Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 25 - 26 / 20.06.2005
Heike Schmidt

Besser als im Bundestag

Das Finale des Bundeswettbewerbes "Jugend debattiert"

Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft: Das waren die Bewertungskriterien beim diesjährigen Bundeswettbewerb "Jugend debattiert", der am 12. Juni in Berlin mit der Preisverleihung durch Bundespräsident Horst Köhler im Großen Sendesaal des RBB sein Ende fand. 56 Teilnehmer, die sich vorher in den Wettbewerben auf Klassen-, Schul- und Landesebene qualifiziert hatten, waren nach Berlin gekommen, um sich - unterteilt in zwei Altersgruppen - in einer Debatte zu behaupten. Insgesamt hatten sich 40.000 Schüler an dem Projekt beteiligt, und auch die, die es nicht nach Berlin geschafft hatten, profitierten vom Training, in dem es vor allem um die Förderung rhetorischer und gesellschaftspolitischer Kenntnisse ging.

In Berlin galt es wie in den Vorrunden, in der Debatte zu glänzen. Drei Hürden galt es zu überstehen: In der Eröffnungsrunde hatte jeder Teilnehmer zwei Minuten Zeit, sich zu positionieren. Auf zwölf Minuten freie Aussprache folgte die Schlussrunde, in der den Debattierern je eine Minute für ihr Statement zur Verfügung stand. Sie mussten zu aktuellen politischen Themen Stellung beziehen. Die Fragen wurden so formuliert, dass sie auf eine eindeutige Positionierung in Ja und Nein abzielten. Je zwei Teilnehmer debattierten jeweils auf der Pro, zwei auf der Contra Seite mit- und gegeneinander.

Sprache ist Identität

Am Ende des Wettbewerbs standen sich acht redegewandte Schüler in zwei Gruppen gegenüber. In der Altersgruppe I (Klassen 8 bis 10) stand die Frage "Sollen in Deutschland Mindestlöhne eingeführt werden?" zur Diskussion. Der Sieg in dieser Gruppe ging an Maria Brier. Die 16-jährige Schülerin aus Borken (Hessen) mit den Lieblingsfächern Politik und Wirtschaft hatte am Wettbewerb die Möglichkeit gereizt, etwas Neues zu lernen: "Es wird nicht vorausgesetzt, dass man debattieren kann, sondern es wird gemeinsam mit den anderen Schülern gelernt."

Auch für Hans-Georg Mock, den Gewinner in der Altersgruppe II, ist "Jugend debattiert" eine Chance: "Der Wettbewerb ist eine Möglichkeit, jungen Menschen die Kunst des Redens, Argumentierens und Überzeugens nahe zu bringen - zum Gewinn aller." Der Schüler aus Hannover setzte sich in der Debatte zur Frage "Sollen Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene generell eingeführt werden?" durch.

Der Wettbewerb, der 2001 von der Hertie-Stiftung ins Leben gerufen und seit 2002 vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau gefördert wurde, will zur sprachlichen und politischen Bildung in Deutschland beitragen. "Sprache ist die Ausdrucksform, die ein Volk ausmacht. Sprache ist Identität", formulierte es Michael Endres, der Vorstandsvorsitzende der Hertie-Stiftung, in seiner Eröffnungsrede. Gemeinsames Miteinander-Reden solle die Teilnehmer anregen, sich aktiv mit der Demokratie und den Meinungen der Gesprächspartner auseinanderzusetzen.

Auch Bundespräsident Horst Köhler betonte in seiner Rede, wie hoch die Bedeutung der Debatte als Form der öffentlichen Auseinandersetzung sei. Die Fähigkeit zuzuhören schaffe Vertrauen beim Gesprächspartner und sei die Basis auf dem Wege zu einer eigenen Meinung. Für die Teilnehmer bei "Jugend debattiert" sind dies Selbstverständlichkeiten.

Jury und Publikum waren beeindruckt vom hohen Niveau der Diskussionen und den rhetorischen Fähigkeiten der Teilnehmer. Von den oft unproduktiven Rangeleien im Bundestag hoben sich die Schüler-Debatten deutlich ab: Hier wurde zugehört und die eigene Meinung mit Sachkenntnis vorgetragen und begründet.

Dafür gab es für die Teilnehmer ein großes Kompliment von Sandra Maischberger, einer der Kuratorinnen des Wettbewerbs: Von den Fähigkeiten der Schüler könne so mancher Politiker noch etwa lernen, so die Journalistin. Ein Hinweis, den die Debattierer vom Dienst sich zu Herzen nehmen sollten: Gerade erst belegten sie in einer Umfrage der Zeitschrift Reader's Digest zur Frage, wem die Deutschen vertrauen, den letzten Platz.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.