Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 08 / 21.02.2005
Josef-Thomas Göller

Der lange Weg der transatlantischen Wiederannäherung

Vor dem Deutschlandbesuch von George W. Bush
Vier Wochen nach seiner neuerlichen Amtseinführung bricht der amerikanische Präsident George W. Bush bereits zur ersten Auslandsreise seiner zweiten Amtszeit auf. Bezeichnenderweise nach Europa. Führende Politiker der Alten Welt bewerten dies als ein "positives Zeichen für eine transatlantische Wiederannäherung". Am 22. Februar wird Bush in Brüssel mit Vertretern der Nato und der EU sprechen. Tags darauf besucht er den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder in Mainz.

Im Mittelpunkt der Gespräche in Brüssel und Mainz stehen die aufziehende nukleare Bedrohung seitens des Irans, die bereits erneut einen tiefen Dissens zwischen Berlin/Paris und den USA hervorruft, sowie Frieden und Demokratie im Nahen Osten, worüber ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen herrschen.

"Wir begrüßen die Bereitschaft Bushs, die Beziehungen mit der EU zu verstärken", sagte die Sprecherin des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso unmittelbar nach der Rede des amerikanischen Präsidenten zu seiner zweiten Amtseinführung am 21. Januar. "Wir halten Eure Freundschaft in Ehren, wir vertrauen auf Euren Rat und wir brauchen Eure Hilfe", hatte Bush zuvor in seiner ersten Rede mit Blick auf jene europäischen Verbündeten gesagt, die in seiner ersten Amtszeit vor allem wegen des Irak-Krieges auf Distanz zu den USA gegangen waren.

Diese Gesten des gegenseitigen Handausstreckens mögen durchaus ernst gemeint gewesen sein, doch lauern an vielen Ecken bereits neue Gefahren für die transatlantischen Beziehungen. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer verdeutlichte bereits vor vier Wochen eine davon: Die USA und Europa müssten nun vor allem gegenüber dem Iran eine gemeinsame Politik verfolgen, forderte er. Daran ist - trotz Beteuerungen auf beiden Seiten - aber gar nicht zu denken.

Der schiitischen Mullah-Diktatur im Iran wird seit Jahren vor allem seitens der USA vorgeworfen, sie verstoße gegen den Atomwaffensperrvertrag, indem sie heimlich versuche, Atomwaffen herzustellen. Vor drei Jahren zählte Präsident Bush den Iran deshalb zusammen mit dem Irak - damals noch von Diktator Saddam Hussein beherrscht - und der kommunistischen Diktatur in Nordkorea zur "Achse des Bösen". Noch am Tag der Bestätigung der Wiederwahl Bushs am 4. November 2004 kursierten in Washington Gerüchte über einen US-Angriff auf den Iran, der seit 1979 die USA zu seinem "Erzfeind" erklärt hat.

In diese hochexplosive Gemengelage schalteten sich die drei führenden europäischen Mächte Deutschland, Frankreich und England ein. Gerhard Schröder zum Beispiel betonte anlässlich des Auftaktbesuches der neuen amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice in Berlin am 4. Februar, dass seiner Auffassung nach "der Iran das Recht hat, Nukleartechnik zivil zu nutzen. Deutschland wird zusammen mit Frankreich und Großbritannien alles daran setzen, zu einer diplomatischen Lösung zu kommen. Die bisherigen Schritte sind richtig." Die US-Außenministerin erwiderte darauf diplomatisch: "Ja, Diplomatie kann wirksam sein. Die Briten, Deutschen und Franzosen geben den Iranern eine Möglichkeit, zu ihren internationalen Verpflichtungen zu stehen."

Mit anderen Worten: Nur die Drei geben dem Iran diese Chance, nicht die USA. Frau Rice vermied in Berlin tunlichst, dem Kanzler zu widersprechen. An anderer Stelle während ihrer Reise durch Europa brachte sie gegenüber amerikanischen Journalisten jedoch ihre wahre Meinung zum Ausdruck: "Die Iraner spielen nur auf Zeit."

