Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 03 / 16.01.2006
Thomas Emons

Aus zwei mach eins

Was bringen Universitätsfusionen? - Das Beispiel Duisburg-Essen
Fusion: Diesen Begriff kennt man aus der Wirtschaft. Doch was für Unternehmen längst üblich ist, wird auch für die Hochschulen immer öfter zu einem Modell. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Einerseits wird der finanzielle Spielraum der für die Hochschulen zuständigen Länder und des für diesen Bereich mitverantwortlichen Bundes immer geringer. Andererseits müssen sich Hochschulen heute mehr denn je in einem internationalen Wettbewerb der Forschungs- und Bildungsstandorte behaupten. Deshalb plant die schleswig-holsteinische Landesregierung eine Fusion der drei Universitäten in Kiel, Flensburg und Lübeck zu einer Landesuniversität, die den Hochschulstandort Schleswig-Holstein stärken und gleichzeitig alle drei Universitäts-Campi langfristig sichern soll.

Dennoch sind Skepsis und Ablehnung gerade an den kleineren Schwerpunkt-Universitäten Flensburg und Lübeck groß. Hier fürchtet man unter anderem den Verlust von Arbeitsplätzen und eigenem Profil und die Entstehung einer unüberschaubaren Massenuniversität. Kritiker wollen unter anderem lieber auf eine regionale Hochschulkooperation statt auf Hochschulfusion setzen. Ähnliche Stimmen waren vor drei Jahren auch im Ruhrgebiet zu hören, das seit der Gründungswelle der 60er- und 70er-Jahre die dichteste Hochschullandschaft Europas hat. Dass mit der Fusion eine schlagkräftige Hochschule entstehe, die sich im internationalen Wettbewerb werde behaupten können, war vor diesem Hintergrund auch ein Hauptargument, mit dem die damalige nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD) vor drei Jahren für die Fusion der Universitäten Duisburg und Essen warb. Mit dem Gesetz zur Errichtung der Universität Duisburg-Essen trat am 1. Januar 2003 die erste Hochschulfusion Deutschlands in Kraft.

Die Entscheidung, die der nordrhein-westfälische Landtag am 18. Dezember 2002 mit den Stimmen der damaligen Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Grüne getroffen hatte, stieß nicht nur bei den Oppositionsfraktionen CDU und FDP, sondern auch an der Universität Essen auf erheblichen Widerstand. Unterstützt vom Senat, vom Personalrat und dem Allgemeinen Studentenausschuss (ASTA) versuchte der Essener Universitätsrektor, Karl-Heinz Jöckel, die Fusion auf dem Rechtsweg zu stoppen. Während die damalige Landesregierung auf ihr Recht hinwies, Universitäten zu schließen und neue Hochschulen zu gründen, sprach nicht nur die damalige Opposition im Düsseldorfer Landtag von einer Zwangsfusion gegen den Willen und die Interessen der betroffenen Universitäten.

"Management von Differenz"

In der Art und Weise, wie die damalige Landesregierung den Münchner Philosophieprofessor Wilhelm Vossenkuhl ohne Einbeziehung der Hochschulgremien als Gründungsrektor der neuen Universität Duisburg-Essen einsetzen wollte und in dem Umstand, dass der Gründungsrektor die neue Hochschule zunächst ohne gewählten Senat und gewählte Prorektoren führen sollte, sahen die Fusionskritiker einen Verstoß gegen das im Artikel 16 der Landesverfassung festgeschriebene Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen. Die Klagen gegen das Vorgehen das Landesregierung scheiterten, führten aber dazu, dass der bereits ernannte Gründungsrektor Vossenkuhl seinen Auftrag zurückgab. Die neue Universität wurde zunächst von dem durch die Landesregierung eingesetzten Ministerialdirigenten Heiner Kleffner geführt, ehe im Oktober 2003 der Rektor der Karl-Franzenz-Universität Graz, Lothar Zechlin, sein Amt als Gründungsrektor der Universität Duisburg-Essen antreten konnte.

Seine Aufgabe beschrieb Zechlin in seiner Antrittsrede vom November 2003 als "Management von Differenz". Den beiden Hochschulstandorten Essen und Duisburg, die 1972 als eigenständige Gesamthochschulen gegründet worden waren, gestand der Gründungsrektor der neuen Doppel-Universität eine weit reichende Binnenautonomie und eine eigene Profilbildung zu. Diese Profilbildung nahm im Frühjahr 2004 konkrete Formen an, als der Standort der Fachbereiche geregelt wurde. Danach wurden die Fachbereiche Betriebswirtschaft, Gesellschaftswissenschaften, Mathematik, Physik und Ingeni-eurswissenschaften dem Campus Duisburg und die Fachbereiche Chemie, Biologie, Wirtschaftswissenschaften, Sprach- und Geisteswissenschaften, Bauwesen, Medizin sowie Erziehungswissenschaften und Kunst und Design dem Campus Essen zugewiesen.

