Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 03 / 16.01.2006
Carmen Molitor

"Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen"

Ein Blick in den Blätterwald an Universitäten

An kostenlosem Lesefutter herrscht in Universitäten und Fachhochschulen kein Mangel: Lifestyle-Magazine buhlen mit den PR-Journalen der Hochschulen um die Aufmerksamkeit in Foyers, Fluren und Mensen. Auch die Studierenden werden gerne zu Zeitungsmachern - und melden sich in den politischen Blättern der Fachschaften oder journalistisch ambitionierten Projekten zu Wort.

Sie müssen eine Leserschaft bedienen, die vom Erstsemester in Germanistik bis zum Professor der Astrophysik, vom Lehramtskandidaten bis zur Alumni, vom Wirtschaftsboss bis zur technischen Angestellten reicht. Sie sollen Stimme ihres Herrn und trotzdem ein lesbares journalistisches Produkt sein. Sie bekommen wenig Geld und kaum Personal. Man kann nicht behaupten, dass es in Deutschland eine leichte Aufgabe ist, ein Hochschulmagazin zu machen.

Rund 175 Universitäten und Fachhochschulen geben hierzulande eigene Hochschulmagazine heraus, schätzt Medienwissenschaftler Matthias Kohring vom Institut für Kommunikationswissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Zwischen 1999 und 2000 hatte Kohring in Jena die erste empirische Untersuchung von deutschsprachigen Hochschulmagazinen geleitet und mit Studierenden die Redakteure, Leser und Nichtleser von 24 deutschen, drei schweizerischen und einer österreichischen Hochschulzeitung befragt. Bei der Auswertung kam ihm ein Zitat aus Goethes Faust in den Sinn:

"Viele Hochschulmagazine sollen alle Zielgruppen gleichzeitig bedienen. Das ist ein Spagat, der nicht hinzukriegen ist", fasst Kohring zusammen. Bringen sollen die PR-Magazine viel. Ihre wichtigste Mission: Das Image der Hochschule zu prägen und wichtiger Vermittler zur Öffentlichkeit sein. Viele scheitern aber trotz engagierter Redakteure in den Pressestellen zwangsläufig an diesem Anspruch, sagt Kohring. "Es mag Ausnahmen geben, aber den meisten Universitäten fehlt ein kommunikatives Gesamtkonzept, in das die Journale eingebettet sind." Seine Untersuchung ergab, dass die Leser die Hefte häufig zu einseitig und "selbst für PR-Publikationen zu unkritisch" fänden.

Auf die Suche nach den positiven Ausnahmen hat sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gemacht. Sie kürte gemeinsam mit der Wochenzeitung "Die Zeit" und der Robert Bosch Stiftung im November 2005 erstmals das "beste deutsche Hochschulmagazin". Über 100 Bewerbungen waren eingegangen, manche davon fand die Jury originell, andere bewerteten sie als "bessere Vereinsmagazine". "Viele Magazine machen es dem Publikum schwer zu glauben, dass in den Hochschulen interessante, kreative Menschen spannenden Dinge treiben, neue Denkansätze und wichtige Grundlagen des gesellschaftlichen Fortschritts entwickeln, wenn die Texte sperrig, die Themen trocken und die Seiten Bleiwüsten sind", kritisierte die HRK-Generalsekretärin Dr. Christiane Ebel-Gabriel bei der Preisverleihung in Bremen. Die Jury habe mit Erstaunen festgestellt, "dass es auch vielen großen Einrichtungen, die ansonsten großen Wert auf ihr Profil und ihr Renommee legen, nicht gelingt, entsprechende Publikationen zu entwickeln". Die HRK wolle mit dem alle zwei Jahre ausgelobten Preis "Bestes deutsches Hochschulmagazin" zeigen, dass es auch anders geht und einen allmählichen Aufwärtstrend der Blätter unterstützen.