Zum Äußersten entschlossen

Damit stehen die Amerikaner und die führenden europäischen Staaten wieder vor der gleichen Situation wie im Falle des Irak vor zwei Jahren. Wieder sind es Frankreich und Deutschland sowie Großbritannien, das es aber im Zweifelsfall mit den USA halten dürfte, die mittels Gesprächen und viel Zeit einen gefährlichen Konflikt entschärfen wollen. Während die Amerikaner ungeduldig fragen: Womit wollen Berlin und Paris denn die Iraner zum Einlenken zwingen, ein Regime, das schon oft bewiesen hat, dass es sich nicht an internationale Verträge hält?

Erneut sind die USA wohl zum Äußersten entschlossen. Zumindest will Bush diesen Eindruck bewusst erwecken. Ob Bluff oder Ernst bleibt das Risiko Teherans. Bush jedenfalls hat mehrfach klar gemacht, dass die USA auf jeden Fall die Nuklearbewaffnung des radikal-islamischen Regimes im Iran verhindern werden. Egal, was ihm seine "europäischen Freunde raten", glauben er sowie die Meinungsmacher seiner Regierung jedenfalls nicht an eine politische Lösung.

Um die Europäer, die er für seine Nahost-Politik dringend als Bündnispartner braucht, nicht erneut vor den Kopf zu stoßen, wird er sich für eine Weile auf diplomatisches Geplänkel einlassen und dies dem Kanzler am 23. Februar zum Ausdruck bringen. Wie aus Pentagonkreisen zu erfahren war, können sich die USA vorstellen, auf UN-Ebene der europäischen Taktik eine Weile zu folgen und zum Beispiel den Sicherheitsrat Sanktionen gegen den Iran verhängen zu lassen, sollte dieser nicht einlenken. Aus amerikanischer Sicht aber ist das Ende bereits jetzt bekannt: Das Regime in Teheran hat seit 26 Jahren gezeigt, dass es vor nichts zurückschreckt; deshalb wird der Iran nicht nachprüfbar auf die Herstellung von Atomwaffen verzichten, und die USA werden auf diese als Bedrohung empfundene Verweigerung mit einem Militärschlag reagieren.

Es ist nun an Bundeskanzler Schröder, den amerikanischen Präsidenten am 23. Februar davon zu überzeugen, warum es in der Iran-Frage keinen solchen Automatismus geben darf. Die Amerikaner erwarten allerdings von einer europäischen Führungsmacht wie Deutschland keine Worte über den Weltfrieden, sondern harte Fakten und eine klare Strategie für den Fall, dass die Gespräche mit dem Iran nicht die gewünschten Ergebnisse zeitigen.

Es ist davon auszugehen, dass sich Deutschland (und Frankreich, aber aus anderen Gründen) an Ende nicht einer militärischen Drohung gegenüber dem Iran anschließen werden - worauf die Mullahs in Teheran natürlich spekulieren. Der amerikanische Präsident wird erneut als jener "schießwütige Cowboy" dastehen, wie er häufig in der europäischen Presse dargestellt wird.

Wenn man ein erneutes Fiasko der transatlantischen Beziehungen also in Rechnung stellen kann, dann ist es auch überlegenswert, wie man solche Entwicklungen verhindern kann. Es dient keiner Seite, wenn sich die westliche Wertegemeinschaft darüber streitet, ob man nahöstliche Diktaturen mit Samthandschuhen oder mit eiserner Faust anpackt; letztlich bedrohen derart außer Kontrolle geratene Regime Europa wie die Vereinigten Staaten.

