Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 49 - 50 / 05.12.2005
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Daniela Weingärnter

Kaum noch Chancen für EU-Finanzpaket

Mit Verhandlungsergebnis wird erst unter österreichischer Präsidentschaft gerechnet

Nur wenige Tage vor dem entscheidenden Treffen der europäischen Regierungschefs in Brüssel scheint ein Kompromiss beim umstrittenen Finanzpaket für die Jahre 2007 bis 2013 kaum mehr möglich. Zwar will die britische Ratspräsidentschaft kurz vor dem Sondertreffen der Außenminister am 7. Dezember einen konkreten Zahlenvorschlag auf den Tisch legen. Doch Tony Blairs Ankündigung, das Sparziel durch Kürzung der Strukturförderung für die neuen Mitgliedstaaten um zehn Prozent zu erreichen, hat bereits Proteststürme ausgelöst. Die ärmeren Länder Osteuropas werden den Vorschlag ablehnen.

Für die Nettozahlerländer Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweden und die Niederlande, die mehr in den EU-Topf einzahlen als sie herausbekommen, würde der britische Vorschlag die Belastungen verringern. Sie hatten gefordert, die Brüsseler Ausgaben auf ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu begrenzen. Während Ende Juni das letzte Angebot der Luxemburger Ratspräsidentschaft noch 1,06 Prozent des BIP ergeben hatte, kämen beim britischen Ansatz 1,03 Prozent heraus. Außerdem müsste Blair keine Abstriche beim "Britenrabatt" machen und Frankreich keine Kürzungen bei den Agrarzahlungen hinnehmen.

Polen, Ungarn, die Tschechische Republik und die Slowakei - die Visegrad-Gruppe - schickten am 29. November einen offenen Brief an Blair, in dem sie daran erinnern, dass Strukturpolitik als wichtigstes Instrument angesehen wird, um die Lebensbedingungen in der EU anzugleichen. Der ungarische Premier Ferenc Gyurcsany drohte in einem Interview mit der "Financial Times", die Westeuropäer müssten "mit äußerst ernsten Konflikten zwischen den verschiedenen Teilen Europas" rechnen. Die spanische Regierung kündigte an, die Osteuropäer zu unterstützen.

Während die Mehrheit der Mitgliedsstaaten die Verhandlungsführung der britischen Ratspräsidentschaft für die Blockade verantwortlich macht, erinnert das EU-Parlament daran, dass auch ohne mehrjährige Finanzplanung auf europäischer Ebene nicht der Stillstand droht. Der EVP-Haushaltsexperte Reimer Böge sagte: "Ich schließe mich der Chaostheorie nicht an. Wenn wir keinen Kompromiss finden, bricht deshalb noch lange keine Haushaltskrise aus."

Böge rechnet damit, dass der Rat im kommenden Halbjahr unter österreichischer Präsidentschaft zu einem Verhandlungsergebnis kommt. Beim Gipfel im vergangenen Juni unter Luxemburger Regie hatte bereits ein Kompromiss auf dem Tisch gelegen, dem fast alle Delegationen zustimmen konnten. Statt auf dieser Grundlage weiter zu arbeiten, hatten die Briten eine Grundsatzdiskussion über die Verteilung der Ausgaben begonnen. Fast die Hälfte der EU-Mittel wird für Agrarbeihilfen ausgegeben. Auf deutsch-französische Initiative hatte der Rat im Dezember 2002 einstimmig beschlossen, daran bis zum Jahr 2013 nicht zu rütteln. Nun wollen die Briten Gelder aus dem Agrartopf in Forschung und Entwicklung umleiten, um das Wachstum anzukurbeln. Frankreich, das am meisten von den Agrarhilfen profitiert, hat aber sein Veto eingelegt.

Sollten die Österreicher eine Lösung finden, die sowohl Paris als auch London akzeptieren kann, muss das EU-Parlament dem Paket aber ebenfalls zustimmen. Die Parlamentarier lehnen es ab, das Budget, wie von den Nettozahlern im Rat gefordert, auf ein Prozent des BIP zu begrenzen. Sie argumentieren, dass die EU sich nicht ständig für neue Politikfelder zuständig erklären kann, ohne dafür mehr Mittel bereitzustellen. Es könne auch nicht angehen, dass die Union Forschung und Entwicklung als Schlüssel zu mehr Wachstum ausbauen wolle und dann den Forschungsetat kürze.

Falls das Finanzpaket noch magerer ausfallen sollte als der Luxemburger Vorschlag im Sommer, will das Parlament nicht zustimmen. Man will dann auf der Grundlage jährlicher Haushaltsverfahren weiterarbeiten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.