|
|
Eckhard Stengel
Böhrnsen legt Rettungskonzept vor
Bremen in Finanznot
Wenn Bremens Bürgermeister die
örtlichen Journalisten kurzfristig zu einer Pressekonferenz
einlädt und als Ort nicht den schlichten Presseraum, sondern
den ehrwürdigen Sitzungssaal des Senats angibt, dann will er
offenbar etwas besonders Bedeutsames verkünden. Mit
entsprechend hohen Erwartungen eilten kürzlich die
Medienvertreter ins Bremer Rathaus. Der neue Regierungschef Jens
Böhrnsen (SPD) wollte ihnen dort ein Konzept vorlegen, das
nicht mehr und nicht weniger darstellen soll als eine
"Gesamtstrategie" zur Rettung des kleinsten Bundeslandes vor dem
Finanztod und erst recht vor einer Fusion mit dem Nachbarn
Niedersachsen.
Doch die Inszenierung im Senatssaal
löste keine große Begeisterung aus: Böhrnsens
15-Seiten-Papier unter dem blumigen Titel "Mit Entschlossenheit und
Augenmaß die finanzielle Zukunft und die Selbständigkeit
für den Stadtstaat Bremen sichern" kam den Pressevertretern
teilweise recht bekannt vor. Manches erinnerte an Argumente, mit
denen Bremen bereits vor zwei Jahrzehnten für mehr Gelder aus
dem Länderfinanzausgleich gefochten hatte; andere Stichworte
standen schon in der Regierungserklärung des im November
gewählten Henning-Scherf-Nachfolgers. Immerhin: Dank des
Papiers kann jetzt jeder genau nachlesen, was der
SPD-Bürgermeister vorhat. Böhrnsen möchte den
Zwei-Städte-Staat aus Bremen und Bremerhaven mit einer
Dreifachstrategie retten: Sparen, Klagen Verhandeln.
Um einen strikten Sparkurs bemüht sich
die große Koalition schon lange. Allerdings nur bei den so
genannten konsumptiven Ausgaben. Für Investitionen schien
dagegen immer Geld vorhanden zu sein, auch wenn es nur geliehen
war. Mit dem Bau von Straßen, Tourismusprojekten und
Gewerbegebieten sollte die Bremer Wirtschaft angekurbelt und damit
letztlich mehr Geld in die Landeskasse gespült werden. Doch
die Rechnung ging nicht auf: Trotz 8,5 Milliarden Euro
Sanierungsbeihilfen des Bundes ist die Bremer Verschuldung im
vergangenen Jahrzehnt von neun auf 13 Milliarden
angewachsen.
Nun also will Böhrnsen wahr machen, was
er schon als einstiger SPD-Fraktionschef gefordert hatte: auch bei
den Investitionen zu kürzen. Neu ist die Maßzahl, die er
dafür nennt: Die überdurchschnittlich hohen
Investitionsausgaben pro Einwohner sollen schrittweise auf das
Pro-Kopf-Niveau Hamburgs gesenkt werden.
Neu ist auch ein Detail beim Stichwort
"Klage". Dass Bremen zum dritten Mal innerhalb zweier Jahrzehnte
vors Bundesverfassungsgericht ziehen will, steht schon länger
fest. Böhrnsen möchte diesen so genannten
Normenkontrollantrag jetzt aber inhaltlich beschränken.
Lediglich eine Teilentschuldung will er fordern, nicht aber - wie
zunächst angedacht - auch den ganzen
Länderfinanzausgleich erneut auf den Prüfstand stellen.
Diesen Punkt will er zunächst lieber in Verhandlungen mit Bund
und Ländern einbringen, und zwar bei den geplanten
Gesprächen über die zweite Stufe der
Föderalismusreform. Sein Ziel: Bremen müsse mehr vom
Steuerkuchen abbekommen. Das kleinste Bundesland erwirtschafte zwar
das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner, aber
wegen des geltenden Finanzsystems bleibe davon viel zu wenig in der
Landeskasse hängen. Böhrnsens Motto: "Wir fordern keine
Almosen, keine Bevorzugung, keine Extrawürste", sondern einen
Ausgleich für diese angebliche Benachteiligung.
"Das ist ein dornenreicher Weg", weiß
der 56-Jährige, aber im Moment sieht er gute Chancen für
einen Erfolg seines Rettungskonzeptes. Denn auch die neue
Bundesregierung strebe eine grundlegende Reform der
Finanzbeziehungen an und wolle außerdem die maritime
Wirtschaft fördern, was Bremen mit seinen milliardenteuren
Hafeninvestitionen sehr gelegen käme.
Mit seinem Strategiepapier will Böhrnsen
auch das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen. In den
vergangenen Wochen hatte die Hansestadt mehrere Angriffe auf ihre
Selbstständigkeit parieren müssen. So hatte Berlins
Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) für das Ende der Bremer
Eigenständigkeit plädiert, und Niedersachsens
Regierungschef Christian Wulff (CDU) hatte sich dafür
ausgesprochen, die rechtlichen Hürden für
Länderfusionen zu senken. "Viel sachlich Falsches, viel
Unsinniges" sei da gesagt worden, findet Böhrnsen, und seinen
Genossen Sarrazin nennt er gar einen "politischen
Amokläufer".
Der Bürgermeister lädt jetzt "alle
konstruktiven Kräfte" dazu ein, sich an der Diskussion
über sein Papier zu beteiligen. Der Koalitionspartner ist
allerdings etwas verschnupft: Die CDU wäre gerne vorab
beteiligt worden. Für sie kam das Konzept ebenso
überraschend wie für die kurzfristig eingeladenen
Journalisten.
Zurück zur Übersicht
|