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Ines Gollnick
Die Aufsteigerin: Ulrike Merten
Parlamentarisches Profil
Ich kann als Frau nicht damit dienen, gedient zu haben." Ulrike
Merten, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen
Bundestages, zeigt Humor. Doch als Fachfrau für Verteidigungs-
und Sicherheitspolitik scheint die Sozialdemokratin auch ohne den
Dienst in der Bundeswehr in ihrer Fraktion unumstritten zu sein.
Bereits im Mai 2005 war sie Reinhold Robbe nachgefolgt, durch die
Neuwahl bis September dann nur kurz im Amt, um dann im November
wieder als Vorsitzende eingesetzt zu werden. Seit 2002 war sie
bereits stellvertretende sicherheitspolitische Sprecherin der
SPD-Bundestagsfraktion. Bis 2005 also ein Aufstieg mit konsequenten
Schritten. Sie ist die erste Frau dieses Ausschusses, schreibt also
ein kleines bisschen Geschichte - Gleichstellungsgeschichte.
Ulrike Merten macht seit 1998 Sicherheitspolitik im Deutschen
Bundestag, ist auf diesem Feld also ein vertrautes Gesicht. Sie
habe viel Sympathie erfahren, berichtet sie im Gespräch mit
"Das Parlament" auf Burg Heimerzheim, ein idyllischer Ort in ihrem
ländlichen Wahlkreis im Rhein-Sieg-Kreis. Nach und nach
mischten immer mehr weibliche Gesichter im Verteidigungsausschuss
mit. Heute sind es zehn von 30 Mitgliedern. "Es gibt nichts
Gönnerhaftes in der Zusammenarbeit mit den Kollegen", sagt
Ulrike Merten. "Die Kollegin ist die Fachfrau auf dem Platz
nebenan." Merten hat zwar nicht gedient, aber sie kennt die Kaserne
von innen, nicht nur weil sie Krisengebiete besucht hat. Sie
absolvierte am Standort Augustdorf in Ost-Westfalen/Lippe bei der
Panzerbrigade 21 eine Wehrübung mit allem drum und dann. "Das
wird nicht belächelt, das wird gern gesehen. Wir haben
inzwischen auch Soldatinnen in allen Bereichen." Jetzt weiß
sie, wie es ist, auf dem Bauch zu liegen und in dieser Haltung ein
Gewehr auseinander zu nehmen. Mit einem Leopard II war sie im
Gelände, erlebte wie hoch der Anspruch an körperliche
Fitness ist.
Die Streitkräfte und die Bundeswehrverwaltung stehen zwar
im Mittelpunkt der Ausschussarbeit, aber nicht nur. Auch Aspekte
der internationalen Sicherheitspolitik spielen in die
Ausschussarbeit hinein, also Themen von großer Brisanz.
Deshalb gibt es eine enge Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen
Ausschuss. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass der
Verteidigungsausschuss ein so genannter "geschlossener Ausschuss"
ist, also nur bestimmte Personen Zutritt zu seinen Sitzungen haben.
Auch Sitzungsunterlagen und Protokolle kommen nur in die Hände
eines vom Ausschuss festgelegten Personenkreises. Eine
Geheimniskrämerin ist Ulrike Merten deshalb nicht, denn sie
weiß, dass es ein wirklich berechtigtes öffentliches
Interesse gibt. Parlamentarier hätten den Wunsch und die
Aufgabe dieses zu befriedigen, zumindest ein Stückweit.
Natürlich gäbe es auch Situationen, wo man abwägen
müsse.
Von ihrer neuen Rolle als Vorsitzende hat sie klare
Vorstellungen: den Ausschuss nach außen repräsentieren
und zwar alle im Ausschuss vertretenen Parteien. Sie will
Positionen zusammenführen und nicht polarisieren. Moderatorin
will sie sein. "Für ganz wichtig halte ich, immer da, wo es
notwendig ist, dafür zu sorgen, dass das Parlament zu seinem
Recht kommt." Merten meint damit beispielsweise, dass wirklich auch
das Ministerium den Ausschussmitgliedern die Informationen gibt,
die nötig sind, um die politische Arbeit leisten zu
können.
