, ja ein Kind, denn es muß ganz normal geboren werden und lebt in vielen Fällen noch. Es stirbt dann nach der Geburt!
Ist das Humaner?
Ich verstehe einen Embryonenschutz wenn es um Forschung geht, aber nicht wenn es darum geht, überhaupt ein gesundes Kind zu bekommen!
In Belgien zum Beispiel ist es möglich erst nach 5-6 Tagen die Embryonen in den Mutterleib zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft ist somit viel höher als in Deutschland. Aber das scheint ja nebensächlich zu sein.

  28.03.01 Maria Strunz
Guten Tag. Mein Name ist Maria Strunz und ich bin 16 Jahre alt. Ich persönlich bin im allgemeinen gegen die Präimplantationsdiagnostik, da ich denke, dass man Kinder aufgrund einer Behinderung aussondert bzaw, umbringt. Da könnten wir uns ja direkt wieder in die " Hitler-Zeit " zurückversetzen, in der Menschen aufgrund ihrer Behinderung ermordet wurden. Haben diese Kinder denn kein Recht zu leben??? Außerdem, in was für einem Land leben wir eigentlich, wenn einerseits für mehr Toleranz plädiert wird und andererseits Kinder aufgrund von Behinderungen " aussortiert " werden??? Ich finde, dass auch behinderte Menschen das gleiche Recht haben wie wir. Bei dieser Methode führen wir Menschen uns doch auf Gott, denn wir bestimmen über Leben und Tod. Natürlich ist diese Methode gut für Ehepaare, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können, doch diese könnten sich doch auch ein Kind adoptieren. Die Kinderheime sind schließlich voll und auch die Kinderheime in der dritten Welt, die bei weitem nicht den Standart haben wie die unseren quillen über. Kann man denn dann nicht so einem Kind helfen??? Ich kann mit meiner Meinung ja total daneben liegen, ich bin ja auch erst 16 Jahre alt, doch ich finde, dass ich eigentlich nicht so ganz falsch liege.

  29.03.01 Bernadette Greiten, Anna-Katharina Meilwes,Maria Strunz ette305@freenet.de
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte heute im Namen aller Kinder schreiben, die das Licht dieser Welt nie erblickten. Präimplantationsdiagnostik: Was bedeutet das eigentlich????! Es bedeutet, dass befruchtete Embryonen auf ihre Tauglichkeit untersucht werden und dann das Gesundeste in den Mutterleib eingepflanzt wird. Mit anderen Worten: " Mal gucken, ob Du nützlich bist!" und "Wer nicht taugt, wird weggeworfen!". Man könnte meinen, dass man wieder in der Nazizeit wäre, in der die Menschen, die nicht der Norm entsprachen, einfach umgebracht wurden. Wer aber hat das Recht zu sagen: "Du bist nicht lebenswert!"? Hier sind es die Ärzte, die sich wie Götter in weiß benehmen, und sich erlauben über Leben und Tod zu entscheiden. Die selektierten Embryonen sind ungewollte Nebenproduktionen, die in den Augen der Eltern und Ärzte keine müde Mark wert sind, weil sie unter einer Behinderung leiden und damit mehr Geld und Aufmerksamkeit verlangen würden. Warum bemühen sich junge Ehepaare nicht darum, junge Kinder oder Babies zu adoptieren, so würden sie diesen eine Zukunft geben, statt ihre eigenen Kinder töten zu lassen. Was ist das für eine Welt, in der einerseits für immer mehr Toleranz plädiert wird und andererseits unschuldige Kinder aufgrund einer Behinderung grausam ermordet werden! Letzteres verstößt auch noch gegen die Grundgesetze, in denen steht: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." . Wer bei Beginn seines Lebens als Embryo den Test bei Kontrollzentrum in der Normzentrale besteht und damit taugt, wird in die Menschheit eingegliedert. Er bekommt die Lizenz zu leben. Wer den Test nicht besteht wird verworfen und damit aussortiert. Man wirft den kleinen Embryo weg, was bedeutet, dass man ihn kaltblütig ermordet!!!

Danke, dass sie sich die Zeit genommen haben, diesen Text zu lesen.

  30.03.01 Manfred Leickel
Sollte die genetische Auslese Praxis werden, würden wir erleben, wie sehr schnell nicht nur über genetische Defekte, die es zu vermeiden gälte, geredet würde, sondern wie sehr bald auch bestimmte Normen definiert würden, denen der werdende Mensch zu genügen habe. Dies ist für mich eine Horrorvorstellung.

Unvermeidlich wäre dann auch eine Dikussion über das Schicksal der Menschen, die trotz genetischer Vollkommenheit behindert geboren oder durch äußere Umstände behindert würden.

Wir erleben heute schon, wie die Frage nach moralischer Verantwortung gestellt wird. Wir erleben ferner, wie wirtschaftlicher Druck zu immer mehr Abbau von Lebensqualität Behinderter führt. Dies ist eine Folge der Wandlung des Verständnisses vom Menschen als Wert an sich hin zum Menschen als Objekt der Kosten-Nutzen-Rechnung.

Man würde mit dem Argument, Behinderung müsse in dieser Zeit nicht mehr sein, noch lauter nach der kostengünstigsten Lösung rufen als das heute schon der Fall ist. Und es sind nicht nur rechtsradikale, die sich heute schon die "kostengünstigste" Lösung vorstellen können. Ich bekomme einschlägige Bemerkungen oft genug zu hören, wenn ich mit meinem geistig behinderten Sohn unterwegs bin. Übrigens: die Behinderung meines Sohnes wäre auch mit Gentest nicht zu verhindern gewesen.

Quelle: http://www.bundestag.de/dialog/forum/enquete_medizin_archiv/05lutherernst
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