|
|
Tobias Asmuth
Auf verlorenem Posten
Die Armut in Tadschikistan ist die
Verbündete der Drogenschmuggler
Fast 80 Prozent des weltweiten Opiums und
Heroins kommen aus Afghanistan. Schon an der Grenze zu
Tadschikistan soll nach dem Willen der USA und Europas ihr Weg in
den Westen gestoppt werden. Doch das Vorhaben überfordert das
bitterarme Land - und zeigt die absurden Versäumnisse im Kampf
gegen die Drogen.
Tadschikistan. Dort wo "die Front" beginnt,
fließt träge der Fluss Pjanj durch die Ebene,
erschöpft von seiner Reise, die an den Gletschern des
Pamir-Gebirges beginnt. In seinem seichten Wasser bilden sich
braune Inseln, an seinem Ufer steht das Schilf. Drüben auf der
anderen Seite leuchten Baumwollfelder, am Horizont Berge.
Afghanistan. Von dort kommt der Feind. Er kommt in Booten, in Autos
und Lastern über Brücken, und manchmal fliegt er nachts
einfach in Hubschraubern über den Fluss hinweg.
Kommandeur Halimow hat den Befehl, den Feind
zu stoppen, er soll mit seinen Soldaten die Drogen - Opium und
Heroin - aufspüren, die über Tadschikis-tan nach Russland
und Westeuropa geschmuggelt werden. Seine Männer haben
Zäune aus Stacheldraht und Wachtürme errichtet, sie
stehen Tag und Nacht am Fluss auf Posten. Das Land zu
schützen, ist ihre heilige Pflicht, sagen die Generäle.
Seit vergangenem Sommer bewacht die tadschikische Armee die 1.344
Kilometer lange Grenze zu Afghanistan, nicht mehr die russischen
Verbündeten. Der Kampf gegen die Drogen ist jetzt nationale
Aufgabe, Tadschikistan braucht Erfolge, die es der internationalen
Öffentlichkeit präsentieren kann, weshalb Zahlen eine
große Rolle spielen.
Fast 180 Kilometer lang sei der
Grenzabschnitt, den seine Einheit bewache, sagt Halimow, seine
Männer hätten in knapp vier Monaten ein Dutzend illegale
Grenzübertritte vereitelt, dabei 36 Kalaschnikows
sichergestellt und vor allem 57 Kilogramm Opium beschlagnahmt.
Halimow steht im Hof seiner Kaserne im kleinen Ort Pjanj, zwischen
den Wohnblocks hängen Frauen Wäsche auf, Kinder spielen
Verstecken und Fangen. Früher haben hier russische
Soldatenfamilien gelebt. Häuser, Fahrzeuge, Waffen, alles
hätten seine Leute nach einer Übereinkunft mit den
Vorgängern übernommen, erzählt Halimow. "Selbst die
Uniformen." Und so ziert das russische Wappen die Mützen
seiner Soldaten.
Unten am Fluss, im Schilf versteckt, hat
seine Truppe ein kleines Fort gebaut. Hinter Maschinengewehren
verschanzt, beobachtet die Besatzung die andere Seite, Afghanistan,
aus dem fast 80 Prozent des Heroins in Deutschland stammen. Wenn
dort die Mohnfelder geerntet werden, kommen die Schmuggler. Sie
sind gut ausgerüstet, steuern schnelle Landrover und besitzen
sogar Flugzeuge und Hubschrauber. Halimows Leute spähen mit
veralteten Nachtsichtgeräten in die Dunkelheit und fahren in
klapprigen Jeeps staubige Feldwege ab. Wenn das Wetter schlecht
ist, haben die Soldaten im Fort keine Funkverbindung.
Die Europäische Union und die USA wollen
in den kommenden Jahren die Grenztruppen mit 25 Millionen Euro
für eine neue Ausrüstung unterstützen. Doch die
Gegner von Kommandeur Halimow sind nicht mit mehr PS und
störungsfreiem Empfang zu besiegen. Die Drogenschmuggler haben
einen mächtigen Verbündeten - die Armut in
Tadschikistan.