Anders geht es zum Beispiel an der Technischen Universität Berlin, der Gewinnerin von 2005. Hier macht das Presse- und Informationsreferat vier Zeitungen und Zeitschriften für unterschiedliche Zielgruppen. "TU intern" wendet sich an Mitarbeiter, Hochschullehrer und Studierende, "Par TU" an die Alumni und "Forschung akTUell" an wissenschaftliche Interessierte. Zudem produziert die TU eine Beilage für die breite Öffentlichkeit, die dem Berliner Tagesspiegel zweimal im Jahr beiliegt. Die HRK-Preis-Jury zeigte sich beeindruckt vom durchdachten Konzept und der journalistischen Qualität, mit der die Universität ihre Themen darstellt. Die Chefredakteurin der vier Blätter, Referatsleiterin Kristina R. Zerges, erklärt sich den Erfolg durch den klaren Zuschnitt und die konsequente journalistische Machart. Letzteres durchzusetzen sei im Hochschulbetrieb kein reines Honigschlecken. "Wir sagen den Professoren: ,Sie sind die Experten in ihrem Bereich, wir die im Journalismus'", erklärt Zerges. "Man muss Vertrauen aufbauen. Und das ist uns gelungen."

Vernachlässigte Klientel

Eine wichtige Gruppe wird laut Medienwissenschaftler Kohring in den meisten Hochschulmagazinen vernachlässigt: die Studierenden. Um die bemühen sich andere publizistische Angebote. Das Spektrum reicht von den überregionalen Lifestyle-Campusmagazinen wie "Unicum" und "Audimax", über politische sehr eindeutig positionierte Fachschaftsblätter bis hin zu journalistisch ambitionierten lokalen Zeitungsprojekten von Studierendengruppen.

Seit 2004 gibt es auch in dieser Kategorie einen Wettbewerb: Jährlich wird die beste Studentenzeitung mit dem "MLP Campus Presse Award" gekürt. Eine hochrangige Jury, in der unter anderem brand-eins-Chefredakteurin Gabriele Fischer und der Hamburger Journalistikprofessor Siegfried Weischenberg sitzen, beurteilt Textqualität, die Verwendung journalistischer Darstellungsformen, redaktionelle Struktur, Layout und Nutzwert der Blätter. Berlin machte auch hier das Rennen: Die Studentenzeitung "UnAufgefordert" der Humboldt-Universität siegte 2004 gegen 56 Mitbewerber vor "InDOpendent" aus Dortmund und dem Rostocker "heuler".

Die Heidelberger Studentenzeitung "ruprecht", für die Politikstudent Reinhard Lask seit drei Jahren als ehrenamtlicher Redakteur arbeitet, schaffte es unter die ersten zehn. "Unser Hauptaugenmerk gilt der lokalen Hochschulpolitik", erzählt der 31-Jährige. Weil dieses Thema von anderen Medien kaum aufgegriffen wurde, entstand 1987 das Projekt, für das sich bis heute Heidelberger Universitätsstudierende aller Fächer ohne Bezahlung engagieren. "Wir wollen ein Medium ohne ideologischen Hintergrund machen, das versucht, neutral zu berichten", sagt Lask. "Es geht uns einfach um guten Journalismus." Das 16-seitige Heft finanziert sich aus Werbung und wird von fünf Redakteuren mit einem Kreis von organisatorischen Helfern und über 50 freien Mitarbeitern hergestellt. Einen Chefredakteur gibt es nicht. Der "ruprecht" berichtet neben universitätspolitischen Themen über studentische Aktivitäten und städtische Ereignisse. Wichtigstes Thema 2005: Die Pläne, das Heidelberger Volkswirtschaftsseminar nach Mannheim zu verlegen und die studentischen Proteste dagegen.

Ebenfalls als Zeitung "Von Studenten für Studenten" ist 1983 das Monatsmagazin "Unicum" in Bochum gestartet. Manfred Balderschus hatte das Blatt mit Kommilitonen entworfen und zunächst nur in NRW, dann bundesweit verlegt. Heute sieht man dem Hochglanzblatt seine Sponti-Wurzeln nicht mehr an. Das werbefinanzierte Monatsmagazin beschäftigt 40 feste und mehr als 100 freie Mitarbeiter und ist nach eigenen Angaben mit 450.000 Lesern das meistgelesene Studentenmagazin Deutschlands. "Unicum" bedient seine Leserschaft vorwiegend mit Unterhaltung, Servicetipps, viel Werbung und Karrieretipps. Politik spielt kaum eine Rolle. Darüber kann man auf jedem Campus sicher woanders etwas lesen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.