Blumenkohl statt Schlafmohn
Interview mit Christoph Berg, Projektleiter
für Drogenkontrolle der GTZ
Christoph Berg leitet das Programm
Entwicklungsorientierte Drogenkontrolle der Deutschen Gesellschaft
für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Das Programm
unterstützt nationale und lokale Strategien zur
Drogenbekämpfung in Entwicklungs- und
Transformationsländern.
Das Parlament: Europäer und
Amerikaner fordern von der afghanischen Regierung ein effektiveres
Vorgehen im Kampf gegen den illegalen Drogenhandel und seine
Handlanger. Wie bewerten Sie das bisher Erreichte?
Christoph Berg: Wir sind noch nicht an
dem Punkt, dass wir richtige Erfolgsstories vermelden können.
Einerseits war und ist die Erwartungshaltung der internationalen
Staatengemeinschaft und der Geberländer in punkto
Drogenbekämpfung hoch. Zugleich ist das Problem in den
vergangenen Jahren erst allmählich angegangen worden. Die
Amerikaner machen gezielte Drogeneindämmungspolitik erst seit
ungefähr einem Jahr, die anderen Länder seit dem zweiten
oder dritten Jahr der "afghanischen Neuzeit". Die Amerikaner
koppeln die Vergabe von Entwicklungsgeldern neuerdings auch an
Ergebnisse bei der Drogenkontrolle. Das ist eine Politik, die die
Europäer nicht teilen. Wir sind gegen diese Art von
konditionierter Entwick-lungszusammenarbeit.
Das Parlament: Im Kabinett von Hamid
Karsai und unter den Provinzgouverneuren findet sich eine Reihe von
Politikern, die für den florierenden Drogenhandel
mitverantwortlich gemacht werden. Tut Karsai alles was er kann, um
sie auszuschalten?
Christoph Berg: Das ist schwer
einzuschätzen. Er befindet sich in einem schwierigen
Balance-Akt, bei dem er viele divergierende Interessen unter einen
Hut bringen muss. Wenn er jetzt erneut ankündigt, hochrangige
Taliban gesellschaftlich integrieren zu wollen und zugleich der
Drogenökonomie den Krieg erklärt, klingt das zumindest
deklaratorisch überzeugend.
Das Parlament: Gibt es für die
afghanischen Bauern denn mittlerweile echte Alternativen zum
lukrativen Anbau von Schlafmohn?
Christoph Berg: Das ist die
Gretchenfrage. In einem von der GTZ unterstützten Projekt
läuft zurzeit als landwirtschaftliche Alternative der Anbau
von Rosenstöcken, aus denen exportfähiges Rosenöl
und Rosenwasser gewonnen werden soll. Beides lässt sich
gewinnbringend vermarkten. So haben wir noch drei, vier weitere
Alternativprodukte. Aber damit ist es nicht getan. Die alternativen
landwirtschaftlichen Produkte sind nur ein Baustein eines viel
komplexeren Problems. Es geht nicht nur um so genannte "cash
crops", die das Bareinkommen der Bauern verbessern. Bei vielen
Bauern müssen wir überhaupt erst einmal deren
Ernährung und die ihrer Familien sicherstellen. Desweiteren
fehlt eine weiterverarbeitende Industrie. In der Provinz Nangarhar,
wo die GTZ Projekte unterstützt, wächst Blumenkohl, der
dort nicht gelagert werden kann. Also wird er nach Pakistan
exportiert und von dort außerhalb der Erntezeit teurer
reimportiert. Das soll nicht so bleiben. Aber es braucht Zeit, hier
zehn bis 20 Lagerhäuser zu bauen. Wir sind dabei auch auf die
Initiative der afghanischen Partner und Gemeinden angewiesen. Dass
muss auch von unten kommen, weshalb wir uns in den Projekten
bemühen, demokratische Strukturen zu fördern, indem wir
gewählte regionale und lokale Räte und Gremien
unterstützen. So binden wir die Bevölkerung in politische
Prozesse besser ein.
Das Parlament: Muss ein afghanischer
Bauer, der den Anbau von Schlafmohn aufgibt, mit Repressalien
rechnen?
Christoph Berg: Ja, eindeutig. Viele
von ihnen stecken in schwierigen
Abhängigkeitsverhältnissen. Es gibt eine Reihe von
landlosen Bauern, die in Pacht leben und auch viele verschuldete
Bauern. Schlafmohn und Opium sind häufig der einzige Weg, zu
Kapital und an Land zu kommen. Für viele ist es schwierig,
diesem Verschuldungskreislauf zu entkommen.
Das Parlament: Die internationalen
Hilfsprogramme sehen ja unter anderem vor, die Bauern von dieser
finanziellen Abhängigkeit zu entlasten.
Christoph Berg: Es werden viele
Versprechen gemacht. Es gibt zahlreiche afghanische Politiker und
Provinzgouverneure, die zusagen, den Bauern mit Hilfe der
internationalen Gemeinschaft massiv unter die Arme zu greifen. In
Nangarhar, wo die GTZ Projekte fördert und wo allein ein
Viertel der afghanischen Schlafmohnproduktion zu Hause war, ging
daraufhin der Anbau im vergangenen Jahr signifikant zurück.
Aber die Bauern haben zu abrupt aufgehört mit dem Anbau. Mit
den versprochenen Ausgleichszahlungen, dem Ersatz-Saatgut für
die alternativen landwirtschaftlichen Produkte und den nötigen
Infrastrukturleistungen kommen wir aber so schnell nicht nach. Das
braucht mindestens zwei bis drei Jahre Zeit, in vielen Fällen
mehr, um eine nachhaltige Entwicklung voranzubringen. Also ist die
Gefahr sehr groß, dass künftig wieder vermehrt Schlafmohn
zur Opiumproduktion angebaut wird.
Das Parlament: Die Amerikaner haben
Programme für alternative Lebensgrundlagen, im Jargon
"Alternative Liveliehoods", zu einer Priorität für die
kommenden Jahre gemacht und geben dafür in den drei
größten Anbau-Provinzen umgerechnet über 150
Millionen Euro aus. Gehen amerikanische und europäsiche
Hilfsorganisationen hier abgestimmt vor?
Christoph Berg: Bessere Koordination
ist eine echte Herausforderung. Gelingt dies nicht, besteht die
Gefahr, dass die Hilfe nicht die Empfänger ereicht, die es
eigentlich am Nötigsten haben, das heißt die armen und
landlosen Bauern. Die EU hat ihre Mittel für Nangarhar noch
einmal aufgestockt. Der GTZ stehen jetzt 20,5 Millionen Euro
für die Jahre 2004 bis 2009 zur Verfügung. Auch in dem
vom Bundesentwicklungsministerium finanzierten Programm zur
Ernährungssicherung im Norden Afghanistans fördern wir
zunehmend Alternativen zum Drogenanbau.
Das Interview führte Martin Gerner
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