Schon in der Sowjetunion galt das Gebirgsland
an der Grenze zu China als rückständig und wurde mit
Milliarden Dollar von der Moskauer Zentrale unterstützt. Nach
der Unabhängigkeit 1991 stürzte es in einen grausamen
Bürgerkrieg. Anders als bei den Nachbarn Kirgisien oder
Usbekistan konnte sich der Chef der kommunistischen Partei nicht
als neuer Präsident behaupten. Die Milizen des alten Regimes,
die "Jurtschikis", kämpften gegen islamistische Kriegsherren,
die "Wovtschikis". Beide plünderten Städte und
Dörfer und ermordeten fast 60.000 Menschen. Am Ende des
Krieges 1997 stand der ehemalige kommunistische
Parteifunktionär Emomali Rachmonow als neuer Präsident
fest.
Sein zerstörtes Land rechnet die
Weltbank zu den 30 ärmsten Ländern der Welt. Das
Bruttosozialprodukt pro Kopf liegt bei 190 Dollar im Jahr. Im
Vergleich dazu kommt Moldawien, eines der ärmsten Länder
Europas, auf 590 Dollar. Da ist die Versuchung groß, im
Drogenhandel zu Geld zu kommen.
Die Gewinnspannen sind enorm. Im
nordafghanischen Kundus kostet ein Kilogramm Heroin 1.500 Dollar,
in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe steigt der Preis schon
auf 20.000 Dollar, in Moskau auf knapp 100.000 Dollar und in
Westeuropa werden 250.000 Dollar bezahlt.
Auch Rustam Nasarow kennt Zahlen. Er ist
Direktor der tadschikischen Anti-Drogen-Behörde in Duschanbe,
und soll den Kampf gegen den Feind aus Afghanis-tan organisieren.
Nasarow sitzt in einem klimatisierten Konferenzraum und
erklärt, dass er in den vergangenen fünf Jahren 43 Tonnen
Rauschgift beschlagnahmt habe, davon 22 Tonnen Heroin. "Die Route
über Tadschikistan ist wichtiger als die über Usbekistan
oder Turkmenistan." Die Drogen werden in Autos und Lastern
über Russland, Weißrussland und die Ukraine nach
Mitteleuropa transportiert. Dieser Weg wird nach Schätzungen
von Europol noch an Bedeutung gewinnen, da die Türkei und
Bulgarien in den vergangenen Jahren große Erfolge gegen den
Schmuggel erzielt haben. Auf der so genannten Balkanroute über
die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Serbien-Montenegro,
Ungarn, Tschechien und Österreich sind 2004 knapp 4,5
gegenüber 2,6 Tonnen Heroin 2003 sichergestellt worden. Auf
solche Verluste reagieren die großen internationalen
Schmugglerbanden, die sich vom Anbau des Opiums bis zur Verteilung
des Heroins um alles kümmern, schnell und flexibel. Auf Rustam
Nasarow wird viel Arbeit zu kommen.
Seine Behörde hat fast 350 Mitarbeiter,
sie wird seit 1999 von den Vereinten Nationen unterstützt und
erhält bis Ende 2006 noch 4,5 Millionen Dollar. Nasarow
schätzt, dass er bisher vielleicht 30 Prozent der
geschmuggelten Drogen aufspürt. Besonders stolz ist er auf das
Labor im fünften Stock des alten Bürogebäudes. Die
neuen Computer sind von Dell und Compaq, Mikroskope und Feinwaagen
kommen aus Deutschland, und der Gas-Chromatograph, der die genaue
Zusammensetzung des Rauschgifts bestimmt, ist auch erst wenig
Monate alt.
An der Wand neben Schränken mit
Mörsern und Salzsäurefläschchen hängen Urkunden
von Fortbildungskursen des deutschen Bundeskriminalamts und der
englischen Drug Agency. Ihr Besitzer, Bachtier Karimow, leitet das
Labor, der Chemiker analysiert seit Jahren die Drogen aus
Afghanistan. Früher hat er vor allem Opium untersucht, heute
immer mehr Heroin. Die Afghanen bereiten das rohe Opium auf, um
sich höhere Profite zu sichern. In dutzenden Hinterhöfen
wird in alten Ölfässern zentnerweise Opium mit Kalk
aufgekocht, und die abgeschöpfte Masse durch
Essigsäureanhydrid in das weiße Heroinpulver
verwandelt.
