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K. Rüdiger Durth
Pflüger fordert Wowereit heraus
CDU-Berlin hat endlich einen Spitzenkandidaten
gefunden
Die Zeit drängte für die CDU der
Bundeshauptstadt, die im Jahr 2001 bei der Wahl zum
Abgeordnetenhaus nur noch 24 Prozent der Stimmen erreichte. Denn am
17. September 2006 werden die Berliner wieder an die Urnen gerufen.
Während die SPD mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus
Wowereit in den Wahlkampf zieht, fand und fand die CDU keinen
Spitzenkandidaten. Nur in einem war sich die nach wie vor weithin
zerstrittene Hauptstadt-Union einig: Der Kandidat musste von
außen kommen. Nun wurde er auch gewissermaßen aus dem Hut
gezaubert. Sein Name: Friedbert Pflüger, Parlamentarischer
Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium.
Auch 2001 schon sollte der Spitzenkandidat
von außen kommen, nachdem der kurz zuvor von Rot-Grün
abgewählte Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen
nicht noch einmal antreten wollte. Damals wurde in der Union
Wolfgang Schäuble ganz hoch gehandelt. Hatte doch Berlin nicht
zuletzt seiner Rede im Jahr 1991 zu verdanken, dass sich der
Deutsche Bundestag in Bonn mit knapper Mehrheit für Berlin als
Sitz des Bundestages und der Bundesregierung entschied.
Pflüger plädierte damals für die "bescheidene
Hauptstadt" am Rhein, hat aber inzwischen seine Meinung
geändert. Er kann sich, so sagt er heute, gar nicht mehr
vorstellen, dass Berlin nicht Hauptstadt wäre.
Doch Schäuble scheiterte an den
innerparteilichen Querelen der Union auf Bundes- und Landesebene.
Er wurde von Angela Merkel favorisiert, während Helmut Kohl
damals dem jungen aufstrebenden Frank Steffel Mut zur Kandidatur
machte. Schäuble verzichtete, Steffel verlor haushoch und ist
inzwischen nicht einmal mehr Fraktionsvorsitzender im
Abgeordnetenhaus. Der neue Berliner CDU-Vorsitzende Ingo Schmitt,
seit Herbst 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages, legte sich auf
einen Kandidaten von außen fest. Und man hatte auch schon
einen Namen: Klaus Töpfer.
Töpfer, unter Bundeskanzler Helmut Kohl
zunächst Bundesumwelt-, dann Verkehrs- und Bauminister,
beschleunigte als gleichzeitiger Beauftragter der Bundesregierung
für den Parlaments- und Regierungsumzug den Wechsel von Bonn
nach Berlin. Als Töpfers Rückhalt bei Kohl schwand, nahm
er das Angebot von UN-Generalsekretär Kofi Annan an, als
Direktor der UN-Umweltbehörde (UNEP) in die kenianische
Hauptstadt Nairobi zu gehen. Ende Februar läuft nun der
Vertrag mit den Vereinten Nationen aus und Töpfer kehrt als
67-Jähriger nach Deutschland zurück.
Monatelang "verhandelte" die CDU mit
Töpfer über die Spitzenkandidatur. Allerdings in erster
Linie über die Zeitungen. Als Töpfer auf diese etwas
merkwürdige "Werbung" nicht reagierte, versuchte man,
persönlich mit ihm zu sprechen. Angeblich war dies
äußerst schwierig, obwohl der hohe UN-Beamte nicht selten
in Berlin ist. Offensichtlich wurde Klaus Töpfer das Theater
um seine Person zu bunt. Schließlich sagte er definitiv ab.
Die Union war schockiert. Allerdings fand sie bald in Friedrich
Merz, dem innerparteilichen Kontrahenten von CDU-Chefin Angela
Merkel, einen geeigneten Nachfolger für Töpfer. Doch Merz
hatte offensichtlich auch keine Lust, sich im wahrscheinlich
aussichtslosen Kampf gegen Wowereit zu verausgaben. Er sagte recht
schnell ab.