Sicherheit um jeden Preis

Die Ursache wie die Lösung des transatlantischen Dilemmas liegen nicht weit entfernt. Präzise geht sie auf den 11. September 2001 zurück, jenen Tag, an dem die USA lernen mussten, dass ihre bisherige Abschreckungspolitik gegen feindliche Staaten nicht funktionierte, da der Angreifer kein Staat, sondern ein international funktionierendes Netzwerk war. Diese Erkenntnis und alle daraus abgeleiteten politischen Schlussfolgerungen sitzen in den Vereinigten Staaten tief - sowohl bei den Politikern beider Parteien als auch in der Psyche der Bevölkerungsmehrheit. Hauptsächlich das trennt Amerika von Europa. Der unterschiedlich wahrgenommene Schock dieses Tages führt zum eigentlichen Unverständnis auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Tatsache, dass eine Terroristenbande die Weltmacht militärisch genauso angreifen konnte, wie es Japan vor 63 Jahren tat, hat dazu beigetragen, dass Präsident Bush seinen bisherigen Kurs auch in der zweiten Amtszeit beibehalten wird, und der lautet: Sicherheit für Amerika in einer plötzlich gefährlicher gewordenen Welt - um jeden Preis. Der Ton an die Außenwelt für die nächsten vier Jahre hat sich zwar gemäßigt. Auch der Präsident und seine "Smart Guys" wollen weltweit geachtet und anerkannt werden und haben lieber Verbündete als "viel Feind, viel Ehr". Aber an der Sache selbst wird nicht gerüttelt: Verhinderung eines weiteren verheerenden Terrorangriffs auf die USA - koste, was es wolle.

Das ist aus amerikanischer Sicht derzeit nur zu erreichen, indem sich die USA sämtliche Rechte herausnehmen und gleichzeitig anderen Staaten - selbst Verbündeten - genau diese Rechte versagen. Das Schlüsselwort lautet "pre-emptive strike" - "vorbeugender Erstschlag" also, das Recht auf einen Angriffskrieg.

Schon jetzt wird dieses "Recht" in den USA überparteilich in Anspruch genommen. Selbst Bushs Herausforderer, Senator John Kerry, stellte diese Option für die Sicherheitspolitik der USA nicht in Frage. Weil sie seit drei Jahren funktioniere, so die Logik.

Die Souveränität von Staaten - für Europa noch immer ein nicht zur Disposition stehendes sine qua non des Völkerrechts - ist für die USA seit "9/11" kein sakrosanktes Prinzip mehr. Kein Wunder also, dass die Welt vor der stärksten Macht zu zittern beginnt, und zwar nicht nur die "Bösen". Der amerikanische Politikwissenschaftler G. John Ikenberry übertrug diese Situation in ein anschauliches Bild: "Die USA verhalten sich in der Welt wie ein autoritärer Polizist in einem Dorf, der allen Einwohnern untersagt, ihre Haustüren abzuschließen."

Auf solch einer Grundlage ist es natürlich schwierig, Verbündete zu behalten oder zu gewinnen. Im Grunde genommen erinnert die amerikanische Einstellung an das Britische Empire des 19. Jahrhunderts: "England hat keine dauerhaften Freunde und keine dauerhaften Feinde, es hat dauerhafte Interessen", definierte damals Premier Lord Palmerston Englands Politik.

Doch eigentlich tun sich die Amerikaner als Nation schwer, plötzlich der Paria der Welt zu sein. Die Bush-Administration kann noch immer nicht verstehen, warum alle Welt sie dafür rügte, das "Monster Saddam" hinweggefegt zu haben. Nicht einmal die Irakis waren so dankbar, wie es sich die Amerikaner vorgestellt hatten, geschweige denn der Rest der Welt. Da die USA aber an ihrer "vorbeugenden Erstschlagsdoktrin" festhalten werden, wird es eine Hauptaufgabe der US-Diplomatie der nächsten vier Jahre sein, diese gegenüber dem Rest der Welt zu rechtfertigen.

Der Iran - und möglicherweise das für die USA ebenso gefährliche Nordkorea - wird dafür ein neues Testbeispiel sein. Die Europäer können sich jedesmal darüber empören - aber es wird nichts bringen. Die Herausforderung für die deutsche Politik und Diplomatie - der von US-Seite großes Gewicht in Europa beigemessen wird - liegt vielmehr darin, den USA überzeugend die Angst nehmen zu können, sie könnten ihr Land nicht anders absichern als durch die Verletzung des Völkerrechts, ob Präventivschlag oder Missachtung des Rechts im Gefangenenlager von Guantanamo.

Wie könnte das geschehen? Indem die Bundesregierung mit ihren französischen und britischen Partnern das scheinbar Unmögliche möglich macht: dass der Iran genauso friedlich auf die Herstellung von Atomwaffen verzichtet, wie dies etwa Brasilien getan hat. Wenn der Bundeskanzler in Gegenwart von Außenministerin Rice sagt, dass Verhandlungen der richtige Weg seien, muss das durch Ergebnisse bewiesen werden.

