Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 07 / 13.02.2006
Daniela Schröder

Mehr Nobelpreisträger made in Europa

Europäisches Institut für Technologie soll Innovationen fördern

Die EU ist ein Entwicklungsgebiet: Zumindest im Bereich Forschung und Entwicklung liegt die Gemeinschaft im Vergleich zu den USA, Japan, China und sogar Indien weit zurück. Abhilfe soll ein Europäisches Institut für Technologie (EIT) nach dem Vorbild des renommierten Massachusetts Institute for Technology (MIT) werden.

Auf den Plan gebracht hat das Projekt EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. Die Suche nach Wissen habe Europa seit jeher beflügelt und sei auch der Motor der künftigen Wettbewerbsfähigkeit der Union. "Ein EIT kann zu einem Magneten werden, der die besten Köpfe, Ideen und Unternehmen aus der ganzen Welt anzieht", warb Barroso vor einem Jahr für das Projekt.

Allein an der immer weiter gesunkenen Zahl der Nobelpreisträger in den entsprechenden Bereichen lässt sich ablesen, wie dringend die EU im Forschungssektor Tempo machen muss: Während zwischen 1901 und 1950 noch 73 Prozent der Preisträger aus Europa kamen, waren es zwischen 1995 und 2004 nur noch 19 Prozent. Dringender Handlungsbedarf besteht in dieser Frage nach Meinung des deutschen EU-Abgeordneten Jorgo Chatzimarkakis (FDP). Um den Plan einer europäischen Technologieschmiede voranzutreiben, hat er zusammen mit Kollegen aus verschiedenen Fraktionen und Mitgliedsländern ein EIT-Komittee gegründet, das mittlerweile mehr als 70 Mitglieder zählt. Konkrete Formen soll das Projekt nach dem EU-Gipfel im März annehmen, auf dem sich die Staats- und Regierungschefs der Union auch mit dem Thema Forschung und Entwicklung befassen. Und für die Realisierung der neuen Forschungseinrichtung hat das EIT-Kommitee eine scheinbar einfache Idee: Sitz der neuen Einrichtung soll das Gebäude des Europa-Parlaments in Straßburg sein. Müssten die Parlamentarier nicht mehr wie heute zwischen Brüssel und Straßburg pendeln, würde das alleine 200 Millionen Euro an Reisekosten sparen, rechnen die EIT-Befürworter vor. Doch ein Aus für Straßburg ist politisch mehr als unwahrscheinlich, da einer Verlegung des Hauptsitzes des EP nach Brüssel alle EU-Mitglieder zustimmen müssten.

Andere finanziell tragfähige Konzepte scheinen momentan nicht in Sicht. Zudem habe der EU-Haushalt bisher falsche Schwerpunkte gesetzt, kritisiert das EIT-Kommitee. Zwar will die EU bis 2010 ihre Ausgaben für Innovationen und Wissenschaft von derzeit 1,96 Prozent auf 3 Prozent ihrer gesamten Wirtschaftsleistung hochschrauben, doch das ist vergleichsweise wenig: Die USA investieren bereits 2,6 Prozent und Japan 3,1 Prozent. Wieviel Geld den EU-Politikern Forschung und Entwicklung wirklich wert sind, entscheidet sich erst, wenn der Haushalt 2007-2013 endgültig verabschiedet wird. "Die Zeiten von Kohle, Stahl und Landwirtschaft sind vorbei", sagt Chatzimarkakis. Eine gemeinsame Elite-Technologieschmiede könne das Abwandern der besten Köpfe in die USA stoppen und Europa mit wissenschaftlichen Eigengewächsen wieder eine Spitzenposition in Forschung und Technologie sichern, argumentieren die EIT-Befürworter im Parlament. Die Gruppe kritisiert aber auch die Vermarktung neuer Ideen wie beispielsweise des MP3-Players. Ausgedacht wurde er am deutschen Fraunhofer-Institut, produziert und auf den Markt gebracht hingegen in den USA. "Unsere Ingenieure produzieren Top-Qualität, doch man kriegt sie nicht auf die Straße", kritisiert der EU-Parlamentarier. Überwinde Deutschland diesen Widerspruch, dann könne es "Antriebskraft für Innovationen in ganz Europa sein". Der Erfolg von Projekten wie Airbus oder dem Satellitennavigations-System Galileo zeige, dass Großinvestitionen auf EU-Ebene Früchte tragen können.

In Straßburg soll jedoch keine neue Universität entstehen, sondern eine Austauschzentrale, von der aus die Arbeit in den Forschungszentren in der ganzen EU koordiniert und in Kontakt mit der Wirtschaft gebracht wird. Im Gegensatz zu den USA seien Forschung und Marketing in der EU zwei unterschiedliche Kulturen, heißt es im EIT-Kommittee des Parlaments. Auch wenn die EU-Politiker sich nach außen einig sind, dass der Ausbau der Forschung entscheidend ist, scheint der Weg zu einem EIT noch lang, besonders, was den Standort anbelangt. Die französische Regierung hat bereits angekündigt, ein eigenes Elite-Technologieinstitut gründen zu wollen. Und zwar in Paris.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.