Die Haushalte 2006 und 2007 und der Auslandseinsatz der Soldaten
und Soldatinnen sind die großen Themen, die zur Zeit beackert
werden müssen. "Das verlangt uns schwierige Entscheidungen
ab." Vor allem fällt Merten auf, dass die Öffentlichkeit
gar nicht so wahrnimmt, was es für Soldaten und Soldatinnen
bedeutet, mehrfach, manchmal fast ohne Pause, in den Einsatz zu
gehen. Es sei eine ständige Belastung, auch mit der Gefahr zu
leben. Die Politik hat das Einsatzversorgungsrecht auf den Weg
gebracht. Und mit Familienbetreuungszentren sollen sich die
Zurückgelassenen unterstützt fühlen. Kinder
müssen nämlich manchmal Monate ohne Vater oder Mutter
auskommen. "Das Thema soziale Sicherung in der Bundeswehr
prägt die Arbeit auch in Zukunft und ist einer meiner
Schwerpunkte", so Merten. Daneben bleiben Ausrüstungsfragen
wichtig, um den größtmöglichen Schutz, aber auch die
größtmögliche Durchsetzungs- und
Durchhaltefähigkeit der Soldaten und Soldatinnen zu
garantieren. "Und da geht es immer ums Geld. Wir werden uns nicht
alles leisten können, was wünschenswert ist. Wir werden
Prioritäten setzen müssen. Das wird immer stark auf den
Einsatz abgestellt sein."
DDie aktuelle Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr
während der Fußballweltmeisterschaft vor dem Hintergrund
möglicher terroristischer Gefahren hat auch den Ausschuss
erreicht. "Die Bundeswehr ist selbstverständlich auch im
Rahmen der jetzigen Verfassung in der Lage zu helfen - logistisch
und mit fachlichen Fähigkeiten", sagt Merten. Die
entscheidende Frage für sie ist allerdings, ob die objektive
Sicherheit erhöht werden kann oder ob es nur um die
Herstellung eines subjektiven Sicherheitsgefühls geht. Was
könnten beispielsweise um das Stadion aufgestellte gepanzerte
Fahrzeuge bewirken? Sie zweifelt daran, ob damit der Schutz
vergrößert wird. Sinnvoll findet sie dagegen, dass
während der Fußballweltmeisterschaft AWACS-Flugzeuge
eingesetzt werden, die das Bundesgebiet auch über den Stadien
großräumig und sehr genau überwachen. Das könne
keine Polizei leisten.
Über Soldaten und Soldatinnen und ihre Aufgaben am
grünen Tisch zu diskutieren ist das eine, Besuchsprogramme vor
Ort das andere. "Das persönliche Gespräch vermittelt
etwas an Erfahrung, was keine noch so gut geschriebene Vorlage aus
dem Ministerium kann", so die Erfahrung der Parlamentarierin. Sie
selbst war mehrfach im Kosovo, in Bosnien, Afghanistan und als
erste Bundestagsabgeordnete des Verteidigungsausschusses in
Georgien. "Die Soldaten sind darauf angewiesen, dass wir uns vor
Ort ein Bild machen. Wir sollten allerdings darauf achten, dass es
nicht nur Einsatzgebiete sind, die im Fokus des Interesses
stehen.
Mit dem "Bazillus Politik" haben ihre Eltern sie schon als junge
Frau angesteckt. "Politik habe ich gelernt." 1972 trat die jetzt
54-jährige Mutter von zwei Söhnen, Kauffrau und Drogistin
in die SPD ein. Abnutzungserscheinungen kennt sie nicht, auch nicht
nach so vielen Jahren in der Politik. "Natürlich gibt es so
etwas wie Routine. Man muss aufpassen, dass man bei aller
Begeisterung für die Thematik, nicht das Gefühl
dafür verliert, was Bürger und Bürgerinnen zu Recht
erwarten. Ich rede ihnen jedoch nicht nach dem Mund. Das imperative
Mandat gibt es nicht." Trotzdem zu glauben, man könne
losgelöst von dem, was Menschen denken und sich wünschen
Politik machen, das sei völlig falsch. Sich das immer wieder
vor Augen zu führen, mache den Beruf zu etwas Besonderem.
Manchmal sieht es zwar so aus, als gäbe es nur noch das
Fachpolitikerinnenleben. Den Blick über den Tellerrand hinaus
schafft sie dann mit Literatur und klassischer Musik. Entspannung
und Anregung bieten ihr zum Beispiel Jonathan Franzen und Paula Fox
und immer wieder Thomas Mann und russische Klassiker wie Tolstoi.
"Musik und Literatur sind für mich so wichtig wie die Luft zum
Atmen."
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