Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 03 / 16.01.2006
Johanna Metz

Nie mehr Angst vor Stromausfall

Schloss Bellevue nach Sanierung wieder geöffnet

Eine "Bruchbude" hat es Ex-Bundespräsident Roman Herzog einmal genannt, das Schloss Bellevue, seit 1994 wieder Amtssitz des Bundespräsidenten im wiedervereinigten Deutschland. Herzog, der am Spreeweg 1 in Berlin-Tiergarten als letzter Bundespräsident nicht nur arbeitete, sondern auch wohnte, wusste, wovon er sprach - schließlich hielt der über 200 Jahre alte Bau zuletzt einige Überraschungen für Hausherr und Besucher parat. Mal fiel bei Staatsempfängen das Licht aus, ein andermal blieb der winzige Zwei-Personen-Aufzug stecken. Häufig sei zudem zu beobachten gewesen, wie Gäste mit "hochroten Köpfen" in den Sälen saßen, weil die Klimatechnik nicht richtig arbeitete, wie Mitarbeiter des Präsidialamtes berichten.

Roman Herzog übergab daher 1999 das Amt an Johannes Rau nicht ohne eine gutgemeinte Warnung: "Ziehen Sie bloß nicht ins Schloss Bellevue. Mal haben Sie Heizung, mal Wasser, aber Abwasser haben Sie immer." Rau bewohnte mit seiner Familie fortan die frühere Amtsvilla des Bundeskanzlers im Berliner Nobelstadtteil Dahlem.

Dessen Nachfolger, Bundespräsident Horst Köhler, war gerade einen Tag im Amt, als die so dringend erforderlichen Umbauarbeiten am 24. Oktober 2004 in die letzte und umfangreichste Runde gingen. Während Köhler sein Arbeitszimmer in das benachbarte Präsidialamt verlegte und für alle Festivitäten und Staatsempfänge ersatzweise ins Schloss Charlottenburg auswich, wurde das Bellevue für rund 24 Millionen Euro aufwendig saniert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Nach 19 Monaten Bauzeit ist das nun vollbracht. Am 8. Januar übernahm Horst Köhler von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) symbolisch die Schlüssel.

Verändert hat sich mit dem Umbau einiges: So wurde die Fassade restauriert und frisch gestrichen, der Garten umgestaltet, ein Videokonferenzraum eingebaut und eine Kameraüberwachung installiert. Eine Befeuchtungsanlage soll künftig die wertvollen Gemälde vor dem Altern schützen, unter ihnen ein Original Karl Friedrich Schinkels. Über zwei behindertengerechte Rampen können erstmals auch Rollstuhlfahrer ohne Hindernis in den Schlossgarten gelangen. Und der neue Vier-Personen-Aufzug macht es sogar möglich, dass der Präsident und seine Gattin künftig gemeinsam mit dem Staatsgast und dessen Begleitung Fahrstuhl fahren können, und nicht wie bisher - und protokollarisch indiskutabel - nacheinander.

Überdies ist das Schloss sicherer geworden. Fenster aus Panzerglas im Amtszimmer des Präsidenten sollen das Staatsoberhaupt in Zukunft besser schützen, genauso wie die automatischen Jalousien, die bei Gefahr möglichen Attentätern die Sicht ins Innere versperren. Zudem wurde ein zweiter Fluchtweg eingerichtet.

Die wichtigsten Veränderungen allerdings sind für den Betrachter unsichtbar. So wurden die neuen Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen geschickt im Gemäuer verbaut, um die Optik des klassizistischen Baus nicht zu zerstören. Und auch die Existenz der neuen modernen Klima- und Heiztechnik wird sich im Bellevue künftig noch em ehesten an der Abwesenheit erhitzter (Staatsober-) Häupter erkennen lassen.

Dennoch: Wohnen wird hier trotz des deutlich gehobenen Standards auch Bundespräsident Horst Köhler nicht mehr. Genau wie sein Vorgänger ist er nach Amtsantritt mit seiner Familie nach Dahlem gezogen - und wird dort auch bleiben müssen: Die mehr als bescheidene, verbaute Drei-Zimmer-Wohnung im Südflügel des Schlosses gibt es nämlich nicht mehr. Wo sich einmal Richard von Weizsäcker und Roman Herzog mehr oder weniger häuslich eingerichtet hatten, erstrecken sich jetzt zahlreiche neue Büro- und Repräsentationsräume und ein Konferenzsaal - genug Platz für die in Wohltätigkeitsorganisationen engagierte First Lady und ihre Mitarbeiter.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.