|
|
Karl-Otto Sattler
Ein Euro ist ein Euro zu viel
Saarland: Volksbegehren dürfen Etat nicht
belasten
Die Trauben hängen jetzt noch höher. Volksbegehren
sind an der Saar nur erlaubt, wenn sie im Erfolgsfall keinen
einzigen Euro Mehrkosten verursachen: Nach diesem jetzt vom
saarländischen Verfassungsgerichtshof verkündeten Urteil
sind bei Referenden die Hürden kaum noch zu überspringen.
Schon bislang war die Messlatte wegen der extrem hoch angesetzten
Stimmenzahlen, die für einen Sieg bei einer Volksabstimmung
erforderlich sind, nur schwer zu nehmen: Für die Beantragung
einer solchen Initiative sind 5.000 Unterschriften nötig, in
einem zweiten Schritt müssen sich 120.000 Bürger für
die Ansetzung eines Referendums aussprechen und bei der Abstimmung
selbst muss die Hälfte der Wahlberechtigten mit Ja
votieren.
Auslöser der Grundsatzentscheidung der obersten
juristischen Instanz war ein Volksbegehren gegen das vom Kabinett
des Ministerpräsidenten Peter Müller verfügte Aus
von 80 der 270 saarländischen Grundschulen - ein in diesem
Ausmaß bundesweit einmaliger Einschnitt, der heiße
politische Konflikte provozierte. Abgewiesen wurden vom
Richterkollegium unter Präsident Roland Rixecker die
Landeselternvertretung (LEV) dieses Schulzweigs und die Vereinigung
"Rettet die Grundschulen", die gegen die Nichtzulassung dieses
Referendums durch Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer
geklagt hatten. Die CDU-Politikerin hatte den von mehr als 30.000
Unterschriften gestützten plebiszitären Vorstoß mit
dem Argument abgewiesen, diese Initiative würde sich im Etat
im Vergleich zu dem mit der Schließung der 80 Schulen
angestrebten Sparpaket von 17,5 Millionen Euro finanziell negativ
auswirken.
Das Verfassungsgericht hielt sich strikt an den Wortlaut der
Saar-Verfassung, nach der ein Volksbegehren nicht "finanzwirksam"
sein darf. Dabei komme es, wie es in der Urteilsbegründung
heißt, auf die Höhe der Mehrkosten oder auf deren
prozentualen Anteil am Haushalt nicht an. Sprich: Ein Euro ist ein
Euro zu viel. Rixecker betonte, dass nur das Parlament über
Einnahmen und Ausgaben des Landes befinden könne. Das
Saarbrücker Urteil dürfte zweifelsohne auch auf andere
Bundesländer ausstrahlen.
LEV-Sprecher Jörg Dammann zeigte sich enttäuscht
über den Ausgang des Prozesses. Die Elterngruppen hatten nicht
mit einer derart restriktiven Auslegung der Verfassung gerechnet.
Die Kläger hatten gehofft, Rixeckers Runde werde sich ein
Beispiel nehmen an Urteilen in anderen Bundesländern, nach
denen bei erfolgreichen Referenden Mehrausgaben in Höhe von
rund 0,25 Prozent des Etats statthaft sind. Die Gegner der
Schließung von 80 Grundschulen hatten angesichts des
Schülerrückgangs den Erhalt auch kleinerer Standorte in
Verbindung mit der Schaffung jahrgangsübergreifender
Kombiklassen verlangt: Nach den Kalkulationen der Elterngruppen
wäre bei ihrem Alternativmodell im Vergleich zum Konzept der
Regierung das Sparvolumen um nur etwa 2,5 Millionen Euro geringer
ausgefallen - was rund 0,05 Prozent des Etats ausmache.
Von "keinem guten Tag für eine lebendige Demokratie" sprach
nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts
SPD-Oppositionsführer Heiko Maas. Die Hürden lägen
"zu hoch, um direkte Demokratie zu ermöglichen". Der
grüne Fraktionsvorsitzende Hubert Ulrich ortet an der Saar gar
einen "vordemokratischen Standard". FDP-Chef Christoph Hartmann
sagte, er habe ein "solches Urteil befürchtet". Gemeinsam
fordert die Opposition nun eine Reform der Verfassung, um
Plebiszite zu erleichtern. Geht es nach den Grünen, sollen
Referenden den Etat bis zu einem Umfang von 0,5 Prozent seines
Volumens belasten dürfen. Für eine
Verfassungsänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im
Parlament erforderlich. Die CDU winkt jedoch ab und warnt
angesichts der Haushaltsnotlage vor einer Herabsetzung der
Hürden. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Helma
Kuhn-Theis mahnt, es dürfe nicht zu einer "Inflation von
Volksbegehren" kommen.
Offenbar sah sich das Verfassungsgericht genötigt, dem
Eindruck entgegenzutreten, nach seiner Entscheidung seien
Plebiszite praktisch gar nicht mehr machbar. So wies denn Rixeckers
Kollegium darauf hin, dass sich die Bürger bei einem
Referendum beispielsweise gege eine Beschneidung von
Freiheitsrechten wenden könnten, so diese vom Parlament
beschlossen werden sollte.
Zurück zur
Übersicht
|