Eigentlich bietet der Iran schon Gesprächsstoff genug für den Bundeskanzler und den amerikanischen Präsidenten, aber Bush wird von seinem deutschen NATO-Partner auch wissen wollen, was aus Berlin an Unterstützung für den Aufbau des Irak zu erwarten ist. Die Amerikaner haben sich von der Forderung nach einem Bundeswehreinsatz an Euphrat und Tigris verabschiedet. Sie nehmen mit einem gewissen, lächelnden Achselzucken zur Kenntnis, dass Deutschland seine Bereitschaft zur Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte in den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten hervorhebt.

Wichtiger ist da schon, wie es Deutschland mit der Bush'schen "Broader Middle East Initiative"- auf gut deutsch, der Demokratisierung der arabischen Welt hält. Vergangenes Jahr im Juni auf dem G-8-Gipfel beschlossen, sind die USA nach wie vor entschlossen, die autokratischen Regime der arabischen Welt peu á peu aufzubrechen. Präsident Bush ist seit drei Jahren fest davon überzeugt, dass nur eine Demokratisierung dieser zurückgebliebenen Länder die beste Sicherheitsgarantie für den Westen bietet. Er findet sich mit dieser Ansicht nicht allein. Eine breite, parteiübergreifende US-Bildungselite wirft den Europäern in Bausch und Bogen vor, durch ihre verkorkste Kolonial-Politik noch bis zu Beginn der 60er-Jahre hinein wesentlich dazu beigetragen zu haben, dass die arabische Welt derart von der Moderne abgekoppelt ist. Dieser Vorwurf trifft in erster Linie Frankreich, derzeit Hauptgegenspieler der USA auf der Weltbühne.

Aus amerikanischer Sicht haben sich die Europäer stets mit dem Status quo von "arabischen Tyranneien" arrangiert. Es seien die USA gewesen, die sich mit dem libyschen Terrorismus, den Palästinensern und Syrern aueinandersetzten, nicht die europäischen Staaten. Seit 9/11 haben sich die Amerikaner selbst mit ihrem besten arabischen Nahost-Verbündeten, den Saudis, überworfen, seit die Bush-Regierung wahrnahm, woher die Attentäter stammten. Während Europa weiterhin bereit war, den Status quo mit der islamischen Welt zu wahren, war Bush dazu nicht mehr bereit. Mit seinen Militärschlägen in Afghanistan und Irak hat er die Statik der jahrzehntelang erstarrten Welt des Orients verändert.

Letztlich "dank" Osama bin Laden sind die Vereinigten Staaten selbst zu einer unmittelbaren Macht in Nahost geworden. Sie sind plötzlich nicht nur mit Unterhändlern präsent, sondern mit ihrer Streitmacht im Irak sind sie "Nachbarn" von Syrien, Iran und Jordanien. Womit der Respekt vor der Militärmacht in der Region gewachsen sein dürfte. Bushs Rechnung mit den ersten freien Wahlen in Afghanistan und Irak scheint allmählich aufzugehen. Beeindruckende Schlangen von Wählern in beiden Ländern, die unter Lebensgefahr zu den Wahlurnen strömten, haben selbst den Sender Al Dschasira seine Polemik vorübergehend zähmen lassen. Und vielleicht am wichtigsten: die Palästinenser haben ebenfalls kürzlich friedlich einen Nachfolger Jassir Arafats gewählt. Muslime in drei Ländern haben der eigenen wie der Außenwelt überzeugend vor Augen geführt, dass sich Islam und Demokratie nicht per se ausschließen, wie es häufig in Europa zu hören ist.

Dass die Palästinenser und die Israelis an den Verhandlungstisch zurückgekehrt sind, dass in Berlin wie Washington plötzlich von einem "greifbar nahen Frieden" zwischen beiden Völkern die Rede ist, wird wahrscheinlich zu einem großen Teil der amerikanischen Machtdemonstration im Irak zu verdanken sein. Die große Diskrepanz zwischen den USA und dem "alten Europa" besteht unter anderem darin, dass die Neue Welt bereit ist, ihre außenpolitischen Ziele auch militärisch durchzusetzen. Es bleibt den Europäern überlassen, nachweisbare Erfolge am Verhandlungstisch zu erzielen. Ihre größte Erfolgsstory - die europäische Integration, 60 Jahre Frieden - könnte Europa auch auf die Weltpolitik übertragen und anwenden, auf die arabische Welt zum Beispiel.

