Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 19 / 08.05.2006
Monika Pilath

Aufgekehrt

Es gibt kein Entkommen. Vom 9. Juni bis zum 9. Juli ist Fußball-Weltmeisterschaft, alldieweil Ausnahmezustand in Deutschland. Wer keinen Bock auf das Runde im Eckigen hat, dem bleiben nur wenige Möglichkeiten. Auswandern hat in unserer globalisierten Welt kaum einen Sinn. Die Jubelschreie von Ronaldinho, Beckham und Co. werden wohl bis in den letzten Zipfel dieser Erde in Digitalqualität übertragen.

Allerdings haben einige Reiseveranstalter vorgesorgt. Sie werben - Überraschung, Überraschung - mit so genannten Lady-Specials für ball- und mannlose Ferien, für Wellness statt WM. Damen als Fußballmuffeln widmen auch die (im Übrigen für den FIFA Worldcup qualifizierten) Schweizer ihre Aufmerksamkeit. Unter www.myswitzerland.com wird ein Alternativprogramm für Frauen offeriert. "Frauen, verbringt doch den WM-Sommer dort, wo sich die Männer weniger um Fußball kümmern, dafür mehr um Euch: Zum Beispiel in den Schweizer Bergen", heißt es da.

Wem das zu hoch ist, dem versprechen weitere Klicks im Internet Schutz vor Abseits und Aus. Wer sich etwa unter www.fußballmuffel.de einloggt, wird automatisch zum deutschsprachigen Blas- und Militärmusikforum weitergeleitet. Die Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH hält Tipps für Fußballflüchtlinge unter www.fussballfreie-zone.de bereit, ähnlich die Internetseite www.fussballfreiezone.de des Münchener Regisseurs Stephan Barbarino. Einer der ersten Partner dieser Website ist die Bayerische Schlösserverwaltung - hat aber dem Vernehmen nach nichts damit zu tun, dass Bayern-Keeper Oliver Kahn nur noch die Nummer Zwei im deutschen Tor ist.

Auf der Seite werden auch Produkte mit einem ganz besonderen Logo vertrieben: ein Fußball in einem Halteverbotsschild. Macht sich prima auf String-tanga für 14,80 Euro. Ein echtes Schnäppchen, kostet der String mit dem Aufdruck WM-Hasser auf gleichnamiger Website doch 19,90 Euro. Wer seine eigenen vier Wände fußballfrei halten will, kann auf faltbare und abwaschbare Tischaufsteller (12,40 Euro) mit entsprechendem Gesinnungsprint zurückgreifen. Dann noch Kopfhöhrer auf und Lieblingsmusik an, und nichts ist mehr mit olé, olé, olé!


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.