Schlug nun die Stunde für den jungen
CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Nikolas Zimmer? Doch dieser
wollte nicht nur Spitzenkandidat, sondern auch zugleich Parteichef
werden. Doch Ingo Schmitt dachte gar nicht daran, den Vorsitz
abzugeben. Und so verschwand denn Zimmer sehr schnell wieder von
der Kandidaten-Bildfläche, auf der dann ganz plötzlich
Friedbert Pflüger auftauchte, der sich zugleich des Vertrauens
der CDU-Bundesvorsitzenden Merkel erfreuen kann. Als der Name
Pflüger öffentlich zirkuliert wurde, gab es keine
Dementis. Für die Berliner Union schon irgendwie
ungewöhnlich. Dann verdichteten sich die Gerüchte und es
fanden tatsächlich Gespräche statt. Merkel hatte den
Berlinern Pflüger empfohlen und dessen ehemaliger Chef,
Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, machte dem in
Scheidung lebenden Vater von einem kleinen Sohn Mut zur
Kandidatur.
Chancen des Herausforderers
Berlin ist für den in Hannover geborenen
und promovierten Politikwissenschaftler kein unbekannter Ort. Von
1981 bis 1984 war er Redenschreiber des damaligen Regierenden
Bürgermeisters Richard von Weizsäcker und
anschließend dessen Pressesprecher, als von Weizsäcker
Bundespräsident wurde. Seit 1990 gehört Friedbert
Pflüger der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an. 1971 war er in die
Partei eingetreten. Sechs Jahre später wurde er bereits zum
Bundesvorsitzenden des Rings Christlich Demokratischer Studenten
(RCDS) gewählt. Seit langem gilt Pflüger als
außenpolitischer Experte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Aus
seiner Feder stammen zahlreiche Bücher, vor allem zu
außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Bei der letzten
Bundestagswahl war er Spitzenkandidat der niedersächsischen
CDU.
Wie sind die Chancen des neuen
CDU-Herausforderers von Klaus Wowereit, der nach wie vor Berlins
beliebtester Politiker ist und dessen SPD die CDU in den Umfragen
weit hinter sich gelassen hat? In den Umfragen kommt die Berliner
CDU, die sich vor allem im Ostteil der Stadt schwer tut, neuerdings
nur noch auf 19 Prozent.
Pflüger riskiert nichts, für den
nun die CDU noch einen Wahlkreis suchen muss - die meisten
Wahlkreise sind bereits vergeben. Er bleibt auch als Kandidat
Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarischer
Staatssekretär. Verliert er die Wahl am 17. September, wird er
wahrscheinlich im Bundestag bleiben und nicht als Fraktionschef
einer oppositionellen CDU in das Abgeordnetenhaus einziehen. Bei
der nächsten Wahl ist Pflüger 56 Jahre alt und kann
erneut antreten - sofern er im Herbst ein achtbares Wahlergebnis
erzielt.
Intensiver Wahlkampf
Die SPD sollte den Herausforderer
Pflüger freilich nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn
Friedbert Pflüger ist nicht nur ehrgeizig, sondern auch mit
dem bundespolitischen und diplomatischen Parkett bestens vertraut.
Wenn es ihm nun gelingt, die traditionell zerstrittene Berliner CDU
zu einen und deren starker Mann zu werden, der zugleich bei Wahlen
Erfolg hat, dann kann er sehr wohl zu einem ernsthaften
Konkurrenten von Klaus Wowereit werden. Jedenfalls wird durch die
Kandidatur Pflügers die Wahl zum Abgeordnetenhaus durchaus
spannend, auch wenn die Berliner davon ausgehen, daß Wowereit
nach der Wahl entweder wieder mit der PDS einen rot-roten Senat
bilden oder es erneut mit den Grünen versuchen
wird.
Von der Nominierung Pflügers durch die
einflußreichen Kreisvorsitzenden und den Vorstand der Berliner
CDU ist vor allem auch die Unions-Basis überrascht. Sie hatte
schon fast die Hoffnung auf die einvernehmliche Nominierung eines
bekannten CDU-Politikers aufgegeben. Dieses Kapital wird
Pflüger für sich zu nutzen wissen. Außerdem hat er
angekündigt, einen intensiven Wahlkampf zu führen. Schon
jetzt ist Friedbert Pflüger zu einer echten Herausforderung
von Klaus Wowereit geworden. Die CDU strebt nach der Wahl vor allem
eine Koalition mit der FDP an. Wenn es die
Mehrheitsverhältnisse nicht anders zulassen, auch eine Ampel,
also eine schwarz-gelb-grüne Koalition.
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