Die deutsche Nachkriegspolitik hat den Begriff der Realpolitik geprägt, weil sie eine solche erfolgreich betrieben hat. Es wäre deshalb eine kluge Haltung Schröders, der Weltmacht USA zu verstehen zu geben, dass und wo sie auf die Deutschen zählen kann: "Friedenssicherung in Afghanistan sowie ziviler Aufbau im Irak kommt für uns in Frage", sagt der Bundeskanzler. Nur wer etwas gibt, kann auch Verständnis für Verweigerung finden. Die völkerrechtswidrigen Eskapaden der USA braucht die Bundesregierung wahrlich nicht zu unterstützen. Das scheint Washington inzwischen verstanden zu haben.

Auch was den Nahostfriedensprozess und die Demokratisierung der arabischen Welt angeht, hat Deutschland Potential, allein mehr zu erreichen als auf EU-Ebene. Nicht immer sind multinationale Initiativen gut. Die Israelis lehnen die EU zum Beispiel als Vermittler ab, weil sie bei den Franzosen Parteinahme für die Palästinenser wittern. Deutschland hingegen genießt bei beiden Konfilktparteien hohes Ansehen.

In diesem Jahr gedenken Israel und Deutschland zudem der Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 40 Jahren.

Der Zeitpunkt ist günstig, die Amerikaner im Nahost-Friedensprozess mit einer Fischer-Initiative zu "entlasten". Ob Schröder Präsident Bush eine solche Initiative anbietet? Da Bush die Schaffung eines Palästinenserstaates anstrebt, kann der deutsche Beitrag am besten darin bestehen, ein ergänzendes Entwick-lungsprogramm für die Region anzubieten. Auch Palästina könnte wie Israel Orangen und Avocados an Europa verkaufen. Dafür allerdings bedarf es Wassers.

Die zunehmende Wasserknappheit ist dauerhaft nur zu lösen, wenn im großen Stil Meerwasserentsalzung entlang den Küsten der Region betrieben wird - eine Aufgabe für Siemens und Daimler Benz. Von diesen Anlagen könnten auch Jordanien und Syrien profitieren. Auch das Eisenbahnnetz bedarf dringend einer Modernisierung. Kurzum: Es gibt viele Möglichkeiten, die Palästinenser aus ihrer Armutsfalle herauszuholen und damit die gesamte Welt sicherer zu machen. Der Nahost-Konflikt ist nicht unlösbar, und Deutschland könnte zu seiner Lösung einen entscheidenden Beitrag leisten. Es ist zu hoffen, dass Schröder und Bush diesbezüglich in Mainz Klartext reden.

Zweifellos werden beide Staatschefs auch über die neu am Horizont drohende Nordkorea-Krise sprechen. Obwohl diese in erster Linie die USA sowie die Nachbarn in Ostasien betrifft, muss doch gesehen werden, dass alles, was die USA beschäftigt, Auswirkungen auf die übrige Welt hat. Gesetzt den Fall, die USA erwägen auch gegen Nordkorea eine militärische Drohgebärde, werden die Amerikaner ihre Truppen in Deutschland weiter reduzieren und auf dem Balkan wahrscheinlich ganz abziehen müssen. Dies zöge konkrete Konsequenzen für die deutsche Außen- und Verteidigungspolitik nach sich.

Die Herausforderungen an die deutsche Regierung als "leading nation" innerhalb Europas sind durch die Sicherheitspsychose der USA derart gewachsen, dass sich Bundeskanzler Schröder unter einem ähnlichen Erfolgsdruck befindet wie einst Bismarck, als er seine komplizierten Bündnisse flocht. Dem Bundeskanzler sei deshalb an dieser Stelle für sein Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten der Ausspruch Bismarcks, als Rat mit auf den Weg gegeben: "Sympathien und Antipathien im Betreff auswärtiger Mächte und Personen vermag ich (...) nicht zu rechtfertigen."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.