"Die Qualität des Heroins wird immer
besser", sagt Karimow. Er kann genau feststellen, aus welcher
Gegend die Drogen kommen, die Analysen sind Routine. Aber
eigentlich muss Karimow nur auf die Verpackung der Päckchen
schauen. Darauf ist eine Karte Afghanis-tans und der Stempel des
Produzenten abgebildet. Jeder weiß, wer sich hinter den
Stempeln verbirgt. Warum aber werden dann die Drogenhändler
nicht festgenommen? Ihre Labore nicht zerstört? Bachtier
Karimow zuckt mit den Schultern, und sein Chef Rus-tam Nasarow
sagt, dass Afghanistan eben ein schwieriges Land sei.
In diesem schwierigen Land hat der
afghanische Präsident Hamid Karsai den Opiumanbau unter
Gefängnisstrafe gestellt, doch die Mohnfelder am Hindukusch
blühen weiter. Karsai hat keine Macht und keine Mittel, das
Verbot in den Anbaugebieten der Paschtunen-Provinzen Helmand und
Nangahar oder in der von afghanischen Tadschiken bewohnten
Bergregion Badachschan durchzusetzen. Auch die in Afghanistan
stationierten Truppen der Amerikaner und der Nato weichen dem
Konflikt mit den lokalen Führern und ehemaligen Warlords aus,
die sich den Drogenhandel untereinander aufgeteilt haben. Die Angst
des Westens ist groß, im instabilen Land könne es zu
neuen Kämpfen kommen. Zwar zeigten Satellitenbilder nach
Angaben des Drogenkontroll-Programms der Vereinten Nationen
(UNDCP), dass 2005 das erste Mal seit 2001 knapp 20 Prozent weniger
Mohnfelder gepflanzt worden sind. Europol aber hält das
für ein rein taktisches Entgegenkommen der Drogenbosse
gegenüber der Regierung Karsai. Auch der Versuch der UNDCP,
Bauern Geld für den Anbau von Weizen statt Schlafmohn zu
zahlen, war nicht erfolgreich. Im Drogenanbau steckt einfach mehr
Geld. Ein Hektar Mohn ergibt einen Zentner Opium, und das bringt
10.000 bis 15.000 Dollar ein.
Es wäre schön, wenn die
internationale Gemeinschaft den Drogenanbau in Afghanistan
stärker bekämpfen würde, sagt Außenminister
Talbak Nasarow. "Weniger Drogen bedeuten für uns weniger
Schmuggel." Nasarow bittet an einen mächtigen Tisch in seinem
Amtsitz im Zentrum Duschanbes und erklärt, dass sich
Tadschikistan auch weiter dem Kampf gegen die Drogen verschreiben
werde. "Wir unternehmen alle Anstrengungen, unsere Grenztruppen und
unsere Polizei gut auszurüsten." Allerdings seien die Mittel
beschränkt, ohne Hilfe aus dem Ausland könne es keine
Fortschritte geben. "Der Drogenhandel gefährdet unsere
Entwicklung."
Eine Einschätzung, die viele
internationale Beobachter in Duschanbe teilen. Eine UNDCP-Studie
sieht im Schmuggel die wichtigste Ursache für die wachsende
Kriminalität in Tadschikistan. Die Drogenmafia, gestützt
auf die traditionellen Clanstrukturen, unterwandere den Staat. Die
"International Crisis Group" vermutet, dass Militärs,
Justizbeamte, selbst hohe Regierungsvertreter am
Drogengeschäft verdienen. Das schmutzige Geld heizt die
Korruption an. In einem Land, in dem ein Arzt drei und eine
Lehrerin fünf Dollar im Monat verdienen, ist fast alles
käuflich. Informationen, Stillschweigen, Wegschauen. In ein
korruptes System aber fließen keine ausländischen
Inves-titionen, die die Energiewirtschaft oder der Baumwollanbau
dringend brauchen. So wächst die Armut. Für die
Schmuggler ist das eine gute Nachricht, für die Soldaten am
Fluss Pjanj nicht.
Zurück zur Übersicht
|