Ein zentrales Projekt der Hochschulfusion im westlichen Ruhrgebiet ist die Konzentration der Fachbereiche Physik (in Duisburg) und Chemie (in Essen). Die entsprechenden Bau- und Umzugskos-ten, die sich in einer Größenordnung von 10 Millionen Euro bewegen, werden auch aus dem Hochschulbauprogramm des Bundes finanziert. Die Gesamtkosten der Hochschulfusion und Neugründung bezifferte deren Gründungsbeauftragter Kleffner im September 2003 mit etwa 30 Millionen Euro.

Den Investitionen in Millionenhöhe stehen aber auch durch Ziel- und Leistungsvereinbarungen festgelegte Einsparungen gegenüber. So sollen an der Universität Duisburg-Essen, die zurzeit rund 30.000 Studierende ausbildet und rund 3.400 Mitarbeiter beschäftigt, 52 Professorenstellen und 47 wissenschaftliche Mitarbeiterstellen bis 2009 eingespart werden. Zu den zentralen Projekten der Hochschulfusion, die bis Ende 2006 abgeschlossen sein soll, gehören auch die 2004 mit einem Mitarbeiterworkshop eingeleitete Fusion der bis dahin getrennten Hochschulverwaltungen und die geplante Gründung eines Studierenden Service Centers (SSC), in dem die Studiensekretariate, Prüfungsämter, akademischen Auslandsämter und die Studienberatung gebündelt werden sollen. Die Hochschulrechen- und Medienzentren, die Universitätsbibliotheken und die Datenverarbeitung sind bereits in einem Zentrum für Informations- und Mediendienste (ZIM) zu einer Betriebseinheit zusammengeführt worden. Zu jeweils einer Betriebseinheit zusammengefasst werden auch die Bereiche Beschaffung und Personal. Auf zusätzliche Einnahmen hofft man an der Universität Duisburg-Essen auch durch den Ausbau des Zentrums für Hochschuldidaktik zu einem Zentrum für Hochschulentwicklung und Qualitätssicherung. Das neue Zentrum soll nachfrageorientierte Weiterbildungs- und Beratungsangebote in den Bereichen Hochschuldidaktik, Evaluation, Frauenförderung, E-Learning und Qualitätssicherung entwickeln.

Modell bringt Synergieeffekte

Bereits im Jahr nach der Fusion und Universitätsneugründung in Duisburg-Essen, kam der Linguist Klaus-Dieter Bünting, der 1972 zu den ersten Professoren der Gesamthochschule Essen gehört hatte, zu einem positiven Urteil, wenn er in einer Hörfunksendung des Westdeutschen Rundfunks feststellte: "Ich fand die Fusion vernünftig. Ganz deutlich war, dass beide Hochschulen Bereiche hatten, in denen sie deutlich stark waren und solche, bei denen sie eher schwächer waren. Zum Beispiel im Ingenieursbereich haben alle Hochschulen zu kämpfen gehabt, zeitweise, weil die Studienzahlen drastisch zurückgingen. Die sind aber in Essen mehr zurückgegangen als in Duisburg, so dass es strukturell aus meiner Sicht gut war, zu sagen, tut das zusammen. Genauso in unseren Fächern: Die Geisteswissenschaften in Duisburg waren prächtig unterausgelastet und wir mächtig überlastet. Ich finde es richtig, was da gemacht wird. Es gibt Reibungsverluste, erstmal, aber die Gewinne werden auf lange Sicht größer. Wir sind jetzt eine große Institution und alles andere, mein Gott, das ist doch auch nicht weiter auseinander als Institute in Berlin." In der gleichen Sendung sagte die damalige NRW-Wissenschaftsministerin Kraft: "Was erforderlich ist, dass wir Profilbildung betreiben, dass wir die Spitzen erkennen und weiter ausbilden. Das ist ein Prozess, der im Moment im Ruhrgebiet exzellent gut abläuft."

Nicht nur in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein hat man das Modell der Hochschulfusion und Neugründung entdeckt, um Synergieeffekte zu erzielen und Innovationen anzustoßen. So fusionierten Anfang 2005 die Fachhochschule und die Universität Lüneburg zur neuen Universität Lüneburg. Diese am Bologna-Prozess orientierte Modelluniversität will neben Forschung und Lehre den praxisorientierten Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft forcieren. Zu einer weiteren Hochschulfusion kam es in Niedersachsen, als sich die katholische Fachhochschule und die Staatliche Fachhochschule in Vechta und Osnabrück mit Beginn des Wintersemesters 2005/2006 zu einer Hochschule zusammenschlossen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.